| # taz.de -- Finanzwissen unter jungen Leuten: Das Internet ersetzt den Bankbera… | |
| > Vermeintliche Experten in den sozialen Medien reden die gesetzliche Rente | |
| > systematisch herunter. Sie treffen auf ein schlecht informiertes | |
| > Publikum. | |
| Bild: Geld sparen fürs Alter: Vermeintliche Experten in den sozialen Medien re… | |
| Berlin taz | In den sozialen Medien wimmelt es nur so von guten oder | |
| schlechten Ratgebern. Ausgerechnet Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) | |
| gehörte neulich zu den schlechten, wie Hermann Tenhagen, Chefredakteur des | |
| Verbraucherportals Finanztip, kritisiert. | |
| Auf die Frage eines Instagram-Nutzers nach der Sicherheit der Rente gab der | |
| Kanzler den Tipp, sich nicht nur auf die gesetzliche Rentenversicherung zu | |
| verlassen, sondern zusätzlich privat vorzusorgen. „Ein ganz klein bisschen | |
| zu sparen im Monat, 10 Euro, 20 Euro, 50 Euro und das über eine lange Zeit, | |
| einfach festlegen, sichert ein sicheres Alterseinkommen“, erklärte Merz. | |
| Das hat Tenhagen einmal nachgerechnet. Wer mit 20 Jahren anfängt, monatlich | |
| zehn Euro in einen Aktien-ETF mit jährlich sechs Prozent Rendite zu | |
| stecken, kommt mit 67 Jahren gerade einmal auf ein Vermögen von rund 30.000 | |
| Euro. Davon könnte der Sparer den Rest seines Lebens nur 80 Euro monatlich | |
| als Zusatzrente beziehen. | |
| „Junge Menschen brauchen klare Fakten, keine Nebelkerzen“, schimpft | |
| Tenhagen über die blumige Kanzler-Rechnung. | |
| ## Finfluencer skeptisch gegenüber gesetzlicher Rente | |
| Die Skepsis gegenüber der gesetzlichen Rente ist auf Youtube, Instagram | |
| oder Tiktok weit verbreitet. So genannte Finfluencer, [1][selbst ernannte | |
| Finanzexperten], nutzen die Sorge vor Altersarmut systematisch aus, um | |
| ihrem Publikum bestimmte Finanzprodukte nahezulegen. | |
| Eine Studie der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg hat dies im Auftrag der | |
| Deutschen Rentenversicherung (DRV) genauer unter die Lupe genommen. Die | |
| Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass die Rente meist schlechtgeredet wird | |
| und die Finfluencer sich als Aufklärer positionieren und so Vertrauen | |
| gewinnen. „Ihre zentrale Botschaft an ihre Zielgruppe lautet: ‚Ihr müsst | |
| aufwachen‘“, heißt es in der Studie. | |
| Dass deren Strategie auf Einnahmen aus der Finanzwirtschaft abzielt, wird | |
| nicht immer klar gekennzeichnet. Der Politik wird dabei oft unterstellt, | |
| wichtige Informationen und Wahrheiten über die Altersvorsorge | |
| zurückzuhalten. | |
| „Sie hingegen präsentieren sich als diejenigen, die das Wissen besitzen, | |
| das von staatlicher Seite [2][angeblich nicht ausreichend vermittelt | |
| wird]“, beobachten die Forscher. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass | |
| der Einfluss der Finfluencer auf potenzielle Sparer oder Anleger zunimmt. | |
| ## Kunden nicht ausreichend informiert | |
| Qualitativ ist die Bandbreite der Finanzinformationen im Netz gewaltig. Sie | |
| reicht von seriösen, gut aufbereiteten Informationen über die | |
| Funktionsweise von Aktien, ETF oder Kryptowährungen bis zu | |
| [3][Verschwörungslegenden, die von Abzocke der Bürger durch den Staat | |
| erzählen]. | |
| Daher rät die Bundesfinanzaufsicht (Bafin) zur Vorsicht bei Anlagetipps in | |
| sozialen Medien. Es gebe durchaus gute Informationen mit seriösem | |
| Hintergrund. „Allerdings kursieren dort auch unzählige falsche oder nur | |
| teilweise richtige Darstellungen“, warnt die Behörde. | |
| Das Problem: Das Angebot an Finanzprodukten aller Art triff auf | |
| unzureichend informierte potenzielle Kunden. Eine aktuelle Befragung der | |
| Universität Tübingen von Schülern der zehnten Klasse zeigte zudem, dass | |
| Mädchen noch weniger über Wirtschaft wissen als Jungen. Doch es ist nicht | |
| nur ein Problem der Jüngeren. Das Finanzwissen ist auch bei Älteren nur | |
| schwach ausgeprägt. Und die Deutschen überschätzen ihre Kenntnisse. | |
| In einer Umfrage des Bankenverbands 2024 gaben 60 Prozent der Befragten an, | |
| sich in Finanzfragen gut auszukennen. Doch das tatsächliche Wissen ließ | |
| erhebliche Lücken erkennen. So wusste ein großer Teil nicht, was an den | |
| Börsen tatsächlich geschieht. Andere Studien der vergangenen Jahre | |
| bestätigen diesen Befund. | |
| ## Gutes Beispiel: die Finanztip-Stiftung | |
| Junge Leute wünschen sich daher vor allem unabhängige Informationsquellen | |
| in Geldfragen. Daran hapert es noch gewaltig. Die Bundesregierung arbeitet | |
| zwar an einer Finanzbildungsstrategie. Doch Ergebnisse lassen auf sich | |
| warten. Derzeit gebe es eine interne Abstimmung, sagt ein Sprecher des | |
| Bundesfinanzministeriums. | |
| Immerhin hat das Ministerium mit der Webseite | |
| [4][www.mitgeldundverstand.de] eine Informationsplattform eingerichtet. | |
| Doch die Inhalte sind alles andere als zielgruppengerecht aufbereitet. | |
| Ein positives Beispiel hat dagegen die Finanztip-Stiftung auf den Weg | |
| gebracht. Seit gut fünf Jahren bietet sie Schulen Unterrichtsmaterialien zu | |
| Geldfragen an. Auch gehen Fachleute direkt vor Ort in die Schulen. | |
| In den vergangenen zwölf Monaten habe die Stiftung so 150.000 Schülerinnen | |
| und Schüler erreicht, sagt Stiftungs-Chef Fabian Dany. Er plädiert dafür, | |
| das Finanzwissen stärker in den Lehrplänen der Schulen zu verankern. | |
| Stattdessen sieht Dany eine problematische Entwicklung. Die Lücken bei der | |
| finanziellen Bildung würden häufig durch externe Anbieter gestopft. Hier | |
| sei eine strikte Trennung vonnöten. „Banken und Versicherungen haben im | |
| Klassenzimmer nichts verloren“, sagt er. | |
| 29 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Finfluencer-auf-sozialen-Medien/!6104937 | |
| [2] /Plattform-mitgeldundverstandde/!6043211 | |
| [3] /Rechte-Influencer/!6016268 | |
| [4] https://www.mitgeldundverstand.de/fibi/DE/Home/home.html | |
| ## AUTOREN | |
| Wolfgang Mulke | |
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