| # taz.de -- Chefarzt klagt gegen Klinik in Lippstadt: Joachim Volz will sich Ab… | |
| > Seit einer Fusion mit dem katholischen Klinikum darf Chefarzt Joachim | |
| > Volz nicht mehr wie bisher Abbrüche durchführen. Am Freitag verhandelt | |
| > das Arbeitsgericht. | |
| Bild: Seit 13 Jahren arbeitet der Gynäkloge Joachim Volz am Klinikum Lippstadt | |
| Berlin taz | „Die Patientinnen wegschicken, statt ihnen zu helfen, das kann | |
| ich nicht und das mache ich nicht“, sagt Joachim Volz. Doch genau das, so | |
| beschreibt es der Chefarzt des Klinikums Lippstadt, verlange sein | |
| Arbeitgeber von ihm. | |
| Und deswegen treffen sich Volz und das Klinikum am Freitag vor dem | |
| Arbeitsgericht Hamm. [1][Denn seit einer Fusion mit dem katholischen | |
| Krankenhaus darf Volz an dem bis dahin evangelischen Klinikum keine | |
| Schwangerschaftsabbrüche mehr durchführen.] Auch in seiner privaten Praxis | |
| will das Klinikum ihm per Dienstanweisung Abbrüche untersagen. | |
| Seit 13 Jahren arbeitet Volz am Klinikum Lippstadt. Er hat dort die | |
| Frauenklinik und das Perinatalzentrum mit aufgebaut. Dort hat er auch | |
| medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Solche also, | |
| die „aus ärztlicher Sicht angezeigt“ sind, „um eine Gefahr für das Leben | |
| oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen | |
| oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden“. | |
| Grundsätzlich ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland eine Straftat, | |
| die nur unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt. Auf Abbrüche mit | |
| medizinischer Indikation trifft dies aber explizit nicht zu. Es gehe in | |
| diesen Fällen teils um schwerste Fehlbildungen des Fötus, berichtet Volz. | |
| ## Wer ist ans kirchliche Selbstverständnis gebunden? | |
| Oftmals sei das Kind nicht lebensfähig und die Belastung für die | |
| Patientinnen, die sich eigentlich ein Kind wünschten, sehr groß. „Denen | |
| kann ich doch nicht erst die Diagnose mitteilen und ihnen erklären, was | |
| das für das Kind und auch für sie bedeuten könnte – und dann sagen: Wenn | |
| ihr euch jetzt aber für einen Abbruch entscheidet, dann geht bitte woanders | |
| hin, denn das finden wir unmoralisch“, sagt Volz. | |
| Aus Sicht von Volz’ Anwalt Till Müller-Heidelberg sind beide | |
| Dienstanweisungen rechtswidrig. Am Inhalt des Arbeitsvertrages habe sich | |
| durch die Fusion nichts geändert. Ohnehin sei ein Chefarzt nicht, wie von | |
| der Gegenseite argumentiert, an das kirchliche Selbstverständnis gebunden, | |
| habe er doch keinen Verkündigungsauftrag und repräsentiere auch keine | |
| kirchliche Organisation nach außen. | |
| Die Klinik hingegen verweist auf die Sonderrechte der Kirchen im | |
| Arbeitsrecht und die im neuen Gesellschaftsvertrag vereinbarten ethischen | |
| Kriterien. Auch das unionsgeführte Gesundheitsministerium in NRW betont das | |
| „grundgesetzlich geschützte kirchliche Selbstbestimmungsrecht“, durch | |
| welches kirchliche Krankenhausträger Schwangerschaftsabbrüche „jedenfalls | |
| für bestimmte Indikationen“ untersagen könnten. | |
| Zu weiteren Fragen will die Klinik sich aufgrund des laufenden Verfahrens | |
| nicht äußern. Eins aber will sie doch klarstellen: Dass Volz nun keine | |
| Abbrüche mehr durchführen dürfe, sei „so nicht korrekt“: Auch nach der | |
| Fusion könnten im Klinikum Lippstadt „weiterhin medizinisch-indizierte | |
| Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, wenn 'Leib und Leben der | |
| Schwangeren in Gefahr sind“. | |
| ## „Keine katholische Entscheidung“ | |
| Eine Aussage, die Volz empört. Ähnlich hatte der Anwalt der Gegenseite | |
| schon in einer ersten Güteverhandlung argumentiert. „Wann ein Abbruch | |
| medizinisch geboten ist, das ist doch keine juristische Entscheidung, und | |
| auch keine katholische oder päpstliche“, hatte er dazu der taz gesagt. „Da | |
