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# taz.de -- Olivenernte und Klimakrise: Unter Olivenbäumen wächst die Freiheit
> Die Produktion von Olivenöl im Rif-Gebirge Marokkos bringt 300 Bäuerinnen
> Einkommen und Selbstbestimmung. Jetzt bedroht der Klimawandel ihre Ernte.
Bild: Zohra und Sanae von der Anbau-Kooperative Alhouda begutachten die Olivenb…
Harrara taz | Wann immer Hanane Lachehad ihren dunkelblauen SUV durch die
engen Straßen des kleinen Ortes Harrara manövrierte, sorgte das noch bis
vor ein paar Jahren für argwöhnische Blicke und Gerede – vor allem bei den
Männern im Dorf. „Sie verdirbt unsere Frauen“, hieß es dann, wenn Lachehad
mal wieder Frauen einsammelte, um sie zur Arbeit mitzunehmen. „Manche
dachten, es handele sich um eine Verschwörung“, sagt die 46-Jährige, die
Hände fest am Steuer, das runde Gesicht offen lachend. Auf der Rückbank
sitzt Zohra, groß, elegant, im olivgrünen Overall. Gerade noch stand sie
vor ihrem Haus weiter oben im Ort – jetzt wirft sie Lachehad im Rückspiegel
einen wissenden Blick zu. Dann muss auch sie lachen – bei der Erinnerung an
die Anfangszeit der Kooperative Alhouda, als sie begannen, Bio-Olivenöl zu
produzieren – und die Männer sprachlos zurückblieben.
Heute wundert es niemanden mehr, wenn die Präsidentin der GIE Femmes du
Rif, der wirtschaftlichen Interessenvereinigung der Rif-Frauen, in dem
kleinen Douar auftaucht. „Und wie läuft es mit den Oliven?“, ruft ein
älterer Mann mit faltigem, sonnengegerbtem Gesicht einen Esel auf der
Straße vor sich hertreibend, durchs offene Autofenster. Inzwischen weiß
hier jeder: Es geht für die Frauen dann dorfabwärts, [1][vorbei an Äckern
und Olivenbäume]. Unten, in den 2013 entstandenen Räumlichkeiten der
Genossenschaft mit ihrer eigenen Ölmühle, wird gearbeitet. Heute steht das
Herstellen von Seifen aus verschiedenen Ölen und selbst gepflückten
Heilpflanzen auf dem Programm. „Seit der Klimawandel vor allem in den
letzten sieben Jahren zu Ernteausfällen führt, versuchen wir das fehlende
Einkommen zu kompensieren“, sagt Zohra, als der Wagen vor den Mauern der
Genossenschaft zum Stehen kommt.
Im gekachelten Empfangsraum der Genossenschaft ist es kühl, ein Regal
gefüllt mit verschiedensten Produkten zieht den Blick auf sich: ätherische
Öle, getrocknete Kräuter in Plastikpäckchen und Seifen in verschiedenen
Pastellfarben sind darauf angerichtet. Im Zentrum steht eine Reihe von
Olivenölflaschen mit IGP-Siegel – einer geschützten Herkunftsbezeichnung
für regionale Qualitätsprodukte – und Biozertifizierung. Trotz aller
Entwicklungen der letzten Jahre ist es auch heute noch das Herzstück der
Vereinigung. „Mit der Produktion unseres eigenen nativen biozertifizierten
Olivenöl extra hat sich alles verändert“, sagt Lachehad und nimmt andächtig
eine Flasche aus dem Regal. „Es hat den Frauen ein eigenes Einkommen
gebracht, Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit.“
Zohra und Sanae, ein weiteres Mitglied der Kooperative Alhouda, eine der
insgesamt acht Kooperativen, die der Vereinigung Femmes du Rif angehören,
nicken. „Hätte ich ohne all das jemals nach Deutschland reisen können?“,
sagt Zohra und ihre großen braunen Augen leuchten bei der Erinnerung an die
Landwirtschaftsmesse in Berlin, die sie damals für die Vereinigung
begleiten durfte. Die 40-Jährige bewirtschaftet zusammen mit ihren beiden
Schwestern acht Hektar Land mit über 600 [2][Olivenbäumen]. Für eine
Familie im Rif-Gebirge ist das eine große Fläche – ungefähr so viel wie elf
Fußballfelder. Zohra ist damit eine von 300 Frauen aus acht Dörfern, die
der Vereinigung der Rif-Frauen angehören und zusammen 400 Hektar Land
bewirtschaften. Die meisten von ihnen besitzen deutlich kleinere Flächen
mit unter 5 Hektar.
