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# taz.de -- Gewalt im Westjordanland: „Sie wollten das Kino anzünden“
> Im ganzen Westjordanland steigt die Gewalt durch israelische Siedler
> gegenüber Palästinensern an, auch in Hebron, wo Issa Amro ein Kino
> einrichten will.
Bild: Wurde am 14. 2. 2023 im Westjordanland von einem israelischen Soldaten an…
Eigentlich wollten Sabine und Michael Friedrich nur einen kleinen Teil
ihres Sabbaticals im Westjordanland verbringen und Issa Amro in Hebron
besuchen. [1][Sie kennen den palästinensischen Friedensaktivisten] aus
ihrem Engagement in der Menschenrechtsarbeit. „Doch in dieser Situation
trauen wir uns nicht, die Leute hier im Stich zu lassen“, sagen sie.
Die Situation – das sind immer mehr Angriffe durch radikale israelische
Siedler. [2][In Hebron, einer Stadt im südlichen Westjordanland, spielt
sich der Nahostkonflikt im Kleinen ab.] Jüdische Siedler*innen und
Palästinenser*innen leben dort mitunter Wand an Wand.
Die Stadt ist in zwei Gebiete unterteilt: H1, das unter palästinensischer
Kontrolle steht, dort leben etwa 160.000 Palästinenser*innen, und H2, wo
das israelische Militär für die Sicherheit verantwortlich ist und einige
hundert Siedler*innen und etwa 40.000 Palästinenser*innen wohnen.
Gebiet H2 ist von H1 durch eine Sperranlage getrennt. In der ganzen Stadt
stehen etwa 100 physische Hindernisse, vor allem Checkpoints, die den
Alltag der Einwohner*innen erschweren.
„Gewalt gab es hier immer wieder. Doch seit dem 7. Oktober haben die
Angriffe durch Siedler um das Zehnfache zugenommen“, sagt Issa Amro in
einem Videogespräch. Sein Haus liegt in Tel Rumeida, Gebiet H2, neben einem
archäologischen Areal und am Rande von israelischen Wohnhäusern. Dort, bei
ihm, kommen auch die Friedrichs unter.
## Amro fürchtet um sein Leben
Gerade ist Amro jedoch bei seinen Eltern, wohin er schon vor längerer Zeit
seinen 13-jährigen Sohn gebracht hat. In Amros Haus sei es für ihn zu
unsicher. Am 8. Oktober 2023 hätten Siedler versucht in sein Haus
einzubrechen und hätten Steine auf Amro geworfen. Nun fürchtet Amro um sein
Leben. „Ich wollte meine Eltern und meinen Sohn sehen, falls in den
nächsten Tagen was passiert.“
Die Friedrichs erzählen von dem, was sie erleben, in einem Café im Süden
des Westjordanlands. Im Hintergrund singt ein Sänger Lieder auf Arabisch.
Die beiden Deutschen sehen aus, als seien sie Urlauber. Doch statt Urlaub
zu machen, werden sie in diesen Tagen Zeugen davon, wie die Gewalt gegen
Palästinenser sich immer weiter zuspitzt.
Am vergangenen Samstagnachmittag zum Beispiel. Da inspizieren erst drei
Siedler, mit Kippa auf dem Kopf und den weißen Kordeln unter der Jacke
hängend, Amros Haus und das Außengelände. Wenige Stunden später, gegen 22
Uhr, kommen die drei wieder vorbei und bohren Löcher in die Wasserleitung,
die neben dem Haus fließt. Ein Video zeigt den Schaden.
Als sie entdeckt werden, fliehen die Siedler. Etwa eine Stunde später hören
die Friedrichs ein metallenes Kreischen von oben. Die
Hausbewohner*innen rennen auf die Terrasse, in die obere Etage, und
dann weiter aufs Dach.
## Der Soldat greift nicht ein
In dem Moment stehen sich die zwei Gruppen kurz gegenüber: Die
Bewohner*innen filmen. Die Siedler bohren ein Loch ins Wellblechdach.
Die Leitern, um aufs Dach zu klettern, hatten sie mitgebracht.
Orangefarbene Kanister auch, sie sehen aus wie Benzinkanister. Unten vor
dem Haus, knapp zehn Meter weiter, steht ein israelischer Soldat, der
scheinbar nichts hört und nichts sieht.
Die jungen Siedler packen ihre Geräte und die Leitern zusammen und
entfernen sich langsam, zurück in die benachbarte Siedlung. Vorbei an dem
Soldaten, der zuvor nicht eingegriffen hat. Er packt einen der Jugendlichen
am Arm und befragt ihn kurz, doch dann lässt er ihn und seine Kumpel
weiterziehen. Kurz danach geht er mit langsamen Schritten den jungen
Siedlern hinterher und verschwindet in der Siedlung. Die Szene ist in einem
Video zu sehen, das die Friedrichs [3][in ihrem Blog] gepostet haben.
Das Haus von Issa Amro ist für die Siedler wohl aus mehreren Gründen Ziel
vermehrter Angriffe. Nicht nur, dass Amro selber den Siedlern ein Dorn im
Auge ist. Amro ist preisgekrönter Aktivist, [4][mit dem sogenannten
alternativen Nobelpreis wurde er geehrt], er wurde mehrfach durch
israelische und einmal durch palästinensische Behörden festgenommen und ist
ein Verfechter gewaltlosen Widerstands.
## „Sie wollten das Kino anzünden“
Der „Gandhi Palästinas“ wird er in den Medien immer wieder genannt. Doch
sein Haus ist auch Hauptsitz von Amros Verein „Youth against settlements“,
Jugend gegen die Siedlungen. Und dort soll am Dienstag ein kommunales Kino
eröffnen. Amro ist sich sicher, dass die jüngste Attacke mit diesem
Kinoprojekt zu tun hat. „Sie wollten das Kino anzünden“, sagt er.
Das kommunale Kino ist ein lang gehegtes Projekt von Amros Verein. 2016
sollte „Youth against settlements“ das Kino schon eröffnen, in Kooperation
mit dem israelischen Center for Jewish Nonviolence. Doch das israelische
Militär behinderte damals immer mal wieder den Aufbau. Medienberichte
bestätigen dies. Kurze Zeit später wurde Amro verhaftet. Das Projekt wurde
gestoppt. Doch jetzt soll es so weit sein.
„Die Idee dahinter ist es, der Gemeinschaft die Gelegenheit zu geben, Filme
zu schauen. Für Kinder, für Frauen, weil sie hier nicht rauskönnen. Es ist
ein sehr wichtiges Projekt für unseren gewaltfreien Widerstand gegen die
Besatzung“, erklärt Amro.
Dass die Situation jetzt so eskaliert, macht ihm Angst. „Ich bin wütend.“
Doch wegzuziehen ist für ihn keine Option. Hier zu leben, das allein sei
schon eine Art von Widerstand, sagt er.
1 Dec 2025
## LINKS
[1] /Antisemitismus-und-Nahost-Konflikt/!5959929
[2] /Streit-um-Israel/!5839843
[3] https://haithabu-haifa.de/2025/
[4] /Gewinner-des-Alternativen-Nobelpreises/!6037065
## AUTOREN
Serena Bilanceri
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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