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# taz.de -- Polen startet Grenzkontrollen: Tusk will es den Rechten recht machen
> Mit ihren Grenzkontrollen knickt die Mitte-links-Koalition in Polen vor
> der PiS ein – und dem Druck rassistischer selbsternannter Grenzschützer.
Bild: Der Verkehr läuft langsam, aber stetig: Grenzkontrollen an der deutsch-p…
Warschau taz | „Haben Sie so etwas wie Ehre im Leib?“, fragt der polnische
Nationalist Robert Bąkiewicz einen polnischen Grenzschützer, reckt seinen
Stiernacken und geht provokativ ein paar Schritte auf den Uniformierten zu.
Der guckt ihn nur unbewegt, aber doch leicht angeödet an. Als ein weiteres
Mitglied der Bąkiewicz-Bürgerwehr „Bewegung zur Verteidigung der Grenze“
von einer Polin in ruhigem Ton gebeten wird, nicht so rumzukrakeelen, blökt
der sie nur laut und ordinär an: „Hure, Hure!“ Ihr Einwand: „Bitte, mein
Herr. Ich bin doch eine Polin“, wirkt dann allerdings ebenfalls wie aus dem
Lehrbuch der rechtsextremen Ausländerhasser.
Die Bürgerwehr hat sich die Jagd auf „illegale Migranten“ auf die Fahne
geschrieben, welche angeblich von den Deutschen zu Tausenden mit Bussen
über die Grenze nach Polen gebracht würden. Polens Mitte-links-Koalition
unter Donald Tusk sah sich wohl nicht mehr in der Lage, dem öffentlichen
Druck beim Thema Grenzsicherung standzuhalten, zumal sich den
Rechtsextremen auch die größte Oppositionspartei, die rechtspopulistische
Recht und Gerechtigkeit (PiS), anschloss und in einer groß orchestrierten
Propagandaaktion vor der „Migranten-Invasion“ aus Deutschland warnte.
[1][Einen Monat lang sollen deswegen nun polnische Grenzschützer wieder an
der Westgrenze Polens Dienst tun.] Tusk behielt sich vor, die „zeitlich
beschränkte“ Kontrolle zu verlängern, sollte das notwendig sein.
Immerhin: Staus gibt es am Montagmorgen an den rund 50 deutsch-polnischen
Grenzübergängen kaum. Der Verkehr läuft langsam, doch stetig. Seit
Mitternacht wird die Grenze wieder auf beiden Seiten kontrolliert. Rund
zwei Jahre lang hatte Polens liberalkonservativer [2][Premier Donald Tusk]
die deutsche Regierung immer wieder gebeten, ihre „verschärfte
Migrationspolitik“ und die damit verbundenen Kontrollen an den
Binnengrenzen des Schengen-Raumes aufzugeben. Zum einen sei das mit
geltendem EU-Recht unvereinbar, zum anderen werde es einen Domino-Effekt
auslösen, da dann die Nachbarländer ebenfalls Kontrollen einführen würden.
## Tusk: „Ich habe den Kanzler gewarnt“
In Berlin zeigte man keinerlei Verständnis für die polnische Argumentation.
Kanzler Friedrich Merz (CDU), aber auch Innenminister Alexander Dobrindt
(CSU) behaupteten in Deutschland, alles mit den Polen abgesprochen zu
haben, in Warschau dagegen sagte Premier Donald Tusk: „Ich habe den Kanzler
immer wieder gewarnt!“ Letztlich verwirklichen nun beide Politiker die
Forderungen der AfD in Deutschland und der PiS in Polen.
PiS-Fraktionschef Mariusz Blaszczak erklärte unlängst mit breitem Grinsen,
dass die PiS ein Gesetzesprojekt in den Sejm, das polnische
Abgeordnetenhaus, eingebracht habe, das es der polnischen Regierung
ermöglichen würde, Bürgern der Nahoststaaten wie auch Nordafrikas per
einfacher Verordnung die Einreise zu verweigern. Als einige in der Partei
anmerkten, dass das doch reichlich rassistisch klinge, wurden der Nahe
Osten und Nordafrika ersetzt durch „Drittstaaten“. So steht es nun auch im
Gesetzesprojekt.
Als die PiS noch selbst regierte, vergab sie hunderttausende Arbeits-,
Studien- und Touristenvisa an Bürger aus Nicht-EU-Staaten und stellte damit
innerhalb der EU einen Rekord auf. In manchen Ländern Afrikas wurden die
polnischen Visa sogar auf Basaren gegen harte Währung verkauft. Viele
dieser Migranten sind dann über Polen in die EU eingereist und weiter in
die USA und andere Staaten. Läuft die Visumsfrist ab, müssen die Ausländer
entweder das Visum verlängern oder ausreisen. Tun sie dies nicht, sind sie
ab Visumsablauf illegal im Land. Dies dürfte mittlerweile mehrheitlich für
die PiS-Visa-Migranten gelten.
Dass die PiS darüber nicht sprechen möchte, ist klar. Doch die
Tusk-Regierung könnte eigentlich laut darauf hinweisen, dass die PiS heute
vor allem gegen Migranten vorgeht, die sie selbst 2015 bis 2023 mit einem
Visum nach Europa geholt hat.
7 Jul 2025
## LINKS
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[2] /Tusk-gewinnt-Vertrauensfrage/!6093751
## AUTOREN
Gabriele Lesser
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Schwerpunkt Flucht
Polen
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