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# taz.de -- Gewalt im Westjordanland: Militär und wohl auch Siedler zerstören…
> Tagelang wird das palästinensische Dorf Al-Mughayyr nach einem Angriff
> auf Siedler belagert. Das Militär reißt hunderte Olivenbäume –
> Lebensgrundlage lokaler Bauern – nieder.
Bild: Al Mughayyir, Westjordanland, 24. August: Ein Palästinenser betrachtet O…
Al-Mughayyr taz | Auf den kargen Feldern außerhalb des Dorfs Al-Mughayyr
nordöstlich von Ramallah bewegen sich die Bagger. Sie heben Erde und Bäume
aus – Olivenbäume sind es hauptsächlich. Sie liegen quer über dem Boden,
die Wurzeln in die Luft, als wäre ein Orkan über sie hinweggefegt. Zu
Dutzenden liegen sie auf den Feldern, einige werden aufgesammelt und
abtransportiert.
Auf der anderen Seite der Hauptstraße 458 stehen noch mehr Bulldozer
bereit. Einer, etwas weiter, ist der gepanzerte D9, den das israelische
Militär bei Räumungen benutzt. Vor den Maschinen laufen Soldaten mit
Maschinengewehren herum, andere sitzen gelassen in einem Fahrzeug unter der
Sonne. Sie tragen die olivengrünen Uniformen der israelischen Streitkräfte
(IDF). In mindestens einem der Bulldozer sitzt hingegen ein Mann mittleren
Alters im kurzärmeligem, weißem T-Shirt und dunkler Hose. Zwei junge Männer
fahren auf Motorrädern entlang des Feldes, einer in ärmellosem Top, der
andere in hellblauem T-Shirt.
Das ist die Szenerie, die sich am Freitag im [1][Westjordanland] außerhalb
von Al-Mughayyer abspielt. Die taz war exklusiv vor Ort.
Palästinenser sagen, die Zivilist*innen auf den Feldern und in den
Baumaschinen seien Siedler. Das israelische Militär ließ eine entsprechende
Anfrage unbeantwortet, veröffentlichte jedoch ein Statement, in dem es
Verantwortung für die Aktion übernahm. Demnach soll die Armee mehr als
3.000 Bäume entwurzelt haben. Der angegebene Hintergrund: Die Suche nach
einem Palästinenser, der am Tag davor einen israelischen Hirten verletzt
hatte.
## Eine Bestrafung der Einwohner*innen von Al-Mugahyyr
Der Angreifer soll sich nach der Tat im Dorf Al-Mughayyr verschanzt haben.
Die israelische Armee riegelte es im Rahmen der Fahndung ab. Laut Times of
Israel wurde die Blockade am Sonntagmorgen aufgehoben. Bewohner*innen
beklagen Sachschäden und übermäßige Gewalt. Krankenwagen würden an der Ein-
und Ausfahrt gehindert. Videos, die von der NGO B'teselem veröffentlicht
wurden, zeigen einen Soldaten, der einen Steinbrocken gegen die
Windschutzscheibe eines geparkten Wagens wirft.
In der Nacht von Freitag auf Samstag gaben die IDF bekannt, den 30-jährigen
Mann gefasst zu haben. Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa
ging die Entwurzelung der Bäume jedoch am Samstag weiter. Aus
palästinensischer Sicht ist dies eine Art Bestrafung der Einwohner*innen,
die Oliven dann nicht mehr ernten können, und ein Versuch, sie aus den
Dörfern zu vertreiben. Das Militär ließ eine entsprechende Anfrage
unbeantwortet.
Olivenbäume zu beschädigen ist eine Taktik, die radikale Siedler teilweise
benutzen, um palästinensische Gemeinschaften zu schikanieren. In der
Vergangenheit, auch in Al-Mughayyr. Yair Dvir von der israelischen
Menschenrechtsorganisation B’teselem sagt, man wisse noch nicht mit
Sicherheit, ob Siedler in die Entwurzelung der Bäume involviert seien, wenn
es auch einige Hinweise dazu gebe. Sicher ist, dass Siedler dabei waren,
als die Operation erfolgte.
„Sicherlich ist Sicherheit nicht die Hauptfrage hier“, sagt der
NGO-Sprecher. Es sei eine Attacke gegen Zivilist*innen. „Sie wollten das
gesamte Dorf bestrafen. Und sie wollen die anderen warnen.“
## Israelisher General: „Sie werden eine Belagerung erleben“
Kurz nach der Attacke gab der General des Zentralkommandos im
Westjordanland, Avi Bluth, an: Hedes Dorf und jeder Feind müsse wissen,
dass, wenn sie einen Angriff gegen Bewohner*innen durchführen, einen
hohen Preis zahlen werden. „Sie werden Ausgangssperren erleben, sie werden
eine Belagerung erleben und sie werden Gestaltungsoperationen erleben.“
Laut der israelischen Zeitung Haaretz sind mit „Gestaltungsoperationen“
Aktionen gemeint, die palästinensisches Land in Gebiete für militärische
Nutzung verwandeln. Dabei ist Kollektivbestrafung unter humanitärem
Völkerrecht verboten.
Said Abu Aliya, 65-jähriger Bewohner von Al-Mughayyr, steht am Donnerstag
müde aussehend vor einem Haus. Dessen Wände sind noch rauchgeschwärzt, nach
einem mutmaßlichen Siedlerangriff von vor vier Tagen. Es befindet sich etwa
zwei Kilometer westlich des Dorfs. Auf einem benachbarten Hügel thronen
zwei vereinzelte Häuser, daneben ein Zelt – ein illegaler Außenposten.
Als die israelischen Streitkräfte Al-Mughayyr abriegelten, war Abu Aliya in
Ramallah. Dort arbeitet er als Bauarbeiter. Als er nach Hause zurückwollte,
durfte er das nicht. Die Streitkräfte ließen ihn umkehren. Er musste nach
Jericho und bei Freunden übernachten. Seine Ehefrau und Kinder sind im Dorf
und dürfen hingegen nicht raus. „Die Situation ist miserabel“, fasst er
zusammen.
## Wovon sollen die Farmer leben – ohne Olivenbäume?
Selbst Muayyad Shaaban, Direktor der Kommission für Siedlungswiderstand,
haben die Soldat*innen abgewiesen. Das erzählt er auf Nachfrage der taz.
„Es ist mein Job, da hinzugehen und mir die Lage anzuschauen“, beschwert er
sich. In Al-Mughayyr leben etwa 3.000 Menschen, das Dorf liegt teils in
Gebiet B, teils in Gebiet C. Nach den Oslo-Abkommen ist das
[2][Westjordanland] in drei Zonen unterteilt: A, B und C. Im Gebiet B hat
die Palästinensische Autonomiebehörde Aufsicht in zivilen Angelegenheiten,
die Sicherheit ist in israelischer Hand, Gebiet C steht komplett unter
[3][israelischer Kontrolle].
Abu Aliya und die anderen ausgesperrten Bewohner*innen warten auf den
Hügeln sehnlich darauf, wieder in ihr Dorf zu dürfen. Und fragen sich,
wovon die Farmer*innen in Al-Mughayyr leben sollen, wenn die Olivenbäume
verschwinden und sie das Land nicht mehr nutzen können.
24 Aug 2025
## LINKS
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[3] /Umstrittenes-israelisches-Bauprojekt/!6106021
## AUTOREN
Serena Bilanceri
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