| # taz.de -- Bedrohte Kneipe: Wenn das Broschek überlebt | |
| > Bier und Kraut-Tech-Punk. Unsere Autorin tauchte in einer Neuköllner | |
| > Kneipe ab – und die ringt um ihre Existenz. | |
| Bild: Das Broschek lebt am Freitag Abend: Es beginnt direkt voll in die Fresse … | |
| Manche Abende sind [1][Berlin in a nutshell]. Wie dieser Freitagabend im | |
| [2][Neuköllner Broschek]. Ich bin natürlich wieder zu spät dran, während | |
| ich mich auf dem Fahrrad durch den Shisha-Dampf der Sonnenallee | |
| durchschlängle. Mit der Ringbahn wäre ich vermutlich etwas schneller und | |
| weniger verschwitzt angekommen, aber da hieß es mal wieder: | |
| Schienenersatzverkehr. | |
| Du wartest schon mit einem Bier in der Hand an der Ecke zur Weichselstraße | |
| auf mich. „Es ist schon richtig was los“, sagst du, während wir uns durch | |
| mehrere Grüppchen Neukölln-People drängen. Eine selbstgemachte DIN A4 | |
| Collage am Fenster fasst zusammen, warum sie wohl alle da sind: „FURIE soli | |
| Konzert, help Broschek“. | |
| Heute findet hier ein Solikonzert für eine der mittlerweile kultigsten | |
| Kneipen im Donaukiez und drüber hinaus statt. Die Berliner Newcomerband | |
| Furie tritt auf. „[3][Kraut Tech Punk]“ nennen sie ihre Musik. Das klingt | |
| schon mal vielversprechend. Und ich freue mich jetzt schon, dass das | |
| Broschek so gut besucht ist. | |
| Seit 2008 – als es viele der hippen Lokale drumherum noch gar nicht gab – | |
| betreibt Lars den Laden. Und der ist nicht nur eine durchaus gute | |
| Schankwirtschaft, sondern auch ein bisschen Kunstausstellung, ein bisschen | |
| Wohnzimmer-Konzertlocation, Schauplatz der Lesebühne Neuköllner Brett – und | |
| ab und an gibt’s hier sogar Käsefondue. | |
| ## Die Geschäfte laufen schlecht | |
| Doch, wie sagt Lars seit einigen Wochen, wenn man ihn fragt wie es läuft? | |
| „Beschissen.“ Seinem Laden geht’s wie so vielen: Es ist keine gute Zeit f… | |
| Kneipeninhaber. Nachbarn beschweren sich immer häufiger wegen der | |
| Lautstärke und die Leute gehen zugleich seit der Coronapandemie immer | |
| seltener in die Kneipe. Auch, weil sie ihre eigenen Mieten kaum noch zahlen | |
| können. Und vor ein paar Monaten hat dann auch noch Lars’ Vermieter die | |
| Broschek-Miete verdoppelt – eine hundertprozentige Mieterhöhung. | |
| Bei Gewerbemieten anscheinend kein Problem.Der Laden ist wirklich voll. | |
| „Ich wünschte es wäre immer so viel los wie heute“, sagt Lars. „Gestern | |
| waren es sechs Gäste in sechs Stunden.“ Mehr kann ich ihn grad nicht mehr | |
| zur wirtschaftlichen Situation fragen. Und bis zum Tresen schaffe ich es | |
| auch nicht, denn Furie betritt die Bühne. Also die Ecke des Raumes, in der | |
| die Instrumente bereit stehen. | |
| Und es beginnt direkt voll in die Fresse: wuchtige Drums, Bass, verzerrte | |
| Gitarre, Synthesizer, wilde Töne aus der Klarinette. Böse Zungen würden | |
| behaupten: Lärm. Aber es bleibt nicht dabei, denn Furie kann – wie der Name | |
| verspricht – Musik machen und zwar furios eben, mitreißend und eigen | |
| zugleich. | |
| Ein wenig Nina-Hagen-Flair, dann wieder punkige Powerchords, NDW-Ankläge, | |
| ein bisschen Theatereinlage mit Klarinettengedudel und ganz viel | |
| Herumexperimentieren mit Sounds und Effekten. Dann mischt sich auch noch | |
| ein Saxophon mit ein und spätestens jetzt tanzt der ganze Laden. Kurz fühlt | |
| es sich an wie damals vor Corona. Volle Kneipe, geile Mukke, gute Laune. | |
| ## Viel Lärm wenig Nichts | |
| „Das sind die neuen Ton Steine Scherben“, ruft Lars begeistert zu mir | |
| rüber. Die Luftqualität hat etwas von Sportumkleide. Die Stimmung ist dafür | |
| umso besser. Die Tür muss gerade deswegen zubleiben. „Sonst ruft die | |
| Nachbarin von gegenüber wieder die Bullen.“ Sie scheint wohl schon vor 22 | |
| Uhr ein Problem mit Spaß zu haben. | |
| Viel zu früh ist das Konzert vorbei, alle sind verschwitzt und wir holen | |
| uns gleich noch mal zwei solidarische Drinks. Unser kleiner Beitrag zur | |
| Miete. Wir kühlen uns draußen vor der Tür etwas runter, an der für August | |
| eigentlich viel zu frischen Luft, reden etwas über die „Scheiß | |
| Mietenpolitik“ dieser Stadt, was aber die Stimmung eher drückt. | |
| Dann fragen uns, wie man die Band wohl richtig ausspricht. Du: „fury“, ich: | |
| „Furie“, der Gitarrist der Band: „wie ihr möchtet“. Und erzählt dann,… | |
| Furie gerade ihre erste Platte aufnimmt. Sie könnten sich gut vorstellen | |
| den Record Release hier zu feiern. [4][Also, wenn das Broschek überlebt]. | |
| 26 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Vom-Feiern-Reden-Denken/!6102884 | |
| [2] https://www.broschek-berlin.de/ | |
| [3] /Sylt-und-Anarchie/!6101651 | |
| [4] /Schwerpunkt-Gentrifizierung-in-Berlin/!t5473161 | |
| ## AUTOREN | |
| Ruth Lang Fuentes | |
| ## TAGS | |
| Kneipe | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| Kultur in Berlin | |
| Neukölln | |
| Ausgehen und Rumstehen | |
| Kulturkolumnen | |
| Berlin-Neukölln | |
| Großstadt | |
| Tanzen | |
| Berliner Nachtleben | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neuköllner Mythos: Uh, du bist so Sonnenallee | |
| Sie ist eine Straße der Projektionen, sie ist immer das, von dem du denkst, | |
| dass sie es nicht ist: die Sonnenallee. Eine Betrachtung in Wort und Bild. | |
| Vom Feiern, Reden, Denken: Rosa Würste in der blauen Stunde tauschen | |
| Die Stadt steht still, der Sommer auch und im Kopf ist es manchmal einfach | |
| zu voll. | |
| Feiern in Berlin: Auf dem Dancefloor ist viel Love | |
| Vom Kindergeburtstag in den Erwachsenenclub: Beim Berliner Wochenende voll | |
| wohltemperierter Euphorie ist die Welt mal fast in Ordnung. Oder? | |
| Ausgehen und rumstehen von Hilka Dirks: Wie schlafen eigentlich Herdentiere? | |
| Am Wochenende kriecht die Müdigkeit in den Kopf und mit ihr Gedanken über | |
| das Wesen der Tiere, der Menschen und des Kulturprekariats. |