Im Rif-Gebirge, nördlich von Ouezzane, sind es seit jeher die Frauen, die
sich um die Olivenernte kümmern. In dieser armen, von der Regierung lange
vernachlässigten Region war das einst vor allem eine Frage der
Notwendigkeit: Während die Männer im Herbst die Felder pflügten, sammelten
die Frauen die Oliven. Lachehad, deren Elternhaus nur wenige Autominuten
nördlich von Harrara liegt, erinnert sich gut an diese Zeit. Schon als
junges Mädchen fuhr sie mit dem Traktor ihres Vaters über die Felder – ein
ungewöhnlicher Anblick in dieser konservativen Gegend. „Die meisten Oliven
nahmen die Frauen mit nach Hause. Es wurde in den umliegenden Souks nur
wenig verkauft und auch nicht immer“, sagt sie.
## „Besser als die der Männer“
Noch keine 20 Jahre alt, gründete Lachehad damals eine Frauen-Kooperative
zur Kaninchenzucht. Etwas später suchte die Organisation der Vereinten
Nationen für industrielle Entwicklung (Unido) nach bereits existierenden
Kooperativen, um Entwicklungsarbeit zu leisten. Das war im Jahr 2001. In
der bergigen Region im Norden Marokkos sah man wegen der Bekanntheit der
Oliven großes Potenzial und so fiel die Wahl auf drei Frauen-Kooperativen
der Gegend, die zu diesem Zeitpunkt bereits als gut organisiert galten.
„Besser als die der Männer“, lachen die Frauen, die jetzt an einem kleinen
Tisch Platz genommen haben. Später kamen fünf weitere
Frauen-Genossenschaften aus der Gegend hinzu, die neben den Oliven aber
noch anderen Tätigkeiten nachgingen, wie Kaninchenzucht oder der
Herstellung von Couscous zum Beispiel.
„Die Qualität der Oliven stimmte nicht. Es wurde zum Beispiel kein Wert
darauf gelegt, sie zu sortieren. Es wurden auch keine Netze ausgelegt und
Plastiktüten für den Transport verwendet“, sagt Lachehad über die Zeit
Anfang 2000, in der es auch keinerlei Hygienekonzept bei der
Weiterverarbeitung der Oliven gab. Das Ziel des Projekts war deshalb: Die
Arbeitsschritte so zu verändern, dass die Qualität der Frucht deutlich
besser wird – und hochwertiges Bio-Olivenöl herstellen. Die neue
Rigorosität bei der Ernte und Verarbeitung, die von Lachehad, die den
Prozess überwachte, an den Tag gelegt wurde, sei nicht einfach gewesen für
die Frauen, die vorher keinerlei Richtlinien verfolgten. „
Sie ist streng, aber gerecht“, sagt eine der Frauen später über die
„Chefin“, die immer mal wieder Olivenlieferungen abwies, wenn die Qualität
nicht stimmte oder das Zeitfenster für Oliven an der frischen Luft nicht
eingehalten wurden. Regelmäßige Schulungen halfen den Bäuerinnen dabei, die
neue, akribische Arbeitsweise zu verstehen und anzuwenden. Manche Frauen
seien durch die Fortbildungen das erste Mal aus ihren Dörfern
herausgekommen, erzählt Lachehad, die nach dem Biologiestudium in ihre
Heimat zurückkehrte.
## Frauen haben jetzt auch das Sagen
„Unser Weg war von Anfang an: Qualität nicht Quantität“, berichtet die
Mittvierzigerin über die Anfänge des Projekts, das sie ab 2006 als
Gründerin der Wirtschaftsvereinigung Femmes du Rif begleitete. Ein Plan,
der funktionierte. An den Wänden der Empfangsräume erzählen die
Auszeichnungen und Fotografien, besonders prominent die vom Besuch des
marokkanischen Königs Mohammed VI. in der Genossenschaft Alhouda, vom
Erfolg der ersten Jahre. In den frühen 00-er Jahren bis 2010 floriert das
Geschäft, die Frauen fahren auf Landwirtschaftsmessen in die Hauptstädte
Europas, um ihr Öl zu bewerben. 2006 erhält das Öl der Femmes du Rif die
Biozertifizierung – das erste Bio-Olivenöl Marokkos. Die französische Marke
Alter Eco, die nachhaltige Lebensmittel vertreibt, nimmt es bis 2010 in
seinen Bestand auf. „30 bis 50 Tonnen produzierten wir in unseren besten
Zeiten pro Jahr“, erzählt Lachehad.
