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# taz.de -- Rechte für Transfrauen: Pack die Badehose wieder ein
> In Großbritannien haben Transfrauen keinen Zutritt zu Frauen
> vorbehaltenen Räumen. In London wird gestritten: Wer darf wo mit wem
> schwimmen?
Bild: Der Ladies Pond ist auch für viele Promis ein Rückzugsort
Hampstead (London) taz | Eine Schwimmgruppe steht vor dem Pool. Grüne
Papageien kreischen im Hintergrund, während die Sonne hinter der hügligen
Heide verschwindet und der Himmel rosa strahlt. Man ist mitten in London,
und die drei Alljahresschwimmer haben gerade ihre Runden in einem der
Hampstead Ponds beendet. Jetzt wird noch ein bisschen geschwatzt. Habt ihr
von der Klage gehört? Ja! Alle schütteln ungläubig den Kopf. Da verkündet
der erste, er ist fast 80 Jahre alt und schwimmt hier seit Jahrzehnten:
„Die Ponds sind ein Londoner Zufluchtsort. Männer suchen hier Zuflucht, um
unter sich zu sein, und Frauen ebenso, beim Ladies’ Pond.“ Das mit der
Klage sei das Werk einer kleinen Gruppe von Frauen, die schon immer alles
problematisiert hätten.
Kenwood Ladies’ Pond ist einer von drei idyllischen Badeseen auf Hampstead
Heath – einer für Männer, einer für Frauen, einer gemischt. Der Eintritt
ist kostenpflichtig, seit über einem Jahrhundert kann man hier ganzjährig
im braunen Quellwasser der Fleet baden, ein Londoner Fluss, der heute nur
noch in Röhren unter der Erde bis in die Themse fließt. Die einst zur
Trinkwasserversorgung Londons gegrabenen Teiche und kleinen Seen –
insgesamt gibt es 30, umgeben vom riesigen hügligen und waldigen Stadtpark
Hampstead Heath – schenken Ruhe und Erholung vom Londoner Alltag. Doch es
wäre wohl nicht London, wenn es nicht immer wieder Zank gäbe, sogar vor
Gericht. Über Radfahrende im Park, über das Parkcafé oder sogar über Pläne,
die Seen zu schließen, andere erkämpften sich das Winterschwimmrecht ohne
Bademeister am Mixed Pond, es gab Streit um das Eintrittsgeld.
Seit wenigen Jahren gibt es Einsprüche anderer Art. Sie beziehen sich auf
das [1][Recht von Transfrauen], im Damenteich zu schwimmen, dem Ladies’
Pond – es könnte auch um Transmänner im Männerteich, dem Men’s Pond, geh…
aber das ist weniger ein Thema. 2019 hatte die Bezirksregierung der City of
London, welche die Obhut über den Park und die Schwimmseen hat,
selbstidentifizierten Transfrauen und -männern im Besitz eines staatlichen
Geschlechtsanerkennungszertifikats, für das man in England mindestens zwei
Jahre im gewählten Geschlecht leben muss, das Recht gegeben, im
entsprechenden Damen- oder Herrenteich zu schwimmen. Vor dem Ladies’ Pond
hängt seitdem ein Schild, das darauf hinweist.
Aber im April 2025 urteilte das britische Supreme Court aufgrund einer
Klage schottischer Frauengruppen, dass bei der Benutzung von geschlechtlich
Männern beziehungsweise Frauen vorbehaltenen Einrichtungen das biologische
Geschlecht zu gelten hat, also das bei der Geburt eingetragene. Alles
andere sei mit dem bestehenden Gleichstellungsgesetz zum Schutz von Frauen
unvereinbar, [2][urteilten die Richter einstimmig], denn es müsse ohne
Nachfrage klar sein, wer eine Frau ist und wer nicht. Nun klagt die
Frauenrechtsorganisation Sex Matters gegen die Nutzung des Ladies’ Pond
durch Transfrauen – denn deren biologisches Geschlecht ist männlich.
## Geschützter Bereich für Frauen
Eine der Nutzerinnen des Ladies’ Pond, die dort auf keine Transfrauen
stoßen wollen, ist Maya Forstater, die Geschäftsführerin von Sex Matters.
