# taz.de -- 100 Tage Merz-Regierung: Kein Rezept gegen rechts | |
> Das Versprechen von Schwarz-Rot war, unaufgeregt zu regieren und ein | |
> Schutzschirm gegen die AfD zu sein. Bisher ist beides misslungen. | |
Bild: Pendelt sich da noch was ein? Kanzler Friedrich Merz (CDU), nachdenklich | |
Die Welt ist aus den Fugen. Nach Corona kam der Ukrainekrieg, danach | |
Inflation und drei Jahre Rezession. Das Versprechen der Merz-Regierung, die | |
nun 100 Tage amtiert, ist es, diese Krisen handhabbar zu machen und eine | |
Art bundesdeutsche Normalität wiederherzustellen. Das war die Botschaft von | |
Friedrich Merz’ forscher Ansage, dass die Deutschen schon [1][im Sommer die | |
segensreichen Wirkungen seiner Regierung bemerken würden]. | |
Dabei hat Schwarz-Rot in der Tat ein ziemliches Tempo vorgelegt. Die | |
lähmende Schuldenbremse wurde weitgehend gelöst. Der Staat investiert in | |
Verteidigung und Infrastruktur. Merz steht für die kulturkonservative | |
Reinszenierung der Republik ohne Gendersternchen und refugees welcome. | |
CSU-Innenminister Alexander Dobrindt setzt auf eine Abschottungspolitik bis | |
über die Grenzen des Legalen hinaus. Die SPD spielt etwas verhuscht die | |
Rolle als Wächter des Sozialen und des Garanten, dass das konservative | |
Rollback im bundesdeutschen Normalmaß bleibt. Eine selbstgewählte | |
Überschrift für Schwarz-Rot nach 100 Tagen wäre: Sicherheit. | |
Raison d’être von Schwarz-Rot ist (oder muss man sagen: war?) das | |
Versprechen, professionell und unaufgeregt zu regieren. Da ist die Bilanz | |
eher ernüchternd. Der Kanzler und seine Vertrauten Jens Spahn, Carsten | |
Linnemann und Thorsten Frei verfügen über wenig Regierungserfahrung. Das | |
Versagen des Kanzleramts bei der Stromsteuer, Merz’ erratisch wirkende | |
außenpolitischen Schwenks und Spahns dröhnende Unfähigkeit [2][beim Eklat | |
um die gescheiterte Kandidatur von Frauke Brosius-Gersdorf] für das Amt der | |
Verfassungsrichterin waren trotzdem verblüffend. | |
Das mag Lehrgeld gewesen sein. Regieren ist ja auch ein Handwerk. Schwerer | |
wiegt, dass ein zentraler Grund für Schwarz-Rot bröckelt – [3][nämlich ein | |
Schutzschirm gegen rechts zu sein]. Der Fall Brosius-Gersdorf hat gezeigt, | |
wie hilflos die Union auf Angriffe von rechts reagiert. Die AfD will die | |
Union mit Kulturkampf-Kampagnen spalten. Bei Merz und Frei ist diese Gefahr | |
noch gar nicht angekommen – von Gegenstrategien ganz zu schweigen. Die | |
einzige Idee ist bislang das Modell Dobrindt, also der Versuch, die AfD mit | |
harter Anti-Migrations-Politik auf ihrem eigenen Feld zu schlagen. Die SPD | |
feiert sich gern als Bastion des Antifaschismus. Aber solche moralbetonten | |
Selbstinszenierungen verdecken eher, dass die SPD kein Rezept gegen rechts | |
hat. | |
Ein schneller Zerfall von Schwarz-Rot ist unwahrscheinlich. Die | |
Alternativen sind zu abschreckend, das diszipliniert. In der alten | |
Bundesrepublik war die Mitte Hort des Pragmatischen, Effektiven, Sicheren. | |
Das ist vorbei. Die Mitte wackelt. | |
12 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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