Inzwischen wird das Öl nicht mehr im Ausland, dafür aber in Marokko
verkauft, manchmal kommen auch kleine Busse mit Touristen oder Großabnehmer
zu der Kooperative, unweit der Schnellstraße zwischen Ouezzane und
Chefchaouen, und erwerben das Öl für Hotels und Restaurants. Das Ende der
Kooperation mit Alter Eco im Jahr 2011 habe auch daran gelegen, dass
Verbraucher verstärkt auf Olivenöl aus Palästina zurückgriffen, um dortige
Projekte zu unterstützen, erklärt Lachehad die Entwicklungen. Das Produkt
anschließend zum ersten Mal auch national zu vermarkten und zu verkaufen,
sei nicht leicht gewesen, weil viele Marokkaner mit Olivenöl in Flaschen
nichts anfangen konnten, das Grundnahrungsmittel eher kanisterweise für die
ganze Familie erworben und generell weniger Wert auf Qualität setzten. „Ist
das ein Schutzmittel für Olivenbäume?,“ seien sie gerade am Anfang häufiger
gefragt worden.
Einer der großen Erfolge für die Frauen: Unter den Männern in den Dörfern
habe ein „Wandel der Mentalität“ stattgefunden, so bezeichnet es Lachehad.
„Früher wollten sie ihre Frauen nicht zu Schulungen lassen oder wenigstens
dabei sein, um die Kontrolle zu behalten. Heute fragen sie uns, ob ihre
Töchter nicht bei uns mitarbeiten dürfen.“ Den Frauen habe die Arbeit mit
dem Olivenöl einen neuen Status in der Familie eingebracht. Am Tisch hätten
sie heute etwas zu sagen. Noch vor 20 Jahren sei das nicht so gewesen. Die
Vereinigung achtet darauf den Frauen ihr verdientes Geld direkt auszuzahlen
und nicht etwa den Männern zu geben. So haben sie Handlungsfreiheit – und
manchmal sogar etwas Geld für sich selbst übrig. „Manche haben entschieden,
ihr Haus zu vergrößern oder ihre Kinder zum Studium zu schicken“, sagt
Lachehad.
Sanae erzählt, dass sie einen Goldbarren hat, den sie sich als Anlage
angeschafft hat. Aber auch soziale Projekte konnten mit dem Geld umgesetzt
werden: In dem Dorf Nefzi, dem entlegensten Dorf der Vereinigung – 3
Stunden braucht es von dort bis zur nächsten Landstraße – haben Frauen
gemeinsam eine Straße bauen lassen, um den Zugang zum Ort zu erleichtern.
In anderen Regionen Marokkos ist diese Entwicklung hin zu mehr
Selbstbestimmung und Anerkennung für die Arbeit von Frauen, wenn überhaupt,
noch ganz am Anfang. „In den Oasen im Südosten Marokkos nennen sich Frauen
nur selten Chefin. Nach außen hin gilt meistens der Mann als der Chef.
Innerhalb der Familie oder des Betriebs treffen Männer und Frauen die
Entscheidungen aber oft gemeinsam“, analysiert Lisa Bossenbroek vom
Forschungs- und Studienzentrum für zeitgenössische Gesellschaften
(CRESC-Rabat) und Mitarbeiterin am Forschungslabor Ladsis der Universität
Hassan II in Casablanca.
## Starkregen und Dürre sind Herausforderungen
Bei all den Freiheiten, die die Olivenölproduktion den Frauen gebracht hat,
ist da seit einiger Zeit aber auch die leise Angst davor, dass ihnen diese
wieder abhanden gehen könnte. [3][Grund dafür ist der Klimawandel], der die
Ernte in den vergangenen Jahren unvorhersehbar gemacht hat. „In den letzten
vor allem sechs, sieben Jahren ging die Ernte drastisch zurück. Inzwischen
liegt sie nur noch bei unter fünf Tonnen“, so die Präsidentin der
GIE-Vereinigung. Das ist ungefähr zehnmal weniger als noch in den frühen
2010er Jahren. Neben der zunehmenden Trockenheit, sind auch extreme
Wetterphänomene wie Starkregen eine Herausforderung für die Landwirtinnen.
