| # taz.de -- Hype um brutalistische Architektur: Brutalismus ist plötzlich in a… | |
| > Vom Wandel der Rezeption von Architektur erzählt das Buch „Mäusebunker | |
| > und Hygieneinstitut“. Herausgegeben hat es Architekturhistoriker Ludwig | |
| > Heimbach. | |
| Bild: Ein Foto für den 1984 in „Geo“ erschienenen „Bericht aus dem Mäus… | |
| Ist das Baukunst oder kann das weg? Im Falle des vom Berliner Volksmund | |
| sogenannten Mäusebunkers in Lichterfelde stand für viele Anwohnenden genau | |
| wie Lokalpolitiker noch vor ein paar Jahren fest: Diesen bizarr anmutenden, | |
| unförmigen und nach dem Auszug der Charité unnütz gewordenen Betonklotz | |
| wird kaum jemand vermissen, nachdem die Abrissbagger ihr Werk vollbracht | |
| haben. | |
| Doch dann meldeten sich immer [1][mehr Stimmen von Architekturhistorikern,] | |
| die auf die Besonderheit, ja Einzigartigkeit dieses in den Siebzigern | |
| errichteten, skurrilen Bauwerks hinwiesen, das seit 2020 von niemandem mehr | |
| genutzt wird. Und seit zwei Jahren steht er nun unter Denkmalschutz, der | |
| Mäusebunker, der von der Freien Universität in den Achtzigern und | |
| Neunzigern als Laboratorium für wissenschaftliche Tierversuche genutzt | |
| wurde, bevor die Charité übernahm. | |
| Man wird ihn also erhalten und möglichst einen sinnvollen Plan für eine | |
| Weiternutzung fassen müssen. Ideen gibt es bereits genügend, entwickelt in | |
| einem vom Landesdenkmalamt Berlin angeführten Modellverfahren. Doch bis | |
| hier wirklich ein neuer Ort für die Wissenschaft, die Kultur oder was auch | |
| immer entsteht, wird es noch Jahrzehnte dauern, das ist allen klar, die | |
| sich Gedanken über die Zukunft des Mäusebunkers machen. | |
| Pralle Materialiensammlung | |
| Einer derjenigen, die sich schon früh für den Erhalt der ehemaligen | |
| Forschungseinrichtung starkgemacht haben, ist der Berliner Architekt Ludwig | |
| Heimbach, der mit dem Buch „Mäusebunker und Hygieneinstitut. Eine Berliner | |
| Versuchsanordnung“ eine pralle Materialiensammlung zu allen nur | |
| erdenklichen Aspekten rund um das Gebäude herausgegeben hat. | |
| Dessen Baugeschichte wird genauso akribisch in dem mehr als 400 Seiten | |
| dicken Band dokumentiert wie das Ringen um dessen Erhalt. Dazu gibt es jede | |
| Menge Faksimiles historischer Bauskizzen und Fotos aus allen möglichen | |
| Perspektiven, die die architektonischen Besonderheiten des Gebäudes in | |
| Szene setzen. | |
| Das Hygieneinstitut, das wie der Mäusebunker in den Siebzigern erbaut wurde | |
| und das sich in dessen unmittelbarer Nähe befindet, wird auch beleuchtet, | |
| aber der Star in diesem Buch ist ganz klar das ehemalige Tierversuchslabor. | |
| Dieses wurde errichtet als Funktionsbau dafür, dass unter Laborbedingungen | |
| Versuche an Tieren vorgenommen werden und sogar aufgezogen werden konnten. | |
| Dazu gehörte ein spezielles Belüftungssystem mit Belüftungsrohren, die aus | |
| der Betonhaut des Gebäudes ragen und ein wenig so wirken wie Kanonen auf | |
| einem Kriegsschiff. Wer den Mäusebunker betrachtet, mag sich auch an ein | |
| Raumschiff auf Kampfmission aus einem Science-Fiction-Film erinnert fühlen. | |
| Imposant und abweisend | |
| Das Hygieneinstitut genau wie der Mäusebunker sind im Baustil des | |
| sogenannten Brutalismus errichtet worden. Dieser breitete sich ab den | |
| Fünfzigern weltweit aus und kam Ende der Siebziger langsam aus der Mode. | |
| Beim Brutalismus wurde bevorzugt mit sehr viel Sichtbeton gearbeitet, was | |
| den entsprechenden Architekturen etwas Mächtiges, Imposantes, aber auch als | |
| abweisend Empfundenes verlieh. | |
| Brutalistische Bauten entstanden in einer Zeit, in der sich noch niemand | |
| groß Gedanken über die verheerende Umweltbilanz von Beton machte. Aus | |
| heutiger Sicht erinnern sie daran, wie man sich in den Sechzigern und | |
| Siebzigern, im „Space Age“, modernes Wohnen vorstellte, vielleicht nicht | |
| nur auf der Erde, sondern irgendwann auch auf dem Mars und anderen | |
| Planeten. | |
| Dann folgte ab den Achtzigern die Gegenbewegung. Viele brutalistische | |
| Bauten wurden einfach abgerissen, anstatt sie durch Sanierungen zu | |
| erhalten. Der Hype, den der Brutalismus aktuell wiederum erfährt, war vor | |
| ein paar Jahren noch nicht abzusehen und bedeutet eine erneute Wende bei | |
| dessen Rezeption. | |
| Ein Berliner Techno-Duo nennt sich Brutalismus 3000, und dass [2][ein Film | |
| wie „The Brutalist“] über das Schicksal eines der Moderne verpflichteten | |
| Architekten bei den Oscars so abräumte, ist auch erstaunlich. | |
| Brutalistische Bauten als Touristenattraktionen | |
| Brutalismus ist plötzlich in aller Munde. In Berlin gibt es inzwischen | |
| öffentliche Führungen zum Thema; eine internationale Datenbank mit dem | |
| Hashtag „SOS Brutalismus“ erfasst weltweit in dem Stil errichtete Bauten, | |
| um sie besser schützen zu können. Und es gibt Reisende, die in bestimmten | |
| Städten kaum etwas anderes sehen wollen als die spektakulärsten | |
| brutalistischen Betonwunder. | |
| Als absolute Nummer eins in Berlin gilt dabei der Mäusebunker. Schafft man | |
| es, diesen „Lost Place“, der er derzeit noch ist, in einen für die | |
| Stadtgesellschaft zugänglichen Ort zu transformieren, könnte dieser bald in | |
| allen Reiseführern gleich neben dem Brandenburger Tor auftauchen. Mit dem | |
| Buch von Ludwig Heimbach gibt es schon jetzt die passende Fan-Bibel dazu. | |
| 4 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hartmann | |
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