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# taz.de -- Polens Präsident blockiert Gesetze: Veto gegen Geflüchtete
> Der neue polnische Präsident Nawrocki blockiert Sozialleistungen für
> ukrainische Geflüchtete. Auch militärisch wichtige Unterstützung könnte
> wegfallen.
Bild: Karol Nawrocki spricht als damaliger konservativer Präsidentschaftskandi…
Warschau taz | Der polnische Präsident [1][Karol Nawrocki] hat am Montag
sein Veto gegen drei Gesetze des Parlaments eingelegt. Er blockierte damit
unter anderem das Ukrainer-Hilfe-Gesetz, das alle paar Monate erneuert
werden muss, um die Finanzierung sicherzustellen. Die kriegsgebeutelte
Ukraine und [2][die knapp eine Million ukrainischer Geflüchteter in Polen]
geraten damit als erstes unter die Räder des neuen rechtspopulistischen
Präsidenten.
Sollte Polens Mitte-links-Regierung nicht sofort einen Plan B vorlegen,
erlischt am 30. September der legale Aufenthaltsstatus der ukrainischen
Kriegsflüchtlinge in Polen. Das Gesetz hätte diesen bis zum 4. März 2026
verlängert und damit auch ihre Arbeitserlaubnis, ihren Anspruch auf Nutzung
des polnischen Sozial- und Gesundheitssystems sowie das Recht auf
Kindergeld in gleicher Höhe wie es polnische Kinder erhalten.
Zudem endet der millionenschwere Zuschuss Polens zu den [3][ukrainischen
Internetabonnements der US-Firma Starlink]. Ohne diesen Zugang ist die
ukrainische Armee gegen die russischen Raketen- und Drohnenangriffe
wehrlos.
Für die ukrainischen Geflüchteten in Polen bedeutet der Verlust des
Aufenthaltsstatus Unsicherheit. Das Innenministerium teilte am Dienstag
mit, es rechne damit, dass viele der Geflüchteten nun einen Asylantrag
stellen würden. Das dürfte für den polnischen Staat deutlich teurer werden,
zusätzliche Sozialleistungen könnten anfallen. Andere Ukrainer könnten
beantragen als Arbeitsmigranten in Polen zu bleiben, wieder andere in die
Illegalität abtauchen.
## Nawrocki fällt durch antiukrainischen Nationalismus auf
Schon während des Präsidentschaftswahlkampfes hatten Demokraten vor dem
[4][antiukrainischen Nationalismus] Nawrockis und seinem Slogan „An erster
Stelle Polen“ gewarnt. Doch seine Wähler schätzten die reaktionäre
Donald-Trump-Attitüde des „Make America Great Again“. Sie wollten einen
Präsidenten, der es dem Establishment und den Eliten, darunter der
aktuellen Mitte-links-Regierung, den verhassten Deutschen und der ebenso
verhassten EU mal so richtig zeigen würde.
Obwohl rund zehn Millionen Polen und Polinnen für [5][Rafał Trzaskowski,]
den EU-freundlichen Kandidaten der liberal-konservativen Bürgerplattform
(PO) stimmten, gewann Nawrocki, Kandidat der nationalpopulistischen Recht
und Gerechtigkeit (PiS), die Stichwahl im Juni knapp.
Im Wahlkampf sei er zu der Überzeugung gekommen, „dass alle größeren
politischen Kreise der Ansicht sind, dass das Kindergeld in Höhe von 800
Złoty (ca. 190 Euro) pro Monat nur denjenigen ukrainischen Geflüchteten
zustehen sollte, die sich zur Arbeit verpflichten“, begründete Nawrocki
sein Veto. Auf seinem Social-Media-Konto bei X wetterte Nawrocki gegen die
angebliche „Privilegierung von Bürgern anderer Staaten“ und setzte hinzu:
„Vorrang den Polen!“
Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 verbreiten sich im Internet Fake News,
die Neid und Hass gegen Ukrainer wecken sollen und auch in Polen auf
fruchtbaren Boden fallen. Viele Polen sind überzeugt, dass die meisten
Ukrainer als „Sozialschmarotzer“ nach Polen gekommen sind.
## Ukrainer tragen Steuern und Sozialabgaben bei
Dabei hat im Juni 2025 eine [6][Studie der Firma Deloitte für das
Flüchtlingshilfswerk UNHCR] gezeigt, dass fast 70 Prozent der ukrainischen
Kriegsflüchtlinge im erwerbsfähigen Alter legal in Polen arbeiten und
Steuern und Sozialabgaben zahlen. Bei Polen im erwerbsfähigen Alter liegt
die Quote nur leicht höher bei 75 Prozent. Die ukrainischen
Kriegsflüchtlinge trugen laut der Studie 2024 rund 2,7 Prozent zum
polnischen Bruttoinlandsprodukt bei.
Laut einem Bericht der Wirtschaftsbank Polens aus dem März 2025 zahlten sie
2024 rund 15,21 Milliarden Złoty (ca. 3,6 Milliarden Euro) an Steuern und
Sozialabgaben ein und erhielten dagegen rund 2,8 Milliarden Złoty (ca. 658
Millionen Euro) Kindergeld. Sollten die Ukrainer ab dem 1. Oktober nicht
mehr arbeiten dürfen, weil durch Nawrockis Veto ihre Arbeitserlaubnis
erlischt, fallen auch die Steuern und Sozialabgaben weg, die sie bislang
leisten.
Ganz unschuldig an der inzwischen verbreiteten Ukrainehetze ist auch die
Mitte-links-Koalition von Donald Tusk nicht. Statt den Rechtsradikalen und
Nationalisten entgegenzutreten, übernahmen sie oft deren Narrativ, fuhren
die sozialen Hilfen für die meist allein mit ihren Kindern geflüchteten
Ukrainerinnen immer weiter runter oder knüpften sie an mehr Bedingungen.
Im Wahlkampf fiel auch der liberale Kandidat Trzaskowski mit
antiukrainischen Parolen auf, mit denen er wohl im rechten Lager fischen
wollte. Und [7][Premier Donald Tusk] ließ sich in Polen dafür feiern, dass
er in Brüssel die EU-Agrarförderung für die Ukraine runterhandeln konnte.
Doch jetzt wird er wohl zumindest einen Teil der gestoppten Ukrainehilfen –
es geht vor allem um die Starlinkabos und die sichere Datenspeicherung im
Internet – zu retten versuchen. Möglich wäre das durch den neuen Haushalt,
der demnächst verabschiedet werden muss. Gegen das Haushaltsgesetz kann
Nawrocki kein Veto einlegen.
26 Aug 2025
## LINKS
[1] /Karol-Nawrocki/!6104780
[2] https://www.bpb.de/themen/migration-integration/regionalprofile/545337/ukra…
[3] /Starlink-in-der-Ukraine/!6078536
[4] /Anti-ukrainische-Stimmung-in-Polen/!6079188
[5] /Praesidentschaftswahl-in-Polen/!6088911
[6] https://www.unhcr.org/europe/news/press-releases/refugees-generated-stunnin…
[7] /Tusk-will-es-den-Rechten-recht-machen/!6095926
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Karol Nawrocki
PiS
Geflüchtete
Sozialleistungen
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Polen
GNS
Karol Nawrocki
Polen
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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