| # taz.de -- Politik gegen queere Menschen in den USA: „Ich finde diese Besess… | |
| > Anwalt Chase Strangio versucht, Trumps Macht durch Unterlassungsklagen | |
| > einzudämmen. Sein Schwerpunkt: die Rechte von trans Menschen. | |
| Bild: Chase Strangio und seine Kolleg:innen vom ACLU Ende 2024 vor dem Supreme … | |
| taz: Chase Strangio, sind die USA unter Donald Trump noch ein Rechtsstaat? | |
| Chase Strangio: Einerseits ist diese Regierung offensichtlich nicht daran | |
| interessiert, Regeln einzuhalten. Sie setzt sich über verschiedenste Normen | |
| hinweg, mit dem ideologischen Ziel, die Macht der Milliardär:innen zu | |
| festigen. Zugleich folgt Trump vielen bestehenden Regeln. Wir haben | |
| beispielsweise Gesetze, die den Beamt:innen der [1][Abschiebebehörde ICE] | |
| enorme Befugnisse einräumen. Wenn wir uns für Rechtsstaatlichkeit | |
| einsetzen, sollten wir uns also bewusst sein, was das bedeutet. Der | |
| Rechtsstaat hat viele gewaltvolle und diskriminierende Elemente. | |
| taz: Trump bricht das Gesetz und nutzt es zugleich. Was ist sein | |
| übergeordnetes Ziel? | |
| Strangio: Ich sehe ihn nicht als eine Art König, der die anderen | |
| staatlichen Gewalten abschaffen will. Es ist fast noch tückischer: ein | |
| Theater der Demokratie. Wir sehen, dass unsere Institutionen ausgehöhlt | |
| werden. Trump kann allein durch Drohungen eine Menge Macht ausüben. Er | |
| droht Medien mit Strafverfolgung – die kapitulieren. Er entzieht | |
| Universitäten Gelder – die folgen seinen politischen Vorgaben. Wir bewegen | |
| uns in die Orbán-Putin-Richtung, wo die Systeme von „Checks and Balances“, | |
| also Machtkontrolle durch Gewaltenteilung, nicht abgeschafft sind, sondern | |
| immer mehr im Dienste der Staatschefs funktionieren. | |
| taz: Sie haben mal gesagt, dass Sie als Anwalt „Schadensbegrenzung“ | |
| betreiben, weil Sie glauben, dass sich auf juristischem Weg keine wirkliche | |
| Gerechtigkeit erlangen lasse. Wie meinen Sie das? | |
| Strangio: Ich bin nicht Rechtsanwalt geworden, weil ich an das bestehende | |
| Recht glaube, sondern weil ich mich als Teil von Bewegungen für einen | |
| gesellschaftlichen Wandel sehe. Schauen wir uns das Rechtssystem der USA | |
| an: ein System, das im Kern angelegt wurde, um die Sklavereiwirtschaft | |
| aufrechtzuerhalten und weißen Landbesitzer:innen den Reichtum zu sichern. | |
| Ich glaube nicht, dass wirkliche Freiheit in diesem System möglich ist. Ich | |
| sehe meine Rolle vor allem darin, so viel Distanz wie möglich zwischen der | |
| staatlichen Gewalt und den Communities zu schaffen, sodass die Menschen | |
| Raum haben, um Widerstand zu organisieren und eine wünschenswerte Welt zu | |
| schaffen. | |
| taz: Ich interpretiere das auch als Aufruf dazu, nicht passiv darauf zu | |
| hoffen, dass die Justiz alles wieder in Ordnung bringt. | |
| Strangio: Es ist ein Aufruf, die Erwartungen anzupassen. Gerichte haben in | |
| einer Demokratie eine wichtige Kontrollfunktion, aber das bedeutet eben | |
| nicht, dass sie uns retten. In den Jahren nach Donald Trumps erster | |
| Amtsübernahme gab es unter Liberalen eine deutliche Tendenz, auf die | |
| Gerichte zu starren, mit der Vorstellung, diese seien die Bastion der | |
| Demokratie. Ich habe den Eindruck, dass die Menschen daran heute weniger | |
| glauben, allerdings oft verbunden mit einem Gefühl der Verzweiflung. Die | |
