| # taz.de -- Lobbyorganisation Elnet: Meinungsbildungsreisen nach Israel | |
| > Elnet lobbyiert für die Regierung Netanjahu. Über hundert deutsche | |
| > Abgeordnete reisten mit dem Verein, der Kontakt zu Siedlern und | |
| > Trump-Fans hat. | |
| Bild: Ist doch alles super hier! Touristen mit Blick auf den Tempelberg in Jeru… | |
| Anfang August kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) | |
| [1][Einschränkungen bei Waffenlieferungen an] Israel an – ein Schritt, der | |
| [2][laut Umfragen] in der Gesamtbevölkerung auch unter Christdemokraten | |
| breite Zustimmung fand. Doch aus den eigenen Reihen hagelte es Kritik. | |
| Noch am selben Tag mahnte der Außenpolitiker Stephan Mayer (CSU) Merz | |
| [3][in der Bild], es sei „unsere Pflicht, unmissverständlich an der Seite | |
| Israels zu stehen“. Unverblümter wurde Carsten Müller (CDU), Vorsitzender | |
| des Rechtsausschusses: [4][Auf X] verurteilte er die „erhebliche | |
| Fehlentscheidung“ der Bundesregierung „aufs Schärfste“. | |
| Den Entgegnungen aus der Union gegen den Parteichef Merz waren [5][ähnliche | |
| Stellungnahmen] pro-israelischer Vereine vorausgegangen, etwa von der | |
| Organisation European Leadership Network (Elnet). Ihr Vorsitzender | |
| bezeichnete die [6][mittlerweile aufgehobene Lieferbeschränkung] als ein | |
| Versagen gegenüber dem Partnerland, von dem Deutschland „selbst regelmäßig | |
| Rüstungsgüter“ beziehe, und verbreitete noch am selben Tag den Tweet von | |
| Carsten Müller weiter. | |
| Außerhalb des Bundestags ist der Name [7][Elnet] kaum geläufig. In den | |
| vergangenen Jahren hat sich der Verein jedoch zu einem wichtigen Akteur der | |
| deutsch-israelischen Beziehungen entwickelt – auch im Militärbereich. Es | |
| gibt eine Reihe von Organisationen, die Druck auf Israel abwehren wollen | |
| und deshalb immer intensiver agieren, mit immer größeren finanziellen | |
| Ressourcen, während der israelischen Armee schwerste Kriegsverbrechen zur | |
| Last gelegt werden und die Netanjahu-Regierung rechtsstaatliche Strukturen | |
| untergräbt. In diese Landschaft fügt sich Elnet ein. | |
| ## Auf Elnet-Kosten nach Israel | |
| Die Organisation unterhält Büros in Brüssel, Paris, London, Rom, Warschau | |
| und Berlin sowie in Tel Aviv und New York City. Vor israelischen Politikern | |
| beschreibt sich Elnet selbst als Europas Gegenstück zum American Israel | |
| Public Affairs Committee (Aipac) – der einflussreichsten Israel-Lobby in | |
| den USA. | |
| Mitte 2025 listete das deutsche Büro von Elnet auf seiner Website 13 | |
| Mitarbeitende. Laut dem [8][Lobbyregister] hat Elnet im vergangenen Jahr | |
| gut eine Million Euro für Interessenvertretung im Bundestag aufgewendet. | |
| Ähnlich wie andere im Bundestag aktive Interessenverbände verschickt Elnet | |
| Positionspapiere, lädt zu parlamentarischen Frühstücken ein und pflegt | |
| engen Kontakt zu Abgeordneten und ihren Mitarbeitenden. | |
| Besonders sticht Elnet hervor durch die Organisation von [9][Reisen nach | |
| Israel] für Mandatsträger, bei denen direkte Begegnungen mit Vertretern aus | |
| Politik, Militär und Industrie auf dem Programm stehen. Das Israelbild, das | |
| dabei vermittelt wird, ist alles andere als kritisch. | |
| Auch die Unionspolitiker, die den Waffenlieferstopp entschieden ablehnten, | |