2022 führten in der Kooperative Alhouda ungewöhnlich starke Regenfälle
schon im Mai dazu, dass die Olivenblüten abfielen und sich keine Früchte
bildeten. Die Ernte im November viel dann aus. Auch wenn es nur wenige
offen aussprechen, sorgen solche Ereignisse bei den Frauen für
Verunsicherung. „Bevor die Ernte im November beginnt, trauen wir uns nicht
mehr zu sagen, dass es ein gutes Jahr wird“, sagt Sanae leise. Laut dem
aktuellen Bericht der marokkanischen Wetterbehörde war 2024 das heißeste
Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen: Die Durchschnittstemperatur lag
um 1,49 Grad Celsius über dem Referenzwert für den Zeitraum 1991 bis 2020 –
mehr als doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt von +0,67 Grad.
Neben der extremen Hitze registrierte die Behörde auch eine Zunahme
extremer Wetterereignisse, darunter Überschwemmungen, Sturzfluten und
Rekordtemperaturen von bis zu 47,7 Grad Celsius. Besonders
besorgniserregend ist die anhaltende Dürre: Bereits im sechsten Jahr in
Folge leidet Marokko unter einem gravierenden Wassermangel. Landesweit
liegt das Wasserdefizit bei fast 25 Prozent – mit spürbaren Folgen für den
Alltag vieler Menschen.
Für viele Familien auf dem Land, die von der Landwirtschaft leben, wird die
Lage zunehmend existenzbedrohend. Besonders regenabhängige Kleinbäuerinnen
und -bauern kämpfen damit, unter diesen extremen Bedingungen ihre Felder zu
bestellen. Ausgetrocknete Böden, Ernteausfälle und mitunter Landflucht sind
die Konsequenz. Weil Olivenöl aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels
weniger verfügbar ist, sind die Preise gestiegen: Vor der Coronapandemie
kostete ein Liter zwischen 60 und 75 Dirham, danach 80 bis 90 – heute rund
100 Dirham (ca. 10 Euro). Ursache dafür sind die anhaltende Dürre und die
schlechten Ernten, durch die es immer weniger Olivenöl gibt, während die
Nachfrage gleich bleibt.
„Man könnte meinen, dass es gut ist, dass die Preise höher sind. Aber es
ist nicht gut. Vor allem für den Verbraucher“, sagt Lachehad und schüttelt
den Kopf. Ein Liter koste inzwischen mehr als das Dreifache im Vergleich zu
früher, als das Öl noch für 30 Dirham zu haben war. Doch trotz des höheren
Preises verdiene sie nicht mehr. Im Gegenteil: Die Kunden bestellten häufig
weniger, sobald sie den Preis hören. Wer früher 200 Liter kaufte, nehme
heute manchmal nur noch 150. Dabei ist nicht nur der Verkauf schwieriger
geworden, auch die Produktion hat sich verändert. Früher brauchte man für
einen Liter Olivenöl etwa sechs bis sieben Kilogramm Oliven. Heute seien es
bis zu fünfzehn. Die Früchte seien kleiner und weniger ergiebig – auch eine
Folge der zunehmenden Dürreperioden.
Hoffnungslos sind die Frauen trotz der Entwicklungen nicht. Im Gegenteil.
Mit derselben Energie, mit der sie auch ihr eigenes Olivenöl zuerst
international, dann erst national bekannt machten, begab man sich auf die
Suche nach Alternativen. Vor vier Jahren hat man in der Genossenschaft
Alhouda damit begonnen, Heilkräuter zu pflücken und diese zu verschiedenen
Kosmetikprodukten zu verarbeiten. Diese seien gerade im Süden Marokkos sehr
gefragt. „Der Vorteil ist, dass die Kräuter wenig Investitionen erfordern
und sie quasi kostenlos sind.
Wir suchen sie in den Wäldern, trocknen und verarbeiten sie“, so Sanae, die
dann noch ergänzt, dass sie ein wenig Geld für ein kleines
Distillationsgerät in die Hand nehmen mussten. Ein großes Gerät konnten sie
im letzten Jahr dank einer staatlichen Förderung anschaffen. Mehrere
Tausend Dirham würden sie im Jahr durch die Produkte auf Heilkräuterbasis
dazuverdienen. Das helfe besonders in den Jahren, wo die Oliven gerade so
für den eigenen Haushalt genügten. Selbst die Kräuter bleiben aber nicht
verschont: Im vergangenen Jahr fiel kaum Regen, in den Wäldern wuchsen nur
wenige Heilpflanzen.