| ist angebracht. Aber es braucht auch eine neue Vorstellung davon, wie | |
| Gerechtigkeit im Großen und Ganzen aussehen könnte. Wenn man in die | |
| Geschichte schaut, wurden soziale Bewegungen, die sich zu abhängig von der | |
| Justiz machten, oft stillgelegt. | |
| taz: Trump hat, seitdem er wieder im Amt ist, eine große Zahl von | |
| Präsidialverfügungen erlassen. Organisationen wie Ihre, die American Civil | |
| Liberties Union (ACLU), versuchen, mit Unterlassungsklagen vor | |
| Bezirksgerichten dagegenzuhalten. Mit welchem Erfolg? | |
| Strangio: Es funktioniert bis zu einem gewissen Grad. Wenn man sich nur die | |
| Fälle der ACLU gegen die Trump-Regierung ansieht, haben wir in 75 Prozent | |
| einstweilige Verfügungen von den Bezirksgerichten erreicht. Das setzt sich | |
| allerdings nicht immer sofort um, insbesondere wenn man es mit einer | |
| renitenten Regierung zu tun hat. Insgesamt aber haben die einstweiligen | |
| Verfügungen einen positiven Effekt. Schon als Motivation zur Opposition. | |
| taz: Das Oberste Gericht entschied Ende Juni im Fall [2][„Trump v. CASA“] �… | |
| in dem es um Trumps Abschaffung der automatischen Staatsbürgerschaft per | |
| Geburt ging – dass Bezirksgerichte derartige Präsidialverfügungen nicht per | |
| landesweiter Verfügung stoppen können. Was bedeutet das Urteil für den | |
| Widerstand? | |
| Strangio: Das Recht auf Staatsbürgerschaft per Geburt ist durch den | |
| vierzehnten Zusatzartikel der Verfassung gesichert. Insofern ist Trumps | |
| Verordnung gänzlich verfassungswidrig. Die Regierung weiß das natürlich und | |
| versucht alle möglichen Tricksereien. Sie behauptet, dass die | |
| Entscheidungen von Bezirksgerichten nur für diejenigen Leute gelten | |
| dürften, die geklagt haben, und nicht landesweit für alle Menschen. Dass | |
| der Supreme Court der Regierung jetzt recht gegeben hat, ist ein Angriff | |
| auf alle unteren Gerichte und deren Möglichkeiten, die Macht des | |
| Präsidenten zu kontrollieren. | |
| taz: Wir sind also in einem System gefangen, in dem die Bezirksgerichte nur | |
| sehr begrenzt eingreifen können und das Oberste Gericht meist auf Trumps | |
| Seite steht? | |
| Strangio: Ja, auf gewisse Weise stimmt das. In meiner Rolle als politischer | |
| Kommentator betone ich, wie zynisch, düster und falsch das alles ist. Wenn | |
| ich hingegen als Anwalt spreche, weise ich darauf hin, dass uns Wege | |
| bleiben. Zum Beispiel: Auch wenn der Supreme Court entscheidet, dass | |
| landesweite Unterlassungsverfügungen durch Bezirksgerichte nicht zulässig | |
| sind, können wir als ACLU immer noch im Namen eines Mitgliederverbands | |
| klagen. Das sind dann Hunderttausende Menschen, die Hilfe bekommen. Wir | |
| können auch für verschiedene Personen oder Gruppen eine Sammelklage | |
| einreichen. Wir versuchen alles herauszuholen, was unter den begrenzten | |
| Umständen möglich ist. | |
| taz: Sprechen wir über Ihren Fachbereich, die Rechte von trans Menschen. | |
| Wie würden Sie deren Situation beschreiben? | |
| Strangio: Wir erleben einen unfassbaren Backlash gegen Fortschritte für | |
| LGBT-Personen im Allgemeinen, trans Menschen sind davon besonders | |
| betroffen. Das drückt sich nicht nur in der Aushöhlung ihres rechtlichen | |
| Schutzes aus, sondern auch dadurch, dass trans Menschen im Diskurs zum | |
| Sündenbock gemacht werden – mit einer medialen Fixierung auf unsere | |
| Körper. Was wir in den USA beobachten, ähnelt dabei sehr stark dem, was | |