| nahmen an den Lobbyreisen teil. Carsten Müller reiste 2019, 2022 und 2024 | |
| mit Elnet nach Israel, Stephan Mayer im Jahr 2024. Zudem sprach Mayer | |
| zweimal auf Konferenzen von Elnet. | |
| Auf die Frage, wie viele Politiker die Reisen begleiten und wer diese | |
| finanziert hat, antwortet Elnet nicht. [10][Nach einer Recherche von | |
| Abgeordnetenwatch] haben allein in der letzten Wahlperiode 51 Abgeordnete | |
| angegeben, auf Kosten Elnets nach Israel gereist zu sein. | |
| ## Ein umfassendes Netzwerk | |
| Nach Recherchen der taz liegt die Zahl der Teilnehmer noch deutlich höher. | |
| Seit 2017 flogen mindestens 96 Mitglieder des Bundestags, 14 | |
| Landtagsabgeordnete und 4 deutsche Mitglieder des Europaparlaments mit | |
| Elnet nach Israel, einzelne von ihnen sogar mehrmals. Keine andere | |
| Organisation hat in diesem Zeitraum auch nur annähernd so viele | |
| Auslandsreisen für deutsche Abgeordnete organisiert. | |
| Unter den Teilnehmern sind Vertreter aller Fraktionen außer der AfD. SPD | |
| und CDU sind zahlenmäßig am stärksten vertreten, doch es finden sich auch | |
| Namen wie Anton Hofreiter (Grüne), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) oder | |
| Martina Renner (Linke). Auch Bürgermeister, Militärexperten und | |
| Journalisten wurden zu den Reisen mitgenommen. Dutzende weitere deutsche | |
| Politiker, darunter Minister und Staatssekretäre, nahmen an Veranstaltungen | |
| des Vereins teil. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung Felix | |
| Klein reiste mit Elnet zum jährlichen Aipac-Treffen in Washington. | |
| Zum Beirat von Elnet zählen die heutige Bildungsministerin Karin Prien und | |
| die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries. „Ein so umfassendes | |
| Netzwerk mit prominenten Entscheidungsträgern begegnet einem nicht alle | |
| Tage“, sagt Timo Lange vom Verein Lobbycontrol gegenüber der taz. | |
| Auf der Website von Elnet findet sich das Wort Lobbyismus nicht. | |
| Stattdessen präsentiert sich der Verein als „europäische und unabhängige | |
| (…) Denkfabrik und Netzwerkorganisation“ und tritt als Unterstützer von | |
| Dialog und Völkerverständigung auf – auch im Israel-Palästina-Konflikt. | |
| Politiker, mit denen die taz gesprochen hat, sind in diesem Glauben mit | |
| Elnet nach Israel gereist. | |
| Doch wer nach Israel schaut, entdeckt eine deutliche Abweichung von der | |
| Selbstdarstellung in Deutschland: Dort sind führende Mitarbeiter des | |
| Vereins eng mit der Siedlerbewegung und der Netanjahu-Regierung verwoben – | |
| seine Aktivitäten außerhalb des Landes werden von dieser Regierung zum Teil | |
| auch finanziert. | |
| ## Geld aus den USA, Politik aus Israel | |
| Erst im vergangenen Jahr stellte der Chef des Tel-Aviv-Büros israelischen | |
| Politikern Elnet als Organisation vor, die „in vollumfänglicher | |
| Koordination und Kooperation mit dem Außenministerium, dem Nationalen | |
| Sicherheitsrat und der Knesset“ zusammenarbeitet. | |
| Für die gemeinsame Recherche mit Kollegen aus Frankreich, Israel und den | |
| USA hat die taz nicht öffentliche Akten, geleakte E-Mails und zahlreiche | |
| Dokumente ausgewertet und Hintergrundgespräche mit Experten, früheren | |
| Elnet-Mitarbeitenden sowie mehreren Abgeordneten geführt. Die Mehrheit von | |