| entscheiden allein das ärztliche Urteil und der Wille der Frau.“ | |
| Tatsächlich stelle er inzwischen die Indikation, schicke die Patientinnen | |
| dann zu einem ambulanten Kollegen, der den Abbruch einleite – um die Frauen | |
| dann mit der begonnenen Fehlgeburt stationär aufnehmen zu können. Ein | |
| Work-Around. | |
| Organisierte Abtreibungsgegner*innen versuchen derweil, Stimmung | |
| gegen den Arzt zu machen. 20.400 Menschen haben eine Petition von CitizenGo | |
| unterzeichnet, die auf die Sonderrechte der Kirchen beharrt. Die | |
| [2][Kampagnenorganisation zählt zum Spektrum christlicher | |
| Fundamentalist*innen] – und war auch maßgeblicher Akteur in der | |
| Kampagne, um die [3][Wahl der Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf ans | |
| Bundesverfassungsgericht zu verhindern]. „Krankenhäuser in kirchlicher | |
| Trägerschaft sind kein Ort für Tötung, sondern für Leben“, heißt es in d… | |
| aktuellen Petition. | |
| „Es gibt in der Medizin keinen Berufszweig, der sich mehr um Lebensschutz | |
| bemüht, als uns Geburtsmediziner“, erwidert Volz darauf. „Aber dazu gehört | |
| doch auch das Leben der Mutter. Man kann doch ein potenzielles Leben nicht | |
| über ein existentes Leben stellen.“ Genau das aber tue die katholische | |
| Kirche, wenn sie Abbrüche grundsätzlich ablehne. | |
| Die Unterstützung für den Arzt ist derweil ungleich größer als der | |
| Gegenwind. Eine [4][solidarische Petition auf der Plattform innn.it] hat | |
| inzwischen mehr als 230.000 Unterschriften gesammelt. Vor dem Prozess wird | |
| eine Demonstration an der Klinik vorbei zum Amtsgericht Lippstadt ziehen, | |
| in dessen Räumen die Verhandlung stattfindet. | |
| ## „Es geht auch um Paragraf 218“ | |
| Dabei sein wird auch Yazgülü Zeybek, Landesvorsitzende der Grünen in NRW. | |
| „Krankenhäuser sind Teil der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Ich | |
| erwarte, dass sie diesen Auftrag auch erfüllen“, sagt Zeybek. Es könne | |
| nicht sein, dass Kliniken darüber entschieden, was mit dem Körper einer | |
| Schwangeren passiere – und dass Betroffene im Zweifel [5][lange Fahrten auf | |
| sich nehmen müssten, um einen Abbruch zu bekommen]. | |
| „Hier geht es konkret um die herzlose Entscheidung des Klinikums Lippstadt. | |
| Aber natürlich sprechen wir hier auch ganz grundsätzlich darüber, wie der | |
| Strafrechtsparagraf 218 das Selbstbestimmungsrecht von Schwangeren | |
| einschränkt“, sagt Zeybek. „Wir wissen, [6][dass eine große Mehrheit in d… | |
| Bevölkerung möchte, dass Abbrüche rechtmäßig werden], quer durch die | |
| Milieus und Parteipräferenzen.“ Auch Volz selbst fordert in seiner Petition | |
| ein Ende der „Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen“. | |
| Julia Schymik von Verdi kritisiert ganz grundsätzlich die Sonderrechte der | |
| Kirchen im Arbeitsrecht. „Kein anderer Betrieb kann solche Maßstäbe an | |
| seine Mitarbeitenden ansetzen wie die Kirche, mit weitreichenden | |
| Auswirkungen auf das Privatleben der Menschen“, sagt sie. [7][Bei | |
| medizinischen Behandlungen sei das umso schwerwiegender]: „In der Medizin | |
| darf es doch nicht um Glaubensfragen gehen, sondern darum, was notwendig | |
| ist“, sagt Schymik. | |
| Auch wenn es in Lippstadt ums Arbeitsrecht gehe, könne man den Fall nicht | |
| loslösen von der Debatte um das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. | |
| „Paragraf 218 schränkt dieses Recht ohnehin ein – und die katholische | |
| Kirche geht noch einen Schritt weiter, wenn sie Frauen sogar jene Abbrüche | |
| verwehrt, die von diesem Verbot ausgenommen sind.“ | |
| 8 Aug 2025 | |
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| [4] https://innn.it/keinmord | |
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| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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