| # taz.de -- Mustergültige Sportintegration: Ganz schnell ein Schwabe | |
| > Der einstige syrische Fußballprofi Feras al Mashhor flüchtete 2015 in ein | |
| > schwäbisches Dorf. Dank seines Sports fühlt er sich rasch zugehörig. | |
| Bild: „Ich bin Deutschland unglaublich dankbar“: Feras Al Mashhor ist als T… | |
| Staig taz | Auf dem Sportplatz des Dorfvereins SC Staig fühlt sich Feras al | |
| Mashhor zu Hause. Mit einem kleinen Tor über der Schulter betritt der Coach | |
| den Platz, steckt routiniert das Spielfeld für das Training der Bambini, | |
| den Jüngsten des Vereins, ab. Am Spielfeldrand stehen die Eltern Schulter | |
| an Schulter, wollen ihre Kinder Tore schießen sehen. Früher, als al Mashhor | |
| den Rasen seines syrischen Klubs Al-Yaqdhah betrat, jubelten ihm die Fans | |
| auf den Rängen zu. Über ein Jahrzehnt war der 44-Jährige [1][Fußballprofi | |
| in Syrien]. Dann zwang der Krieg ihn, seine Heimat zu verlassen. | |
| Nach elftägiger Flucht stellte er mit seiner Familie 2015 einen Asylantrag | |
| in der Bundesrepublik. Mehr als 150.000 Syrer machten das in diesem Jahr. | |
| Die ersten Wochen verbrachte die Familie in einer Flüchtlingsunterkunft, | |
| dann bezog sie ein Haus im schwäbischen Staig, knapp 15 Kilometer südlich | |
| von Ulm gelegen. | |
| Was dann passierte, hört sich fast ein wenig nach Integrationskitsch an. | |
| Schlechte Erfahrungen? An nicht eine kann sich al Mashhor erinnern. Die | |
| neuen Nachbarn erwiesen sich als offenherzig. „Eine Woche später war ich | |
| schon zum ersten Fußballtraining eingeladen“, erzählt al Mashhor. Zwar | |
| konnte er kein Wort Deutsch, doch mit der Mannschaft der Alten Herren des | |
| Sportklubs Staig [2][verstand er sich auch ohne Worte.] | |
| „Fußball spielen war meine Sprache“, sagt al Mashhor. Auch seine neue | |
| Mannschaft freute sich über den prominenten Zugang. Seitdem gehört der | |
| ehemalige syrische Profifußballer fest zu den Alten Herren des SC Staig. | |
| Auf die Welt kam der gelernte Schwabe Feras al Mashhor 1981 in der | |
| ostsyrischen Stadt Deir ez-Zor. Zehn Jahre zuvor hatte sich Hafiz al-Assad | |
| an die Macht geputscht. Die Kindheit verbrachte der kleine Feras Fußball | |
| spielend auf den sandigen Straßen von Deir ez-Zor, einen Sportplatz gab es | |
| nicht. „Wenn wir keinen Ball hatten, knüllten wir Socken zusammen“, | |
| erinnert er sich. | |
| Als 12-Jähriger meldete er sich mit seinen Freunden bei einem | |
| Straßenturnier an. „Da hat mich der Trainer von der Erstligamannschaft | |
| gefragt, wo ich mich so lange versteckt habe“, sagt al Mashhor mit stolzem | |
| Grinsen. Er spielte sich in die höchste Liga des Landes, verdiente sein | |
| Geld jahrelang als Fußballprofi. Al Mashhor sagt: „Das war ein gutes | |
| Leben.“ | |
| Bei einem Spiel gegen die Mannschaft vom Tishreen SC aus der Hafenstadt | |
| Latakia flog al Mashhor in der ersten Halbzeit vom Platz. Das Spiel, | |
| erzählt er, sei gekauft gewesen. Die Assad-Familie sei mit dem Team eng | |
| verflochten gewesen. Ein Bild von al Mashhor, der mit dem über den Kopf | |
| gezogenen Trikot in Richtung Kabine läuft, zierte am nächsten Tag die | |
| syrischen Zeitungen. „Spätestens dann hat man mich auf der Straße erkannt�… | |
| berichtet der ehemalige Mittelfeldspieler mit einem Lachen. | |
| Parallel zu seiner Profi-Karriere studierte al Mashhor und arbeitete | |
| jahrelang als Sportlehrer. Als nach dem arabischen Frühling im Jahr 2011 | |
| der Bürgerkrieg begann, änderte sich das Leben in Syrien. Das Assad-Regime | |
| kämpfte gegen Rebellen, Dschihadisten und internationale Mächte. Der Krieg | |
| brachte Verwüstung, Angst und Armut in die Städte. | |
| „Manchmal hatten wir nur Geld für einen Apfel. Dann haben meine Frau und | |
| ich die Schale gegessen und unseren Kindern den Rest gegeben“, erzählt al | |
| Mashhor aus der Zeit im Krieg. Als Deir ez-Zor vom IS belagert wurde, | |
| entschied sich die Familie, zu gehen. | |
| Sein Studium zum Sportlehrer wurde in Deutschland nicht anerkannt, also | |
| musste er umschulen. Er machte nochmals eine Ausbildung, arbeitet jetzt als | |
| Elektriker. Über derlei Integrationserschwernisse sich zu beklagen, kommt | |
| al Mashhor gar nicht in den Sinn. Sein Blick bleibt stets auf das Positive | |
| gerichtet. Das, sagt er, habe ihm ermöglicht, etwas Neues zu lernen. | |
| Nur eine Hürde machte ihm lange zu schaffen: Rund drei Jahre lang besuchte | |
| er Deutschkurse, doch die Verständigung blieb mitunter problematisch: „Ich | |
| habe Hochdeutsch gelernt, aber alle hier haben Schwäbisch geredet.“ | |
| Als einige Monate später bei den Bambini Trainermangel herrschte, fragte | |
| man al Mashhor, ob er nicht einspringen wolle. Der ehemalige Profi wollte. | |
| Er brachte den Kindern das Fußballspielen bei, sie halfen ihm im Gegenzug, | |
| deutsch zu lernen: „Die einfache Sprache der Kindern war für mich viel | |
| leichter zu verstehen als die der Erwachsenen.“ | |
| Noch immer coacht al Mashhor die jüngsten Fußballer des Dorfes, zu denen | |
| mittlerweile auch sein Sohn Asif gehört, der in Deutschland geboren wurde. | |
| In seiner Freizeit steht er fast jeden Tag auf einem Sportplatz der Region, | |
| feuert seine Kinder an, trainiert oder spielt selbst. | |
| Wenn er seinen Sohn Asif beobachtet, wie er wieder einmal seine Mitspieler | |
| der Bambini schwindelig spielt, könnte er nicht glücklicher sein. Denn der | |
| 6-Jährige kann auf grünem Rasen trainieren, sein Ball besteht nicht aus | |
| zusammengebundenen Socken, im Hintergrund sind keine Detonationen zu hören. | |
| Seit 2023 hat Feras al Mashhor [3][einen deutschen Pass.] Er sagt: „Ich bin | |
| Deutschland unglaublich dankbar.“ | |
| 20 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Leon Scheffold | |
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