| ihnen bestand darauf, anonym zu bleiben. Während manche das Vorgehen von | |
| Elnet in Deutschland lediglich als hochprofessionelle Lobbyarbeit | |
| einstufen, sehen andere darin ein Täuschungsmanöver. | |
| Sowohl die Gründung der Organisation 2007 in Brüssel als auch ihre | |
| politische Ausrichtung gingen maßgeblich auf Raanan Eliaz zurück. Er stammt | |
| aus Beit Horon im Westjordanland, einem der frühesten Stützpunkte der | |
| Siedlerbewegung, und war zuvor sowohl für Aipac als auch für das Büro des | |
| israelischen Premierministers tätig. An seiner Seite und vor allem für das | |
| Finanzielle verantwortlich: der Geschäftsmann Larry Hochberg aus Chicago, | |
| ehemals Vorsitzender von Friends of the IDF, einem Verein, der Spenden für | |
| die israelischen Streitkräfte sammelt. | |
| Gemeinsam verfolgten sie das Ziel, Elnet als [11][diskret agierende | |
| Lobbyorganisation] zu etablieren. „Würden in Europa tätige Gruppen wie | |
| unsere nur 10 Prozent des Budgets bekommen, das der Israel-Lobby in den USA | |
| zur Verfügung steht, könnten wir die Welt verändern“, erklärte Eliaz in | |
| einem Interview 2008. Seitdem kommt der Großteil des Geldes für Elnet aus | |
| den USA. Zu den bedeutsamen Unterstützern zählen auch [12][prominente | |
| Trump-Anhänger] wie der vor Kurzem verstorbene Home-Depot-Gründer Bernie | |
| Marcus. | |
| Auf einer von Eliaz betriebenen Website beschreibt er die außergewöhnliche | |
| Einflussnahme, die Elnet seinerzeit ausgeübt haben soll. Als | |
| Elnet-Vorsitzender habe er demnach „zahlreiche führende Persönlichkeiten | |
| aus den zentralen politischen Lagern in Deutschland rekrutiert“ und mit | |
| seiner „kontinuierlichen Tätigkeit in den höchsten politischen Ebenen“ da… | |
| beigetragen, „dass Deutschland eine entschiedene Politik gegen die | |
| Boykottbewegung gegen Israel annahm“. Daneben ist ein Foto von Eliaz mit | |
| der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu sehen, auf dem sie sich die | |
| Hände schütteln. | |
| Weiteren Aufschluss über die damalige Arbeit von Elnet in Europa gibt ein | |
| umfangreicher Fundus [13][geleakter E-Mails israelischer Politiker]. In | |
| einer Nachricht von Larry Hochberg an Israels ehemaligen Armeechef Gabi | |
| Ashkenazi von 2011 heißt es: „Wir glauben, dass die Bemühungen unserer | |
| Kollegen, besonders in Frankreich, geholfen haben, Sarkozy in der UN-Frage | |
| einer einseitigen palästinensischen Staatlichkeit zurückzudrängen.“ Eine | |
| E-Mail aus dem Jahr 2012 spricht zudem von „ordentlichen Fortschritten“ | |
| seitens Elnet mit François Hollande, der im selben Jahr Präsident wurde. | |
| ## „Diplomatische Sensibilitäten“ | |
| Seit 2014 setzt Elnet seine Arbeit mit einem eigenen Büro im Berliner | |
| Regierungsviertel fort. Zu den Gründungsmitgliedern des deutschen Ablegers | |
| gehörten der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und | |
| sein Geschäftspartner Ulf Gartzke, der bis heute Vorstandsmitglied ist. | |
| Seit 2019 leitet der [14][bestens vernetzte CDU-Politiker] Carsten Ovens | |
| die Organisation. Ovens gehörte bis 2020 zeitgleich noch der Hamburgischen | |
| Bürgerschaft an, wo er Sprecher für Wissenschaft und Digitale Wirtschaft | |
| war. | |
| Dort hat er Anfang 2017 eine der ersten Anti-BDS-Resolutionen in deutschen | |