## Heilkräuter statt Oliven?
Von den acht Kooperativen der Vereinigung haben sich inzwischen zwei auf
Heilkräuter spezialisiert. Eine davon gibt es schon seit 10 Jahren – die
Genossenschaft Azhar in Asjen. Ihre Präsidentin, Rabia, hat heute viel zu
tun. Ihre Tochter hat ihr die lang ersehnte Pilgerreise nach Mekka
finanziert – und die 65-Jährige steht schon seit frühem Morgen in der
Küche, um für die Abfahrt am nächsten Morgen verschiedene Speisen
vorzubereiten. Trotzdem findet Rabia Zeit, in der Ecke ihres großen
Wohnraums, zwischen bunten Kissen und Holzbänken, Oliven, Öl und Brot auf
dem kleinen Tisch zu servieren. Als die Olivenernte kaum noch Ertrag
brachte, suchte Rabia nach Alternativen – und war die erste in der Provinz,
die mit Heilkräutern arbeitete: Tees, Öle, Seifen.
Rabia befüllt mit ihren von der Arbeit gezeichneten Fingern eine Tüte mit
getrocknetem Thymian. „Als wir angefangen haben, nicht nur Heilpflanzen zu
ernten, sondern diese gezielt anzubauen, wurden wir von den Männern
ausgelacht“, erzählt die Frohnatur, deren Genossenschaft 15 Frauen zählt.
„Sie sagten: Jetzt sind die Frauen komplett verrückt geworden, jetzt bauen
sie schon Thymian an.“ Heute bauen auch Männer in der Gegend Thymian an.
Ihr eigener Mann habe sie zwar immer machen lassen, vor allem aber oft auf
der faulen Haut gelegen, deshalb habe sie selbst das Geld für die Familie
aufgetrieben, erzählt Rabia. „Arbeit, Arbeit, Arbeit“, ruft die Frau mit
den freundlichen Gesichtszügen und dunklen Augen und schlägt dabei die
Hände vor sich zusammen. Sie begann so wie Lachehad in jungen Jahren mit
der Kaninchenzucht, später wurde die Genossenschaft in das Projekt von
Onudi und nochmal später in die Vereinigung mit aufgenommen, so kam das
Bio-Öl. „Ich wollte, dass es meine Kinder einmal besser haben“, sagt sie,
die mit 15 ihr erstes Kind bekam und lange Jahre in ärmlichsten
Verhältnissen lebte. Ein paar ihrer Kinder konnte sie viele Jahre später
ein Studium finanzieren und das eigene Haus stetig vergrößern.
Erst zuletzt sei wieder ein neuer Anbau dazugekommen – inzwischen
allerdings nur dank der Hilfe ihrer Kinder. Seit drei Jahren bringt die
Olivenernte nichts mehr ein, sie reicht gerade noch für den Eigenbedarf.
400 Liter Öl, in einem Jahr, die sie an die Familie verteile. Vorher waren
es 1.000 Liter allein für den Verkauf, also 50.000 Dirham im Jahr – ein
gutes Einkommen. Mit den Heilkräutern aus der Agroforstwirtschaft verdiene
sie jetzt manchen Monat 3.000 Dirham, manchmal 1.000, manchmal aber auch
gar nichts. Es ist ein knappes Auskommen. „Zum Glück arbeitet meine Tochter
als Ärztin, sonst wäre es schwer“, sagt sie und ergänzt nach ein paar
Sekunden: „Wir sind sehr unglücklich mit dem, was der Klimawandel mit
unserer Natur macht.“
Aufgeben ist keine Option. Die Mutter und Großmutter macht einfach weiter:
Neben dem Anbau von Thymian auf einer Fläche von einem Hektar, sammelt sie
wilde Kamille in den Wäldern. „Meine Kinder sagen immer ‚Mama, du kannst
jetzt ausruhen‘, aber ich kann nicht einfach rumsitzen. Wenn es irgendwo
auch nur einen Dirham zu verdienen gibt, geh ich los“, sagt Rabia, und
zeigt nebenbei noch einen selbst geflochtenen Teppich, den sie verkaufen
will. Keine fünf Minuten später schiebt sie ihren Besuch aus der Tür. Sie
will sich jetzt in Ruhe auf ihre Reise vorbereiten. „Wenn es ganz schlimm
kommt, muss ich halt zurück an den Anfang und Kaninchen züchten“, sagt sie
noch. Es scheint als vertrauten die Frauen hier vor allem in eines: die
eigene Widerstandskraft.
29 Oct 2025
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## AUTOREN
Stefanie Ludwig
Augustin Campos
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