| wir auch in Europa sehen. Rechte Parteien und Regierungen haben sich | |
| regelrecht in das Thema verbohrt. Es geht darum, Männer und Frauen in ihre | |
| „richtigen“ Rollen zu zwingen, es geht um Kontrolle über die Bevölkerung. | |
| Und es sind nicht nur LGBT-Personen, die von diesem Backlash betroffen | |
| sind, sondern Migrant:innen, People of Color und alle, die irgendwie mit | |
| Gleichberechtigung und Inklusion zu tun haben. Es herrscht die Haltung vor, | |
| die Linke sei zu weit gegangen. | |
| taz: Der Autor Andrew Sullivan hat genau dieses Argument gerade in einem | |
| [3][Essay für die New York Times] vorgebracht. Sullivan, selbst | |
| homosexuell, ist der Meinung, dass die Schwulen- und Lesbenbewegung | |
| erfolgreich gewesen sei, weil sie sich auf Bürgerrechte wie die | |
| gleichgeschlechtliche Ehe konzentriert habe. Die LGBT-Bewegung hingegen | |
| scheitere an ihrer eigenen Radikalität, so Sullivan, indem sie etwa | |
| geschlechtsangleichende Behandlungen für Minderjährige fordere. Was | |
| halten Sie von dieser Argumentation? | |
| Strangio: Es ist eine ahistorische Erzählung, dass sich politischer Erfolg | |
| dadurch erzielen lässt, dass man einen Teil einer Community aufgibt. Die | |
| Idee – entweder aus Unwissenheit oder in böser Absicht – lautet, dass wir | |
| die Gleichstellung homosexueller Menschen bewahren, wenn wir aufhören | |
| würden, uns für trans Menschen einzusetzen. Aber das stimmt natürlich | |
| nicht. Die treibenden Kräfte gegen trans Menschen sind die gleichen, die | |
| auch „Obergefell“ [so der Name eines Supreme-Court-Urteils von 2015, das | |
| die gleichgeschlechtliche Ehe landesweit legalisierte, Anm. d. Red.] | |
| aufheben wollen. Sie wollen also auch Andrew Sullivans Gleichberechtigung | |
| untergraben. Die Ironie ist ja, dass ich mit meiner Arbeit genauso für | |
| Sullivans Rechte kämpfe wie für die Rechte von trans Kids. | |
| taz: Wie ist denn die Bewegung gegen trans Menschen historisch gewachsen? | |
| Strangio: Es handelt sich um eine globale Kampagne, die bereits seit | |
| Jahrzehnten läuft und Milliarden Dollar verschlungen hat. Vieles läuft nach | |
| den gleichen Mustern, mit denen homosexuelle Menschen bekämpft wurden. | |
| Etwa, in dem dafür gesorgt wurde, dass sie nicht an Regierungsposten kamen, | |
| vom Militärdienst ferngehalten wurden, keine Lehrer:innen werden | |
| durften, nicht an sportlichen Wettbewerben teilnehmen konnten, weil sie | |
| dann mit in der Umkleidekabine gesessen hätten. Nichts davon ist also | |
| wirklich neu. Es dreht sich heute wie damals um den vermeintlichen Schutz | |
| von Frauen und Kindern. Eine wichtige Rolle spielt hier die christliche | |
| Rechte, die ganz gezielt LGBT-Menschen dämonisiert. Sie glauben, dass wir | |
| eine Bedrohung für die Gesellschaft sind. | |
| taz: Wie erklären Sie sich diese Obsession? | |
| Strangio: In gewisser Weise ist es auch für mich unerklärlich. Ich finde | |
| diese Besessenheit wirklich obszön. Immer wieder Titelgeschichten. | |
| Unerbittliche Schlagzeilen. „Fox News“ beispielsweise hat innerhalb von | |
| vier Monaten rund 400 Beiträge über trans Sportler:innen ausgestrahlt, | |
| obwohl es davon in den USA nur sehr wenige gibt. | |
| taz: Von den 500.000 Athlet:innen im Hochschulsportverband NCAA sind | |
| gerade mal 10 trans. | |
| Strangio: Aber aufgrund des politischen und medialen Klimas glauben die | |