| Landesparlamenten initiiert. Menschen, die mit Ovens zu tun hatten, | |
| charakterisieren ihn als äußerst arbeitsintensiv und zugänglich. Elnet | |
| Deutschland verdankt seine heutige Gestalt nicht zuletzt ihm. | |
| Unter seiner Leitung begann das deutsche Büro – neben seinem Kerngeschäft | |
| im Bundestag – Konferenzen und Workshops im Gesundheits- und | |
| Hightech-Bereich sowie Projekte zur Bekämpfung von Antisemitismus | |
| voranzutreiben. Dafür erhielt der Verein Bundesmittel aus mehreren | |
| Ministerien. Diese staatlichen Zuschüsse, auf die Elnet in der | |
| Kommunikation mit Politikern gerne verweist, ließen die Organisation eher | |
| als deutsche zivilgesellschaftliche Adresse denn als größtenteils aus dem | |
| Ausland finanzierte Lobbyorganisation erscheinen, wie Abgeordnete der taz | |
| schilderten. | |
| Auch die Botschaften, mit denen sich Elnet in der deutschen Öffentlichkeit | |
| präsentiert, klingen zunächst weniger radikal als diejenigen der | |
| Netanjahu-Regierung. In Interviews und Artikeln spricht Ovens von | |
| Friedensperspektiven in der Region und bezieht sich positiv auf eine | |
| Zwei-Staaten-Lösung und den Wiederaufbau von Gaza. Eine Elnet-Werbekampagne | |
| gegen Judenhass zeigt Plakate mit Cartoons von sich umarmenden Juden und | |
| Arabern, auf einem Poster steht die Frage: „Wie Halal ist Koscher?“. | |
| Auf Anfrage der taz erklärte Elnet, „nicht für die israelische Regierung“ | |
| zu arbeiten. Zugleich erhält Elnet Gelder von ihr. In israelischen | |
| Dokumenten finden sich einige Zahlungen des Außenministeriums für | |
| Elnet-Aktivitäten. | |
| Auf der Website des Programms Voices of Israel, einem von der | |
| Netanjahu-Regierung betriebenen Fonds [15][zur Finanzierung von | |
| Einflusskampagnen] im Ausland, wird Elnet mit „Delegationen und Konferenzen | |
| für europäische Entscheidungsträger“ unter den ausgewählten Projekten | |
| geführt. Die genauen Ausgaben des Fonds sind unter Verschluss. | |
| Wie das französische Magazin Mediapart berichtete, hat die israelische | |
| Regierung zuletzt 72.000 Euro für eine von Elnet organisierte Konferenz zum | |
| Thema sexualisierte Gewalt am 7. Oktober im französischen Senat | |
| bereitgestellt. In dem offenbar unabsichtlich zugänglich gemachten Dokument | |
| des Finanzministeriums heißt es: „Die Offenlegung von Einzelheiten über die | |
| israelische Beteiligung an der Organisierung (…) könnte diplomatische | |
| Sensibilitäten berühren“, weshalb um Rücksprache „vor jeder | |
| Veröffentlichung“ gebeten werde. | |
| ## Aus der rechten Ecke | |
| Die Nähe der Organisation zu der in Teilen rechtsextremen | |
| Netanjahu-Regierung spiegelt sich auch in den Biografien führender | |
| Mitarbeiter wider. Nicht nur der Gründer Eliaz stammt aus einer Siedlung in | |
| den besetzten Gebieten, sondern auch drei der vier nachfolgenden | |
| Geschäftsführer des Israel-Büros. | |
| Der Leiter des Büros zwischen 2020 und 2022 war zuvor Pressesprecher der | |
| Dachorganisation der Siedlerbewegung (Jesha-Rat), einer führenden Kraft | |
| gegen die Oslo-Friedensverhandlungen, sowie Sprecher von Netanjahu in | |
| dessen erster Amtszeit als Premierminister. Auch der heutige | |
| Geschäftsführer lebt in einer Siedlung in Ostjerusalem und arbeitete vorher | |
| für die national-religiöse Jugendbewegung Bnei Akiva. Weitere Mitarbeiter | |
