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# taz.de -- Debatte um Neuköllner Linke: Free Palestine und No Hamas
> Die Solidarität mit Palästina ist wichtig, aber sie braucht rote Linien.
> Ein Teil der palästinasolidarischen Linken scheitert daran.
Bild: Palästina-Protest im Juni in Berlin
Einige hundert propalästinensische Demonstrant:innen haben sich am
Mittwoch auf dem Berliner Alexanderplatz versammelt. „Solidarität mit
Palästina. Stoppt den Gaza-Genozid. Keine Waffenlieferungen an Israel“, so
das Motto der notwendigen Proteste gegen einen entgrenzten, unmenschlichen
Krieg und die Besatzung.
Wenig einladend wirken unterdessen Rufe wie „Viva, viva Intifada“ oder
„Death, death to the IDF“; auf einem Schild steht „X-tausend tote Kinder.
Wie passt das zu Nie mehr Holocaust?“
Nun könnte in gewohnt deutscher Manier eine Begriffsexegese folgen, die
sich wichtiger nimmt, als die Ereignisse in Gaza, die dieser Wut zugrunde
liegt. Darauf aber soll an dieser Stelle verzichtet werden. Was aber gesagt
werden muss: Eine linke Haltung, die universell humanistisch argumentiert
und zu Differenzierungen fähig ist, spricht nicht aus den Sprüchen.
Die Kundgebung war organisiert vom „Vereinigten Palästinensischen
Nationalkomitee“. Wenn man dem Berliner Verfassungsschutz glauben darf, ist
das eine Dachorganisation der linksnationalistischen Volksfront zur
Befreiung Palästinas PFLP und der islamistischen Hamas. Auch in den
palästinensischen Gebieten haben sich die beiden so unterschiedlichen
Organisationen über das gemeinsame Verständnis eines militanten Kampfes
gegen Israel angenähert. Ideologisch verschwimmen hier nationalistische,
islamistische und antisemitische Motive mit der Propagierung von Gewalt.
Dass nun genau jenes „Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee“ am
Samstag in Berlin [1][zu einem Soli-Event des Linke-Bezirksverbands
Neukölln für Palästina eingeladen] ist, zeugt davon, wie sich bestimmte
Teile der Linken in ihrer Palästina-Solidarität in eine Sackgasse
manövriert haben und sich dabei selbst und ihren politischen Zielen
schaden.
## Kein Bündnis mit Islamisten
Vom Bündnis der Linken mit der Hamas war bundesweit über das eigentlich
harmlose Treffen mit Bastelstunde und Tanzkurs zu lesen. Und selbst wenn
der eingeladene Redner des „Nationalkomitees“ gar kein Hamas-Anhänger,
sondern einer der PFLP sein sollte, bleibt die Einladung falsch.
Grundsätzlich gilt: Islamist:innen und Antisemit:innen können und
dürfen niemals Bündnispartner:innen für Linke sein. Gleiches gilt auch
für jene, die strategische Allianzen mit ihnen eingehen.
Die [2][Neuköllner Linke] predigt stets die Zusammenarbeit mit den
Nachbar:innen im Kiez, davon nicht wenige mit palästinensischen Wurzeln.
Und das ist durchaus verdienstvoll, denn wer sonst im etablierten
politischen Raum kümmert sich um die Sorgen und berechtigte Wut jener
Menschen und tritt ihnen vorurteilsfrei entgegen. Richtig: Niemand.
Stattdessen stehen Palästinenser:innen und ihre
Unterstützer:innen unter Generalverdacht einer deutschen
Öffentlichkeit, die sich über einen grenzwertigen Slogan mehr aufregen kann
als über einen Krieg, dessen rechtliche Beurteilung als [3][Genozid] immer
wahrscheinlicher wird. Auch das treibt viele, die das Leid nicht ertragen
können, immer mehr zu einer kompromisslosen Haltung.
Trotz allem darf es Solidarität niemals bedingungslos geben, Maßstäbe der
Beurteilung, was richtig und falsch ist, müssen universell gelten. Das
Beispiel der Neuköllner Linkspartei ist dabei nur eines von vielen, das
zeigt, dass ein guter Teil der palästinasolidarischen Linken daran immer
wieder scheitert. Fortwährend tappen sie in die Falle und verraten für ihre
bedingungslose Solidarität die eigenen Werte.
## Wenn Wahrheiten zur Provokation werden
Nur zwei Beispiele: Während einer Palästina-Demo über das Fusion-Festival
im Juni wird an einer Bühne ein Banner mit der Aufschrift „There is no free
Palestine with Hamas“ heruntergelassen. Sofort stürmen die linken
Palästina-Freund:innen herbei und reißen es herunter. Einige Wochen später
taucht auf einer Neuköllner Brücke der an den Hamas-Angriff vom 7. Oktober
2023 erinnernde Slogan „Rape is no Resistance“ auf. Nur kurz darauf ist er
mit Gegenparolen übermalt.
Womöglich sind beide Reaktionen nicht einmal der Versuch, die Hamas vor
Kritik zu beschützen, sondern liegen einem Freund-Feind-Denken mit
israelsolidarischen Antideutschen zugrunde. Sie sind dann die Antwort auf
eine auch als solche gemeinte Provokation, ein innerlinker Revier- und
Identitätskampf. Doch wer soll das verstehen? In der öffentlichen
Wahrnehmung stellen sich die palästinasolidarischen Linken damit an die
Seite einer Terrororganisation. Dabei müssten beide Slogans zum allgemeinen
Grundkonsens gehören.
Dass außerparlamentarische radikale Gruppen auch über das Ziel
hinausschießen, nicht immer strategisch denken oder im vorauseilenden
Gehorsam alles vermeiden, was Bürgerliche kritisieren könnten – geschenkt.
Aber dass eine Organisationseinheit einer Partei, die Wahlen gewinnen will,
genauso handelt und nicht mehr weiß, wo die eigenen roten Linien sind, ist
politisch fatal.
Verstanden wird dabei auch nicht, wie sehr man sich isoliert. Den meisten
Linken fehlt es nicht an Empathie und Verständnis, um dem Schrecken in Gaza
etwas entgegenzusetzen. Auch gesamtgesellschaftlich ist die Stimmung
mehrheitlich deutlich humanistischer als der offizielle
Staatsräson-Diskurs. Doch zu den fast täglich stattfindenden Demos gehen
die wenigsten.
Die Erklärung dafür ist einfach: Mit Hamas-Freund:innen und
Islamist:innen will nahezu niemand auf die Straße gehen. Man will ja
„Free Palestine“ fordern, aber eben auch „Free Palestine from Hamas“.
8 Aug 2025
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## AUTOREN
Erik Peter
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