| Menschen, dass zwanzig Prozent der US-Bevölkerung trans seien. Das hat | |
| nichts mit der Realität zu tun. Es ist ein Spiel mit den Ängsten der | |
| Menschen in einer sich verändernden Welt, damit sie am Ende einen „strong | |
| man“ wählen. Jemanden, der die alte Ordnung wiederherstellt. Trans Menschen | |
| bringen das binäre Geschlechtersystem ins Wanken. Wenn starre Systeme | |
| destabilisiert werden, ist das immer eine Bedrohung für die Herrschaft. | |
| taz: Trump erklärte gleich [4][am Tag seiner Amtseinführung], dass die | |
| Regierung von nun an nur noch zwei Geschlechter anerkennen werde. Wie wird | |
| das umgesetzt? | |
| Strangio: Wir haben die Veränderungen sehr schnell auf behördlichen | |
| Dokumenten gesehen, zum Beispiel auf neu ausgestellten Ausweisen. Das löst | |
| natürlich Chaos und Ängste aus. Trumps Behauptung, dass es nur zwei | |
| Geschlechter gebe, verträgt sich weder mit biologischen Erkenntnissen noch | |
| mit den Gesetzen der zurückliegenden Jahrzehnte. In der Vergangenheit gab | |
| es zwar auch viele regressive Regeln, aber dass Menschen auf ihrem Ausweis | |
| das bei der Geburt zugeteilte Geschlecht vermerken müssen, das gab es lange | |
| nicht. Jetzt sind wir in einer Situation, in der Leute, denen niemand | |
| ansehen würde, dass sie trans sind, gezwungen sind, Ausweise herumzutragen, | |
| die offensichtlich nicht stimmig sind. Was wiederum dazu führt, dass ihnen | |
| Betrug vorgeworfen wird. | |
| taz: Was hat sich für trans Menschen seit Trumps Amtsantritt noch | |
| verändert? | |
| Strangio: Zunächst mal ist gleich geblieben, dass trans Menschen in | |
| republikanisch regierten Bundesstaaten keinen Zugang zu den ihnen | |
| entsprechenden Toiletten haben und es keine adäquate | |
| Gesundheitsversorgung für Unter-18-Jährige gibt. Ziel der Regierung ist | |
| es, diese Maßnahmen auch auf nationaler Ebene zu verankern. Was sich in | |
| den vergangenen Monaten verschlechtert hat, ist die Situation an den | |
| Universitäten. Immer mehr Einrichtungen geben der Regierung nach und | |
| schließen trans Sportler:innen aus. Gerade erst hat die University of | |
| Pennsylvania einer Athletin, [5][Lia Thomas], sogar ihre gewonnenen Titel | |
| aberkannt. Ein Kinderkrankenhaus in Los Angeles hat kürzlich sein Zentrum | |
| für Trans-Gesundheitsversorgung geschlossen. Auch der Ausschluss von trans | |
| Menschen aus dem Militär hat enorme Auswirkungen. Es gab zuletzt Tausende | |
| im aktiven Dienst. | |
| taz: Im Dezember haben Sie als erste trans Person in der Geschichte der USA | |
| einen Fall vor dem Supreme Court vertreten. Bevor wir über den Fall selbst | |
| sprechen – wie war diese Erfahrung? | |
| Strangio: Ich bewege mich in meiner Arbeit oft zwischen Räumen der | |
| Community und Räumen der Justiz, und das ist eine Herausforderung. Ähnlich | |
| wie bei berufstätigen Eltern, die das Gefühl haben, sowohl zu Hause als | |
| auch bei der Arbeit zu versagen. Und man muss natürlich immer auch Codes | |
| und Sprache wechseln. Aber egal wo, ich folge immer einem Fixstern, einem | |
| übergeordneten Ziel, und das ist der Kampf für meine Community. Das hat mir | |
| auch vor dem Obersten Gericht geholfen. Ich bin da nicht reingegangen mit | |
| der Hoffnung, dass der Vorsitzende Richter mich als trans Mensch | |
| respektiert – ich war einfach auf meine Aufgabe konzentriert. Und ich weiß | |