| und Vorstandsmitglieder in Israel haben enge Verbindungen zu Netanjahus | |
| Regierung. | |
| Für die Organisationen besonders prägend ist der Politikwissenschaftler | |
| Emanuel Navon, der als regelmäßiger Redner vor Elnet-Delegationen auftrat, | |
| bevor er von 2023 bis Sommer 2025 Geschäftsführer in Israel wurde. Navon, | |
| der ursprünglich aus Frankreich stammt, lebt in der Siedlung Efrat bei | |
| Bethlehem, kandidierte 2012 für einen Listenplatz in der Likud-Partei und | |
| war Senior Fellow beim rechtslibertären [16][Kohelet Policy Forum], das die | |
| strategische Vorarbeit für Netanjahus Pläne zur Entmachtung der Justiz | |
| leistete. | |
| Auch als Vorsitzender machte er seine rechten Positionen deutlich: In einer | |
| Rede 2024 bei der konservativen De-Gasperi-Stiftung in Rom rief er dazu | |
| auf, dem Opium des Wokismus „den Stolz unserer Jugend auf die westliche | |
| Zivilisation“ entgegenzustellen. In einem Beitrag für Elnet bezeichnete | |
| Navon den Aufstieg von Pro-Trump-Parteien wie etwa Rassemblement National | |
| in Frankreich und Vox in Spanien als „diplomatische Chance für Israel“. | |
| Das Büro in Tel-Aviv und seine Mitarbeitenden koordinieren auch die | |
| Einzelheiten der Reisen, die jährlich bis zu 300 europäische | |
| Entscheidungsträger nach Israel bringen. Der taz liegen 10 Reiseprogramme | |
| aus den vergangenen 5 Jahren vor. Zum Standardpaket gehören eine Führung | |
| durch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und der Besuch der Knesset | |
| inklusive einem Austausch mit Abgeordneten aus Regierungskoalition und | |
| Opposition – allerdings kaum mit deren linken oder arabischen Mitgliedern. | |
| Gespräche mit der regierungskritischen Zivilgesellschaft bildeten die | |
| Ausnahme, wobei Anti-Besatzung-Organisationen gänzlich außen vor blieben. | |
| Der am häufigsten eingeladene arabische Israeli, der mit den Delegationen | |
| sprach, ist Fellow beim [17][islamfeindlichen Gatestone Institute] aus den | |
| USA. Auch andere wichtige Figuren der israelischen Rechten wie der Siedler | |
| Itamar Marcus oder Oberst Golan Vach waren bereits Teil des Programms. Bis | |
| zum Kriegsbeginn standen auf dem Plan teilweise Hubschrauberflüge bis an | |
| die libanesische Grenze und sogar ein Blick in einen Hisbollah- oder | |
| Hamas-Tunnel in Begleitung des Militärs. Nach dem 7. Oktober wurden diese | |
| Stationen ersetzt durch Besuche an den Orten der Massaker in den Kibbutzim, | |
| Treffen mit Geiselfamilien und – nach Schilderungen mehrerer Teilnehmer – | |
| Besichtigungen von Leichen nicht identifizierter Opfer in einer | |
| Militärbasis Ende 2023. | |
| Die Reisen sollen nicht nur informieren, sondern auch emotionalisieren. | |
| Mehrere Abgeordnete beschrieben in Hintergrundgesprächen mit der taz, wie | |
| sehr sie die Eindrücke vor Ort aufgewühlt haben. Wie eine | |
| Elnet-Mitarbeiterin [18][in einem Video] erklärt, entsteht „nach vier bis | |
| fünf intensiven Tagen eine besondere Atmosphäre innerhalb der Gruppe und | |
| diese Bindung ermöglicht es uns, dranzubleiben (…) und so die Wirkung | |
| langfristig zu sichern“. | |
| ## Eine Wirkung, die sich auszahlt | |
| Die Kosten der Reisen beliefen sich je Abgeordnete teils auf über 5.000 | |