Laut der Organisation sei der Ladies’ Pond ein geschützter Bereich für
Frauen, weil die sich dort entkleiden. Die Anwesenheit von Transfrauen sei
also ein Verstoß gegen das Gesetz. In der Klage von Sex Matters geben
Frauen an, dass sie biologischen Männern im Duschraum und in der Umkleide
begegnet seien. Andere hätten einen Mann mit Bikini beobachtet, der sich an
der Hose rieb, während er Frauen ansah. Ein weiterer Mann hätte auf der
Liegewiese Fotos von jungen Mädchen gemacht. Das Personal, so die
Augenzeuginnen, habe Beschwerden abgewiesen und gesagt, dass Transfrauen im
Ladies’ Pond willkommen seien. Einige Frauen hätten deswegen das Schwimmen
aufgegeben.
„Die Meinungen unter Schwimmerinnen des Ladies’ Pond sind sehr
unterschiedlich“, sagt dazu Mary Powell vom Benutzer:innenverein KLPA
(Kenwood Ladies’ Pond Association). 2024 befragte KLPA ihre Mitglieder zu
dem Thema und die Mehrheit war für die Zulassung von Transfrauen im
Frauenpool. Powell glaubt, das Schwimmen dort für alle sicher sei. „Im
Schwimmbereich sind durchgehend mindestens fünf Angestellte anwesend, die
bei Problemen jeder Zeit verständigt werden können, sollte etwa
unangemessenes Verhalten beobachtet werden“, sagt sie. Sie beschuldigt Sex
Matters, den Ladies’ Pond politisch auszuschlachten, ausgerechnet kurz vor
dem 100. Jubiläum des Frauenpools.
Auch eine Gruppe von Cis-Frauen, sie nennen sich Nion-Women (Nicht in
unserem Namen-Frauen) sprach sich gegen den Ausschluss von Transfrauen aus
und erklärte: „Wir sind der Meinung, dass eine kleine Minderheit mit stark
artikulierten Ansichten versucht, für die Mehrheit, die nicht der gleichen
Ansicht ist, zu sprechen, und weisen zurück, dass unsere Stimmen gegen
Transfrauen missbraucht werden.“
Eine der Transfrauen, die gelegentlich den Ladies’ Pond nutzt, ist die
30-jährige Tammi Hymas. Sie arbeitet in der Gruppe TransActual. „Den
Ladies’ Pond besuchen Transfrauen und alle Frauen aus den gleichen Gründen,
und zwar weil es ein sicherer und inklusiver Ort ist, egal welches Alter,
Hintergrund, Körperform eine Frau hat“, sagt sie. „Es ist ein wunderschön…
Ort, der von Männern abgetrennt ist.“ Gerade das öffentliche Schwimmen sei
für Transmenschen oft mit Ängsten verbunden. „Wir können beim Schwimmen
Belästigung und anderer Art von Diskriminierung erfahren. Deshalb ist der
offen als inklusiv deklarierte Ladies’ Pond einer der wenigen und wirklich
wichtigen Orte für Transfrauen hier.“
## Wohin auf Toilette?
Die Klage, fürchtet sie, könnte unangemessene Fragen an Schwimmerinnen nach
sich ziehen, insbesondere wenn diese nicht ganz den erwarteten äußerlichen
Vorstellungen einer Frau entsprechen. „Sie müssen dann beweisen, wer sie
sind und das ist vollkommen unakzeptabel.“ Auch andernorts hätten Menschen
der Transcommunity derzeit große Probleme wegen des Urteils des Supreme
Courts, viele könnten derzeit in keine öffentliche Toilette mehr gehe
„Frauen, wenn sie sich als Frauen ausdrücken, sollten Zugang zu den dafür
entsprechenden Räume haben und nicht ständig hinterfragt werden, welches
Geschlecht sie denn haben“.
Sex Matters hat für solche Argumente wenig Sympathie. „Geschlechtliche
Selbstbestimmung (Self-ID) war nie Gesetz in Großbritannien“, sagt die
Rechtsberaterin der Gruppe, Helen Joyce. Die Ablehnung von Self-ID als
transphob zu bezeichnen, sei falsch. Im Fall des Ladies’ Ponds sei es egal,
was Verbände oder die Vereinigung der Benutzer:innen der Ponds glaubten
oder fühlten. „Es ist ganz einfach“, findet Joyce.