| mittlerweile auch, wie wichtig meine Anwesenheit für viele Menschen war. | |
| Repräsentation alleine ist zwar nicht der Horizont, aber es bedeutet etwas, | |
| wenn eine trans Person bei solchen Entscheidungen mit im Raum ist. | |
| taz: In dem verhandelten Fall ging es um ein Verbot | |
| geschlechtsangleichender Behandlungen für Minderjährige im Bundesstaat | |
| Tennessee. Sie haben argumentiert, dass dieses aus zwei Gründen | |
| verfassungswidrig sei: einmal, weil es gegen die Geschlechtergleichstellung | |
| verstoße, und auch, weil es Eltern das Recht nehme, medizinische | |
| Entscheidungen für ihre Kinder zu treffen. Der Oberste Gerichtshof war | |
| anderer Meinung. | |
| Strangio: Das Gericht hat sich nicht einmal mit unserem Argument für | |
| Elternrechte befasst. Es ging also einzig um den | |
| Gleichbehandlungsgrundsatz. Wenn du ein trans Mann bist, hast du keinen | |
| Zugang zu Hormonen. Wenn du ein cis Mann bist, dann kommst du an diese | |
| Hormone. Das Gericht musste schon sehr viel ignorieren, um hier keine | |
| Verletzung der Gleichberechtigung zu erkennen. | |
| taz: Was bedeutet das Urteil für den juristischen Kampf für Trans-Rechte? | |
| Strangio: Es schränkt unsere Klagemöglichkeiten ein, wenn es um die | |
| Gesundheitsversorgung für junge Menschen geht. In anderen Kontexten können | |
| wir weiter verfassungsrechtliche Ansprüche machen, einschließlich für die | |
| Gesundheitsversorgung von trans Erwachsenen. | |
| taz: Manche haben argumentiert, es sei riskant gewesen, diesen Fall vor den | |
| Obersten Gerichtshof zu bringen. | |
| Strangio: Keine Klage einzureichen, hieße aufzugeben. Und das ist keine | |
| Option. Wir können Gesetze wie jenes in Tennessee nicht einfach ohne | |
| Widerspruch hinnehmen. | |
| taz: Die ACLU kämpft zurzeit an verschiedenen Fronten, um die Repressionen | |
| der Regierung gegenüber trans Menschen zu verhindern. Wie steht es um die | |
| anderen Fälle? | |
| Strangio: Wir klagen in drei Fällen, die speziell Trans-Rechte betreffen. | |
| In einem geht es um die Regierungsentscheidung, dass trans Menschen einen | |
| Ausweis mit ihrem Geburtsgeschlecht haben müssen. Das Bezirksgericht hat | |
| uns recht gegeben, weshalb zumindest theoretisch alle trans Menschen | |
| vorläufig noch einen Ausweis mit ihrem richtigen Geschlechtseintrag | |
| erhalten sollten. In einem anderen Rechtsstreit geht es um den Zugang zu | |
| Gesundheitsversorgung für trans Personen in Gefängnissen. Auch hier haben | |
| wir über eine Sammelklage von einem Bezirksgericht recht bekommen. In einem | |
| weiteren Fall haben wir erreicht, dass die Regierung Krankenhäuser nicht | |
| dazu zwingen darf, trans Menschen unter 19 Jahren von der Versorgung mit | |
| entsprechenden Medikamenten abzuschneiden. Das allerdings ist eine | |
| landesweite Verfügung, wir müssen also abwarten, wie es nach dem | |
| einschneidenden CASA-Urteil des Supreme Court weitergeht. | |
| taz: Wie verhält sich eigentlich die Demokratische Partei zu diesen | |
| Fragen? | |
| Strangio: Die Prioritäten dieser Partei wurden zuletzt mal wieder deutlich, | |
| als das republikanische Haushaltsgesetz im Kongress verhandelt wurde – und | |
| manche demokratische Abgeordnete derweil nichts Besseres zu tun hatten, als | |
| [6][Zohran Mamdani], New Yorks neuen linken Bürgermeisterkandidaten, | |
| anzugreifen. Die Partei landet immer wieder an dem Punkt, bestimmte | |
| Bevölkerungsgruppen zu verraten. Nach der Wahl 2024 dauerte es nicht lang, | |
