# taz.de -- Transnationale Kriminalität: Onlinebetrug als Goldesel von Kambods… | |
> Die politische Elite ist Experten zufolge mit international agierenden | |
> Onlinebetrugszentren verflochten und geht deshalb nicht ernsthaft dagegen | |
> vor. | |
Bild: Festgenommene Mitarbeiter eines Betrugszentrums in Phnom Penh, wie sie am… | |
Chiang Mai taz | Kambodschas Regierung feiert sich dieser Tage selbst für | |
Razzien in den Onlinebetrugszentren des Landes. Bei landesweiten | |
Polizeieinsätzen wurden letzte Woche Tausende Mitarbeiter – darunter viele | |
Chinesen – dieser Betrugsfabriken festgenommen. | |
Chhay Sinarith vom kambodschanischen Komitee zur Bekämpfung von | |
Technologiebetrug und Yin Guohai gratulierten sich gegenseitig zu dem | |
Erfolg. Yin ist Vize-Generaldirektor von Chinas Kriminalpolizei und | |
versicherte im kambodschanischen Regierungssprachrohr [1][Freshnews], China | |
werde Kambodscha weiter bei der Bekämpfung des „Technologiebetrugs“ | |
unterstützen. | |
Beobachter bezweifeln jedoch die Ernsthaftigkeit der Razzien, die auf | |
keines der großen Betrugszentren zielten. Sie seien ein Ablenkungsmanöver | |
vom „Goldesel“ der regierenden Volkspartei“ (CPP), schrieb Jacob Sims, | |
Experte für transnationale Kriminalität und Menschenrechte in Südostasien | |
der US-Universität Harvard, auf der Plattform X. | |
Mittels der Betrugsfabriken bringen kriminelle Banden Menschen in China, | |
Thailand und zunehmend über Asien hinaus durch Onlineglücksspiel, | |
Investitionen in Krypto-Währungen auf Fake-Plattformen oder „Liebesbetrug“ | |
auf Datingseiten um ihr Geld. | |
## Gutgläubige Arbeitssuchende werden in eine Falle gelockt | |
Arbeitssuchende werden mit dem Versprechen guter Jobs in Arbeitslagern | |
versklavt und unter Gewaltandrohung zum Onlinebetrug gezwungen. Bei Razzien | |
festgenommene Mitarbeiter sind Opfer und Täter zugleich, während | |
Bandenführer Protektion genießen. | |
Amnesty International zählte [2][in einem Bericht vom Juni] 53 | |
Betrugszentren meist in Grenznähe mit der Hafenstadt Sihanoukville als | |
Epizentrum. | |
Kambodschas Onlinebetrugsmafia geriet zuletzt durch zwei Ereignisse in die | |
Schlagzeilen. Thailands damalige Premierministerin Paetongtarn Shinawatra | |
beschuldigte Kambodscha, Standort der vermutlich weltweit größten | |
Betrugszentren zu sein. | |
Damit wollte sie in letzter Minute ihre [3][Suspendierung durch Thailands | |
Verfassungsgericht] abwenden. Der 38-Jährigen war ein [4][durchgestochenes | |
Telefonat mit Kambodschas starkem Mann Hun Sen] über einen Grenzkonflikt | |
zum Verhängnis geworden, in dem sie sich abfällig über Thailands Militär | |
geäußert hatte. | |
## Betrugsfabriken als profitabler Wirtschaftssektor | |
Problematischer war für Kambodscha im Mai [5][ein Bericht von Sims] über | |
das Ausmaß der von Kriminellen mit Verbindungen zur chinesischen wie | |
kambodschanischen Führung betriebenen Betrugszentren. Dies habe sich laut | |
Sims seit 2015 in Kambodscha zu einem sehr profitablen Wirtschaftssektor | |
entwickelt. | |
„Offizielle Schätzungen reichen von 12,5 bis 19 Milliarden US-Dollar pro | |
Jahr, was bis zu 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht und die | |
Bekleidungs- und Textilindustrie als den größten formellen Sektor des | |
Landes deutlich übertrifft“, schrieb Sims. Diese „Elitekriminalität“ sei | |
„in der DNA“ der regierenden Volkspartei und „Betrug nur die neueste und | |
profitabelste Variante“. | |
Thailand spielt auch selbst als Standort einiger Betrugszentren, vor allem | |
aber als Transitland für Menschenhändler und sicherer Hafen für Bosse der | |
Branche eine Rolle. Spätestens seit der Entführung eines chinesischen | |
Schauspielers in Thailand Anfang 2025 zur Zwangsarbeit in einem | |
Betrugszentrum in Myanmar drängt China Bangkok zur Bekämpfung des | |
Onlinebetrugs. | |
Sims ist aber auch überzeugt, dass Peking die südostasiatischen Länder | |
nötigt, unter dem Vorwand der Kriminalitätsbekämpfung die chinesische | |
„Global Security Initiative“ zu akzeptieren. So etabliere China Filialen | |
seiner Sicherheitsorgane in diesen Ländern und schaffe einen Apparat gegen | |
Chinakritiker im Ausland. | |
## Auch Thailands Führung blieb lange untätig | |
Mitte Juli erließ Thailand Haftbefehl gegen den sino-kambodschanischen | |
Geschäftsmann und Senator Kok An wegen Verdacht des Onlinebetrugs und bat | |
Interpol um Fahndungshilfe. Der 71-Jährige gilt als einer der zehn | |
reichsten Kambodschaner und enger Vertrauter Hun Sens. | |
Thailands mächtiger Senat forderte zudem von der Regierung mehr | |
„politischen Willen“ im Kampf gegen die Betrugsmafia. Thais würden täglich | |
durch Onlinebetrug um umgerechnet 2,65 Millionen Euro erleichtert, so | |
Senator Nophadol In-na gegenüber Medien. | |
Matthew Wheeler von der International Crisis Group sieht den plötzlichen | |
thailändischen Aktionismus skeptisch. Bangkok habe zwar bereits vor | |
Ausbruch des Grenzkonflikts mit Kambodscha auf Druck Chinas Maßnahmen gegen | |
Betrugszentren ergriffen, so der Experte zur taz. Doch erst nach | |
Paetongtarns durchgestochendem Telefonat mit Hun Sen habe Bangkok versucht, | |
die internationale Aufmerksamkeit auf Kambodschas Betrugszentren und seine | |
Komplizenschaft damit zu lenken. | |
23 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://en.freshnewsasia.com/index.php/en/localnews/62143-2025-07-20-13-44-… | |
[2] https://www.amnesty.org/en/documents/asa23/9447/2025/en/ | |
[3] /Krise-und-Chaos-in-Thailand/!6094693 | |
[4] /Umstrittener-Grenzverlauf/!6096442 | |
[5] https://www.humanity-consultancy.com/publications/policies-and-patterns-sta… | |
## AUTOREN | |
Robert Lenz | |
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