| Euro. Bundestagsabgeordnete sind seit 2021 dazu verpflichtet, Zuwendungen | |
| für ihre politische Arbeit, die höher als 3.000 Euro liegen, zu | |
| veröffentlichen. Während der vorigen Legislaturperiode wurden | |
| Kostenübernahmen durch Elnet in Höhe von fast einer Viertelmillion Euro | |
| bekannt, wie Abgeordnetenwatch vorige Woche berichtete. Die Summe liegt | |
| wohl höher. Denn während einige Abgeordnete auf Reisekosten unter 3.000 | |
| Euro verwiesen, lieferten 10 weitere auf taz-Anfrage keine schlüssige | |
| Erklärung oder reagierten überhaupt nicht. | |
| Nach den Reisen setzten sich zahlreiche Teilnehmende nachdrücklich für die | |
| deutsch-israelischen Beziehungen ein, warben für eine vertiefte ökonomische | |
| Kooperation oder unterstützten Maßnahmen gegen pro-palästinensische | |
| Proteste. Eine Delegationsreise von Mitgliedern des | |
| Verteidigungsausschusses im März 2022 hatte dabei offenbar eine besonders | |
| starke Wirkung. Kurz nach Beginn des Ukrainekriegs besuchten 10 | |
| Ausschussmitglieder, darunter die Vorsitzende Marie-Agnes | |
| Strack-Zimmermann, Armeebasen und erhielten Briefings zu Israels | |
| militärischen Kapazitäten. | |
| Neben Treffen mit Ministern und Generälen wurde den Abgeordneten auf dem | |
| Luftwaffenstützpunkt Palmachim das Raketenabwehrsystem Arrow 3 vorgeführt. | |
| Nur eine Woche später, wie Elnet im [19][Jahresbericht] stolz verkündete, | |
| leitete der Verteidigungsausschuss „weitere Schritte zum Erwerb von Arrow 3 | |
| ein, dessen Kosten auf drei Milliarden Euro geschätzt werden“. | |
| Die Reise sorgte bereits damals für Irritationen. Elnet beanspruchte | |
| später, durch das Zusammenbringen von deutschen Entscheidungsträgern mit | |
| israelischen Offiziellen „den erforderlichen Dialog vorangebracht“ zu | |
| haben, „um dieses historische Abkommen zu besiegeln“. Im selben Jahr | |
| erhielt Elnet eine Spende der israelischen Rüstungsfirma IAI, Herstellerin | |
| des Arrow-3-Systems. | |
| Auf Anfrage erklärte Elnet, die genannte Zuwendung habe „in keinem | |
| Zusammenhang mit einer Delegationsreise nach Israel“ gestanden, sondern sei | |
| ein „anlassbezogenes Sponsoring“ für eine von der Reise unabhängige | |
| Veranstaltung gewesen. | |
| Timo Lange von Lobbycontrol überzeugt die Rechtfertigung von Elnet nicht – | |
| im Gegenteil: „Der so entstandene Eindruck, hier wurden gezielt die | |
| ökonomischen Interessen einer Rüstungsfirma vertreten, wirft ernsthafte | |
| Fragen über die Gemeinnützigkeit des Vereins auf.“ Elnet widerspricht und | |
| schreibt, „zu keinem Zeitpunkt unmittelbare wirtschaftliche Interessen im | |
| Auftrag Dritter“ gefördert zu haben. Im Gegenteil: Das satzungsgemäße | |
| Pflegen persönlicher Kontakte „zwischen Entscheidungsträgern in Politik und | |
| Wirtschaft“ sei ein „Beitrag zur internationalen Zusammenarbeit und zur | |
| Völkerverständigung“. | |
| ## „Wichtiger Kooperationspartner“ | |
| Seitdem hat Elnet seine Beziehungen zur Waffenindustrie weiter ausgebaut. | |
| Im Juli dieses Jahres fand die Gründung einer eigenen Elnet-Initiative für | |
| Sicherheit und Verteidigung statt– „mit freundlicher Unterstützung“ | |
| mehrerer deutscher und israelischer Rüstungsfirmen wie IAI, Dynamit Nobel, | |
| Lufthansa Defence, Elbit oder Renk, wie es in der Einladung hieß. An der | |