| bis die Erzählung verbreitet wurde, dass der Einsatz für Trans-Rechte ein | |
| Grund dafür gewesen sei, dass die Wahl verloren wurde. Das ist empirisch | |
| komplett falsch. Unterm Strich betrachte ich das Ganze überparteilich: Wir | |
| brauchen eine Massenbewegung, eine Mobilisierung gegen die Politik des | |
| Establishments. | |
| taz: Weil Sie die Masse ansprechen: Wo steht die US-Bevölkerung beim Thema | |
| Trans-Rechte? | |
| Strangio: Wenn man der Bevölkerung eintrichtert, dass eine Gruppe von | |
| Menschen viel mehr Macht hat als der Rest, dann macht sich das irgendwann | |
| bemerkbar. Ich bin jüdisch und habe als Heranwachsender viel über die | |
| Geschichte der Unterdrückung des jüdischen Volkes gelernt. Aus einer linken | |
| Perspektive. Und trotzdem glaubte sogar ich selbst dem überzeichneten | |
| Bild, wonach der jüdische Einfluss auf die USA sehr groß sei. | |
| Verschwörungserzählungen über Minderheiten bringen uns in jedem Fall an | |
| dunkle Orte. Wir sollten also aufpassen, wenn es beispielsweise heißt, dass | |
| die American Academy of Pediatrics, die größte US-Vereinigung von | |
| Kinderärzt:innen, von trans Aktivist:innen kontrolliert werde. | |
| taz: Sie haben mal in einem Interview gesagt, dass Sie durch Ihre | |
| geschlechtsangleichende Behandlung einen Frieden mit sich und der Welt | |
| gefunden hätten. Glauben Sie, dass zu viele Menschen die Bedeutung dieser | |
| Behandlungen schlichtweg nicht verstehen? Oder ist es ihnen egal? | |
| Strangio: Ich glaube, die meisten Menschen wissen erst mal gar nichts zu | |
| diesem Thema. Würde man die Gegner:innen fragen, was | |
| geschlechtsangleichende Behandlungen sind und warum genau sie verboten | |
| gehörten, könnten die allerwenigsten drei zusammenhänge Sätze von sich | |
| geben. Das ist ja nicht nur bei diesem Thema so. Leute lesen oft nur | |
| Schlagzeilen. Wir alle machen das ja manchmal so. Dazu werden sie mit | |
| Falschinformationen bombardiert, immer häufiger KI-produziert. Wir stehen | |
| also vor ungeheuren Herausforderungen, gegen dieses Klima anzukommen und | |
| andere, wahrhaftige Geschichten zu erzählen. | |
| taz: Und wie steht es um die Unterstützung für Trans-Rechte aus der | |
| Bevölkerung? | |
| Strangio: Ich finde, dass mehr Solidarität zwischen den Bewegungen nötig | |
| ist. Aber ich habe zugleich auch Hoffnung. Ich sehe jeden Tag Menschen, die | |
| unter desaströsen Bedingungen Außergewöhnliches vollbringen. Als es im | |
| Januar in Los Angeles brannte, taten sich Nachbar:innen zusammen. Das | |
| gleiche passierte in meiner Nachbarschaft in Queens, als 2020 die Pandemie | |
| ausbrach. Wenn ich an eine Sache glaube, dann an die Kraft der Menschen, | |
| füreinander zu sorgen. Und die Geschichte queerer Menschen ist genau diese | |
| Geschichte. Ich war kürzlich in Provincetown, einer Stadt in Massachusetts, | |
| die für ihre LGBT-Community bekannt ist. Dort erzählten mir die Leute, dass | |
| zu Beginn von Covid jeder gewusst habe, was zu tun sei, weil Provincetown | |
| noch über so viel Erfahrung aus jener Zeit verfügte, in der Menschen an | |
| Aids starben. So habe die Covid-Impfquote in Provincetown dann auch bei | |
| fast 100 Prozent gelegen. Was ich sagen will: Wir können auf unsere | |
| Geschichte des Überlebens und Kümmerns zurückgreifen. | |
| 2 Aug 2025 | |
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