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# taz.de -- Indigene in Brasilien: Der Kampf der Karipunas
> Mitten im Amazonas-Regenwald schützt das indigene Volk der Karipuna sein
> Territorium vor bewaffneten Holzfällern und Landräubern.
Bild: André Karipuna zeigt dem Besuch die Schneise der Verwüstung
PORTO VELHO taz | Rund 20 Häuser, eine Schule und eine Gesundheitsstation –
das ist Karipuna, ein kleines Dorf mitten im Regenwald im brasilianischen
Bundesstaat Rondônia. Einige der Behausungen bestehen aus Ziegeln und
Zement, andere sind aus Holz und Stroh gebaut. Hier lebt das [1][indigene
Volk der Karipuna], das vor einer existenziellen Herausforderung steht:
Sein Territorium wird von Landräubern, illegalen Holzfällern und
Großproduzenten von Soja und Rindern bedroht.
[2][„Sie fällen die Bäume, transportieren das Holz ab, brennen das Gelände
nieder] – und am Ende verkaufen sie das Grundstück“, berichtet André
Karipuna, einer der Anführer der Gemeinschaft. Besonders die Jahre unter
dem rechtsradikalen Präsidenten Bolsonaro seien ein Wendepunkt gewesen.
„Seine Hassreden haben die Eindringlinge ermutigt, alle möglichen
Verbrechen gegen uns zu begehen.“ Vor allem in der Trockenzeit, wenn die
Wege besser passierbar sind, nehmen die Übergriffe zu.
Dabei ist das Gebiet der Karipuna bereits seit 1997 von der staatlichen
Indigenenbehörde Funai als Schutzgebiet ausgewiesen – eigentlich
unantastbar. Doch in der Praxis bleibt der Schutz oft wirkungslos. Die
staatlichen Kontrollen waren lange Zeit spärlich, nicht zuletzt wegen der
abgelegenen Lage und der schieren Ausmaße des Territoriums, das größer ist
als die Megacity São Paulo.
Obwohl das Dorf nur 150 Kilometer von der Landeshauptstadt Porto Velho
entfernt liegt, sind die Straßen besonders während der Regenzeit, wenn
Schlamm und Schlaglöcher die Fahrt zur Herausforderung machen, schwer
befahrbar. Schneller und zuverlässiger ist das Boot, das in Amazonien
ohnehin das wichtigste Transportmittel ist.
## Todesdrohungen von bewaffneten Eindringlingen
André Karipuna ist regelmäßig mit seinem Motorboot, einem sogenannten
Voadeira, unterwegs. Auch an diesem Tag fährt er drei Stunden die Flüsse
Jacy-Paraná und Formoso hinauf. Unterwegs zeigt er Stellen, an denen Bäume
gefällt und illegale Unterkünfte errichtet wurden. „Wir schätzen, dass hier
mehr als 3.000 Bäume gefällt wurden – etwa 1.000 pro Jahr“, sagt er. Die
Eindringlinge seien bewaffnet und aggressiv. André selbst erhielt bereits
Drohbriefe und Todesdrohungen. Zwar sind rund 70 Prozent des Territoriums
noch intakter Regenwald mit großer Artenvielfalt, doch die übrigen 30
Prozent wurden bereits gerodet und besetzt.
Ein besonders dreister Fall: Die Eindringlinge errichteten eine Brücke über
den Rio Formoso, um das geschützte Gebiet direkt mit einer benachbarten
Farm zu verbinden. Von dort aus wurden die gestohlenen Baumstämme per
Lastwagen abtransportiert.
Die improvisierte Konstruktion aus Baumstämmen und Stahlseilen wurde im
Dezember 2022 bei einer gemeinsamen Aktion der Bundespolizei und
Bundesstaatsanwaltschaft gesprengt. „In der Trockenzeit arbeiteten sie hier
Tag und Nacht, ohne Pause“, erinnert sich Karipuna. Doch der Einsatz der
Karipuna scheint Wirkung gezeigt zu haben: Nach zahlreichen Anzeigen und
Beweislieferungen ist die Polizei mittlerweile aktiver geworden.
Seit 2022 steht Brasilien unter der Führung des sozialdemokratischen
Präsidenten Luiz Inácio „Lula“ da Silva. Nach Jahren der systematischen
Zerstörung unter Bolsonaro [3][hat Lula die Umweltbehörden wieder
gestärkt]. Es gibt wieder mehr Kontrollaktionen, und die Zahl der
Eindringlinge scheint zurückzugehen. „Es wirkt, als hätten sie jetzt
Angst“, sagt Karipuna, der ein knallblaues T-Shirt, Jeans und Basecap
trägt.
## Solaranlagen statt Benzingenerator
Trotz der Abgeschiedenheit leben die Karipuna inzwischen in vielen
Bereichen ähnlich wie Stadtbewohner*innen. Alltagskleidung ist die Regel,
traditionelle Trachten wie Kopfschmuck und Körperbemalung bleiben Festtagen
vorbehalten. Wie viele Indigene im Norden des Landes bauen sie Getreide an,
fischen und jagen zur Selbstversorgung. Überschüsse verkaufen sie –
darunter Paranüsse oder Maniokmehl.
Ein kleiner Fortschritt kam vor vier Jahren aus Deutschland: Die deutsche
Botschaft finanzierte zwei Solaranlagen für das Dorf im Wert von
umgerechnet rund 30.000 Euro. Sie ersetzen einen alten Benzingenerator und
liefern heute die einzige konstante Stromquelle des Ortes. Dank dieser
Energieversorgung können die Karipuna nun auch das Internet nutzen und
Satellitenfernsehen empfangen. Ein kleiner Luxus inmitten der Isolation des
Regenwaldes.
Ende Juli meldet sich André Karipuna per WhatsApp. Die Lage sei erneut
„sehr angespannt“. Holzfäller wurden im Gebiet gesichtet, Bäume erneut
gefällt. Eine Luftaufnahme zeigt eine neu errichtete illegale Hütte mitten
im Schutzgebiet. Karipuna will weiter kämpfen – auch wenn er sagt:
„Schlafen zu gehen, ohne zu wissen, was die Zukunft bringt, ist nicht
leicht.“
Felipe Corona ist freier Journalist, u.a. für die [4][Folha de São Paulo] .
Er lebt in Porto Velho, der Landeshauptstadt des Amazonas-Bundesstaates
Rondônia.
Übersetzt aus dem Portugiesischen von Niklas Franzen
28 Jul 2025
## LINKS
[1] https://pib.socioambiental.org/en/Povo:Karipuna_de_Rond%C3%B4nia
[2] https://agenciabrasil.ebc.com.br/direitos-humanos/noticia/2023-05/com-popul…
[3] /Bedrohter-Regenwald-in-Brasilien/!5939443
[4] https://www.folha.uol.com.br/
## AUTOREN
Felipe Corona
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