| # taz.de -- Moderne Sklaverei: In den Fängen der Cyber-Betrugsfabriken | |
| > Südkoreanische Männer werden von Verbrechersyndikaten nach Kambodscha | |
| > gelockt und zu Online-Betrügereien gezwungen. Wer sich weigert, wird | |
| > gefoltert. | |
| Bild: Aufnahme aus einer Cyberbetrugsfabrik in Kambodscha nach einer Razzia im … | |
| Seoul taz | Der leblose Körper von Park Min-ho wurde am Morgen des 8. | |
| August in einem schwarzen Auto an der Bucht des Kampong-Flusses im | |
| südlichen Kambodscha entdeckt. Der 22-jährige Koreaner starb an den Folgen | |
| eines Herzinfarktes, verursacht durch überbordende Schmerzen, ergab die | |
| amtliche Autopsie. Ein Zeuge, der Parks Folter mit ansehen musste, wird | |
| später nach seiner eigenen Rettung der koreanischen Presse sagen: „Er wurde | |
| so stark geschlagen, dass er selbst nach medizinischer Behandlung weder | |
| gehen noch atmen konnte“. | |
| Parks Schicksal ist kein Einzelfall, sondern Folge eines betrügerischen | |
| Systems: Der Südkoreaner wurde über eine vermeintliche Job-Annonce nach | |
| Kambodscha gelockt, dort von einem chinesischen Syndikat gefangen gehalten, | |
| seines Handys und Reisepasses beraubt und dann als Drogenkurier | |
| ausgebeutet. Als er sich weigerte, musste er dafür mit dem Leben bezahlen. | |
| Sogenannte Scam-Fabriken in Südostasien erinnern an moderne Sklaverei. Die | |
| Opfer leben in abgeriegelten Wohnanlagen, werden dort zu | |
| Telefonbetrügereien, Hacking-Angriffen oder sogenannten Love-Scams | |
| gezwungen. Dabei werden ahnungslose Nutzer von Dating-Apps kontaktiert und | |
| unter dem Deckmantel einer vorgespielten Romanze mittels Cryptowährungen | |
| finanziell ausgenommen. | |
| Allein zwischen Januar und August wurden bereits rund 330 mutmaßliche | |
| Entführungen von Südkoreanern in Kambodscha registriert, deutlich mehr als | |
| die Jahre zuvor. Das Ausmaß des Problems ist derart eskaliert, dass | |
| Südkoreas Präsident Lee Jae-myung es nun zur Chefsache erhoben hat. Bei | |
| einer Kabinettssitzung am Dienstag forderte er, sämtliche koreanischen | |
| Opfer müssten „rasch“ zurück in ihre Heimat gebracht werden. | |
| ## Südkorea schickt Task Force nach Kambodscha | |
| Dafür soll nun eine Task Force aus Beamten der Nationalen Polizeibehörde | |
| sowie des Geheimdienstes sorgen, die am Mittwoch nach Kambodscha entsandt | |
| wurde. Für den Fall, dass die örtlichen Behörden nicht ausreichend | |
| kooperieren, fordern bereits etliche Abgeordnete der Regierungspartei sowie | |
| der Opposition, dass man über eine „militärische Rettungsaktion“ nachdenk… | |
| solle. Sprich: Südkorea könnte womöglich seine Armee nach Kambodscha | |
| schicken, um dort Scam-Fabriken lahmzulegen. | |
| Dass das Thema Südkoreas Bevölkerung stark emotionalisiert, hat vor allem | |
| mit den Berichten von Opfern zu tun, die den Weg zurück in die Freiheit | |
| geschafft haben. Sie erzählen von verheißungsvollen Job-Anzeigen als | |
| IT-Arbeiter in Kambodscha, denen eine kostenlose Unterkunft und ein | |
| kostenloser Hinflug versprochen wurde. | |
| Doch sobald die Koreaner in der Hauptstadt Phnom Penh landeten, wurden sie | |
| in Kleinbussen abgeführt und in abgeriegelten Wohnanlagen zu Betrugsmaschen | |
| verpflichtet. Wer sich weigerte, wurde mit Stahlrohren geschlagen und mit | |
| Elektroschocks gequält. Amnesty International hat [1][in einem aktuellen | |
| Bericht] mindestens 50 solcher Scam-Fabriken identifiziert, die | |
| Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. | |
| Einer der Drahtzieher dürfte der 38-jährige Chen Zhi sein. Ein gebürtiger | |
| Chinese, der in Kambodscha die sogenannte Prince Holding leitet. Doch der | |
| legale Anschein als Immobilienentwickler und Dienstleister ist nur Fassade. | |
| ## Betrugsimperium mit besten politischen Verbindungen | |
| Chens Vermögen basiert tatsächlich auf riesigen Betrügereien: Er hat nach | |
| Angaben von Ermittlern damit geprahlt, allein durch „love scams“ 30 | |
| Millionen Dollar einzunehmen – jeden Tag. Hunderte, möglicherweise tausend | |
| Leibeigene arbeiten für sein Betrugsimperium. Nach außen hin, auch auf der | |
| Online-Plattform X, inszeniert er sich hingegen als Geschäftsmann und | |
| spendabler Philanthrop. | |
| Nun haben die USA und Großbritannien Sanktionen gegen Chen Zhi verhängt. | |
| Seine Bitcoins im Wert von über 14 Milliarden Dollar wurden beschlagnahmt, | |
| ebenfalls 17 seiner Immobilien. Dass er nach wie vor auf freiem Fuß ist, | |
| hat ganz offensichtlich mit seiner scheinbar unantastbaren Macht zu tun: | |
| Chen Zhi unterhält beste politische Verbindungen in seiner Wahlheimat in | |
| Kambodscha, mutmaßlich auch zur aktuellen Regierung unter | |
| [2][Ministerpräsident Hun Manet] und wie zur vorherigen unter dessen Vater | |
| Hun Sen, der noch immer den Ton angibt. | |
| Kambodscha und dort vor allem die Region um [3][die Hafenstadt | |
| Sihanoukville] gilt als das [4][Epizentrum globaler Onlinebetrügereien] | |
| durch Cybersklaven. Andere Hotspots dieser Cyber-Verbrechensart sind | |
| [5][die Grenzstadt Myawaddy] in Myanmar sowie [6][die philippinische | |
| Hauptstadt Manila]. | |
| 16 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.amnesty.org/en/latest/news/2025/06/cambodia-government-allows-s… | |
| [2] /Kambodschas-neue-Familienregierung/!5955254 | |
| [3] /Casino-Kapitalismus-in-Kambodscha/!5921768 | |
| [4] /UN-Studie-zur-Onlinekriminalitaet/!5953246 | |
| [5] /Grenzregion-als-Paradies-fuer-Kriminelle/!5874979 | |
| [6] /Cyberbetrug-in-Philippinen/!5943959 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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