| # taz.de -- Ukrainische Lokalzeitung in Snihuriwka: Die Rosen zwischen den Ruin… | |
| > In der von Russland zerstörten Kleinstadt Snihuriwka kämpft Ihor Nowikow | |
| > ums Überleben seiner Lokalzeitung. Sie ist für viele mehr als nur ein | |
| > Medium. | |
| Bild: Steht in der Ruine des Hauses seines Nachbarn: Journalist Nowikow (r.) un… | |
| Snihurivka taz | Ihor Nowikow geht durch den Garten eines Hauses seiner | |
| Heimatstadt Snihuriwka. Das Haus ist eigentlich kein Haus mehr. Es ist | |
| zerstört, wurde 2022 von der heranrückenden [1][russischen Armee] | |
| vernichtet. Nichts ist mehr an diesem Haus so, wie es früher war, vor dem | |
| Februar 2022. Doch auffällig ist ein riesiger Strauch mit feuerroten Rosen. | |
| Liebevoll pflückt Ihor Nowikow einige der Rosen und trägt sie in das | |
| Nachbaranwesen. Auch dieses Haus ist zerstört. Nowikow legt die Blumen auf | |
| einen Fenstersims, bleibt mehrere Minuten schweigend vor dem Haus stehen | |
| und dreht sich wieder um. „Hier hat mein Freund gelebt“ erklärt er. | |
| Snihuriwka ist die Heimat von Ihor Nowikow. Er liebt seine Stadt und er ist | |
| der Chefredakteur der einzigen vor [2][Ort erscheinenden Lokalzeitung] | |
| Visti Snigurivschtschiny (Nachrichten des Gebietes Snihuriwka). Die 1930 | |
| gegründete Zeitung war zu Sowjetzeiten lange ein Sprachrohr der | |
| sowjetischen Propaganda. | |
| Doch unter der Regie von Nowikow wurde das Blatt nicht nur zum | |
| Informationsmedium, sondern auch zu einem Symbol des Widerstands, der | |
| Stabilität und der Hoffnung in einer Zeit des Krieges und der | |
| [3][russischen Besatzung.] | |
| Der 19. März 2022 war ein schwarzer Tag für Snihuriwka. An diesem Tag waren | |
| die russischen Truppen in den Ort einmarschiert. Ab diesem Tag war an | |
| Zeitungmachen in Snihuriwka nicht mehr zu denken. Am 25. Februar 2022 war | |
| die vorerst letzte Ausgabe in den Verkauf gegangen. „Es gab keine Druckerei | |
| mehr, keine Möglichkeit, Redaktionssitzungen abzuhalten“, sagt der | |
| Chefredakteur. | |
| Acht Monate lang erschien die Zeitung nicht. Die Redaktion war zerstreut, | |
| viele Mitarbeiter waren nicht mehr erreichbar. Ihor Nowikow machte sich mit | |
| seiner schwer krebskranken Mutter auf den Weg nach Odessa, wo sie hofften, | |
| ihr eine Fortsetzung der Behandlung zu ermöglichen. Während der russischen | |
| Besatzung arbeitete die Redaktion von Odessa aus weiter, druckte die | |
| Zeitung dort und brachte sie in die Orte, die nicht von der russischen | |
| Armee kontrolliert wurden. | |
| Während der russischen Besatzung riefen die Redakteure gemeinsam mit | |
| anderen Geflüchteten in Odessa in einer Videoansprache die Bevölkerung des | |
| besetzten Snihuriwka auf, sich nicht an den von den Besatzungstruppen | |
| organisierten Scheinreferenden über eine Eingliederung in die Russische | |
| Föderation zu beteiligen. „Wir wollten den Menschen zeigen, dass die | |
| Ukraine nicht aufgegeben hat, dass wir als Redaktion auch dann präsent | |
| sind, wenn unsere Stadt besetzt ist.“, erzählt Nowikow. | |
| ## Schlecht organisiert und kaum funktionsfähig | |
| Während die ukrainische Seite unter großem Aufwand versuchte, ihre lokale | |
| Presse am Leben zu halten, gingen die russischen Besatzer strategisch und | |
| gut finanziert vor: sie nutzten bestehende Marken von Lokalzeitungen der | |
| Gebiete Odessa und Mikolajew für eigene Propagandablätter, kopierten Logos, | |
| und verteilten diese über die von ihnen kontrollierte Infrastruktur, | |
| berichtet Nowikow. „Glücklicherweise ist unsere Zeitung, Visti | |
| Snigurivschtschiny, davor verschont geblieben“ sagt er. | |
| „Russland investiert massiv in Medien auf besetzten Gebieten – unsere | |
| Regierung leider nicht“, kritisiert der Redakteur. Der ukrainische | |
| Postdienst „Ukrposhta“ sei unterbesetzt, schlecht organisiert und in | |
| ländlichen Gebieten nicht mehr funktionsfähig. | |
| „Sie bringen die Zeitungen nicht mehr bis in die Häuser, obwohl die | |
| Menschen dafür zahlen.“ Doch nicht alle Leser aus den umliegenden Dörfern | |
| machen sich die Mühe, eine der Verkaufsstellen der Zeitung in der Stadt | |
| aufzusuchen. | |
| Erst am 10. November 2022 konnte Visti Snigurivschtschiny wieder eine | |
| Ausgabe drucken – mit Unterstützung der ukrainischen | |
| Journalistengewerkschaft und Stiftungen aus der Schweiz. | |
| Heute besteht das Redaktionsteam aus vier Mitarbeitenden. Die Auflage ist | |
| im Vergleich zu früher stark gesunken – aktuell etwa 1.540 Exemplare, von | |
| ursprünglich 2.500. Es ist schwer geworden, Anzeigenkunden zu finden. Der | |
| Einzelverkauf läuft über 15 Verkaufsstellen in der Stadt. Es ist ein | |
| ständiger Kampf, finanziell über Wasser zu bleiben. Die meisten Mitarbeiter | |
| verdienen zwischen 200 und 300 Euro im Monat – gerade genug zum Überleben. | |
| Doch aufgeben kommt nicht infrage. „Eine Zeitung im Ort zu haben, ist ein | |
| Zeichen von Stabilität“, erklärt der Redakteur, dem es wichtig ist, mit | |
| einer Printzeitung vor Ort präsent zu sein. „Gerade den Menschen in den | |
| umliegenden Dörfern, in denen oft der Strom und das Internet ausfallen und | |
| es wenig Informationen gibt, zeigen wir mit dem Verkauf der Zeitung in | |
| Snihuriwka: Die Ukraine ist wirklich zurück im Gebiet Snihuriwka.“ | |
| 20 Aug 2025 | |
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| Bernhard Clasen | |
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