| feierlichen Auftaktveranstaltung in der Hamburgischen Vertretung in Berlin | |
| nahmen „über 70 Gäste aus Politik, Bundeswehr, Wissenschaft und Industrie“ | |
| teil. | |
| In der kommenden Woche lädt Elnet zu einem parlamentarischen Frühstück im | |
| Bundestag. Stargast ist Amikam Norkin, ehemaliger Kommandeur der | |
| israelischen Luftstreitkräfte, der heute einen Kapitalfonds für | |
| militärische Start-ups leitet und Rüstungsunternehmen strategisch berät. Er | |
| soll über die Relevanz der deutsch-israelischen Rüstungskooperation „im | |
| Lichte aktueller geopolitischer Entwicklungen“ referieren. Schirmherr der | |
| Veranstaltung ist der SPD-Abgeordnete Falko Droßmann. Droßmann, | |
| verteidigungspolitischer Sprecher seiner Partei, ist bereits zweimal auf | |
| Elnets Kosten nach Israel gereist. Bei der Reise des | |
| Verteidigungsausschusses, der anschließend für den Erwerb der israelischen | |
| Abwehrraketen Arrow 3 stimmte, war er ebenfalls dabei. Er würde diese Reise | |
| heute nicht mehr machen, hatte Droßmann vorige Woche gegenüber | |
| Abgeordnetenwatch erklärt. In seiner Funktion werde er „keine Termine mit | |
| Rüstungsunternehmen mehr“ wahrnehmen. | |
| Nun wird er Schirmherr sein, wenn nächste Woche im Bundestag Politiker bei | |
| einem Lobby-Event den israelischen Geschäftsmann und Ex-Militär Norkin | |
| treffen. Kein Widerspruch zu seinem Vorhaben, keine Rüstungsunternehmer | |
| mehr zu treffen, sagt Droßmann auf taz-Anfrage. Denn Norkin sei lediglich | |
| als ehemaliger Kommandeur „mit entsprechender Expertise“ eingeladen. Weiter | |
| schreibt Droßmann, er halte es für geboten, wichtige Themen in großer Runde | |
| und nicht in Hinterzimmern zu diskutieren. Darüber hinaus sei Israel „ein | |
| wichtiger Kooperationspartner für Deutschland, wenn es um Verteidigung | |
| geht.“ | |
| 29 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Merz-schraenkt-Israel-Waffenexporte-ein/!6105812 | |
| [2] https://www.stern.de/politik/ausland/waffen-fuer-israel--mehrheit-steht-lau… | |
| [3] https://www.bild.de/politik/inland/merz-alleingang-waffen-stopp-fuer-israel… | |
| [4] https://x.com/MdbMuller/status/1953837127529123916 | |
| [5] https://x.com/WerteInitiative/status/1953848799362756831 | |
| [6] /Waffenliefrung-nach-Israel-Deutschland-zuendelt-wieder-mit/!6126284 | |
| [7] https://elnet-deutschland.de/ | |
| [8] https://www.lobbyregister.bundestag.de/suche/R002671/31664 | |
| [9] https://elnet-deutschland.de/politik/delegationen/ | |
| [10] https://www.abgeordnetenwatch.de/presse/pressemitteilungen/neue-abgeordnet… | |
| [11] https://forward.com/news/13570/new-european-pro-israel-group-aims-for-low-… | |
| [12] https://www.opendemocracy.net/en/dark-money-investigations/elnet-mps-trips… | |
| [13] https://ddosecrets.com/ | |
| [14] https://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-hamburg/hamburg-wirtschaftspol… | |
| [15] https://www.theguardian.com/world/article/2024/jun/24/israel-fund-us-unive… | |
| [16] https://www.lemonde.fr/en/international/article/2023/02/20/the-controversi… | |
| [17] https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2019/05/24/der-geschichtener… | |
| [18] https://www.youtube.com/watch?v=U0RDQhBsEYQ | |
| [19] https://elnetwork.eu/reports/elnets-annual-report-2022/ | |
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