„Das britische Gleichstellungsgesetz verbietet sexuelle Diskriminierung bis
auf ganz spezielle Orte, zum Beispiel dort, wo Menschen sich umziehen. Wo
diese Orte bestimmten Geschlechtern vorbehalten sind, gilt seit dem Urteil
des Supreme Courts, dass nur das biologische Geschlecht für den Zugang
anzuwenden ist. Auch Personen mit zertifiziertem selbstidentifiziertem
anderem Geschlecht haben darin keinen Zugang!“ Wenn in einen Raum nur für
Frauen auch nur ein einziger Mann zugelassen werde, sei es kein geschützter
Raum mehr.
Das britische Recht verbietet allerdings auch, dass Personen der
Transcommunity von einer öffentlichen Aktivität ausgeschlossen werden oder
ohne Toilette dastehen. Joyce glaubt aber nicht, dass hier ein Ausschluss
vorliegt. Denn in Hampstead gibt es auch den Mixed Pond, etwa 20 Minuten
Fußweg entfernt auf der anderen Seite des Parks. Dieser ist für alle
Geschlechter zugänglich.
## Umbau zu Einzelkabinen
Doch wie einer der Bademeister bestätigt, sind die Umkleideräume und
Toiletten des Mixed Pond derzeit in Frauen- und Männerbereiche eingeteilt.
„Das müsste dann geändert werden“, glaubt er. Konkret bedeutet dies einen
Umbau mit Einzelkabinen und Unisextoiletten. Und der Mixed Pond, der im
Winter kein Rettungspersonal hat und nur mit einer Sondermitgliedschaft
zugänglich ist, müsse dann auch ganzjährig mit Personal geöffnet bleiben,
so wie die beiden anderen. Anders als der Ladies’ Pond ist der Mixed Pond
auch weniger privat: Passanten können offen alles im und am See beobachten.
Und so zögert Transfrau Tammy Hymas mit diesem Vorschlag. Zonen wie der
Mixed Pond seien zwar großartig, insbesondere weil Männer und Frauen dort
gemeinsam schwimmen könnten, doch sie selber sei in einer
Freundinnengruppe, die es für wichtig halten, dass sie als Frau mit ihnen
im Ladies’ Pond schwimmen kann. Und für viele Transfrauen gelte außerdem
der gleiche Schutzbedarf vor Männern wie für biologische Frauen.
„Transfrauen bevorzugen oft einen Ort, wo sie ohne Männer sein können, denn
die machen leider oft Bemerkungen oder unangemessene Kommentare über
Transfrauen. Die Akzeptanz aller Arten von Frauen im Ladies’ Pond ist etwas
ganz Besonderes.“
Auf Anfrage der taz sagt ein Sprecher der City of London, dass sie die
Sensibilität der Debatten und die Komplexität zu den Arrangements in den
Pools verstehen. „Wie viele Organisationen befinden wir uns in einem
Prozess vorsichtiger Überprüfung unserer Zugangskriterien. Wir werden uns
mit unseren Benutzer:innen und Interessenverbänden beratschlagen, damit
alle Stimmen gehört werden und um dann klare und gut informierte
Entscheidungen über die derzeitigen und zukünftigen Anordnungen zu treffen,
während wir unseren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Bis dahin
werden die derzeitigen Anordnungen, die seit 2019 gelten, weiterbestehen.“
Über das letzte Jahr hat die Verwaltung in Hampstead geschützte Zonen
eingerichtet, wo Vierbeiner auf Frauchen und Herrchen warten können, und
teure Einstiegen für Behinderte bauen lassen. Ultraorthodoxe Jüdinnen und
Juden und streng religiöse Musliminnen und Muslime schwimmen hier getrennt,
den Ladies’ Pond nutzen auch Überlebende sexueller Gewalt. Es geht um
Schutz. Auch die Transcommunity ist schutzbedürftig. Wenn sich einzelne
schutzbedürftige Gruppen voreinander schützen wollen, was dann? Wer in
Zukunft in welchem Teich im Hampstead Heath in London schwimmen kann, ist
womöglich nicht nur vor Gericht zu klären.
4 Sep 2025
## LINKS
[1] /Anti-trans-Urteil-in-Grossbritannien/!6082937
[2] /Oberstes-Gericht-in-Grossbritannien/!6079260
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
London
Schwimmen
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