# taz.de -- Eröffnung der Bregenzer Festspiele 2025: Viel Nebel und eine singe… | |
> Am Mittwoch haben an der österreichischen Bodensee Seite die 79. | |
> Bregenzer Festspiele begonnen. Eröffnet wurden sie mit der selten | |
> gespielten Oper „Œdipe“. | |
Bild: Paul Gay (Œdipe), im Hintergrund: Marina Prudenskaya (Jocaste) auf der S… | |
Mit seinen Premieren zur Festspieleröffnung hat sich Bregenz das Recht der | |
ersten Nacht im sommerlichen Festspielreigen gesichert, noch vor Bayreuth | |
und Salzburg. In diesem Jahr ohne Überraschung auf der Seebühne. Dort gibt | |
es mit dem wintermärchenhaften „Freischütz“ von Philipp Stölzl aus dem | |
letzten Jahr wieder einen opulenten Spuk überm See. | |
Zur Eröffnung und wetterunabhängigen aktuellen Premiere von George Enescus | |
einziger Oper „Œdipe“ im Festspielhaus reiste auch der österreichische | |
Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit traditioneller Grundsatzrede | |
an. | |
Trotz dieser demonstrativen staatsmännischen Wertschätzung wird die neue | |
finnische Festspiel-Intendantin Lilli Paasikivi in den nächsten Jahren | |
[1][nicht nur wie alle ihre Vorgänger mit Wetterunsicherheiten der | |
Seebühnenvorstellungen], sondern auch mit angekündigten drastischen | |
finanziellen Einschnitten (in einer Größenordnung von etwa 30 Prozent) in | |
den Festspieletat zu planen, mehr noch zu kämpfen haben. | |
## Dezidiert pro-europäisch | |
Die Entscheidung für den großformatigen Enescu-Vierakter ist ein dezidiert | |
europäisches Statement, hat damit doch ein frankophiler Rumäne einen | |
zentralen Stoff aus der Frühzeit der europäischen Zivilisation zum | |
Gegenstand einer expressiven, von vielen Einflüssen inspirierten, aber doch | |
eigenständigen Tragédie Lyrique gemacht. | |
1936 in Paris uraufgeführt, ist „Œdipe“, trotz etlicher rühmlicher | |
Ausnahmen, ein eher seltener Gast auf den Opernbühnen. Also prädestiniert | |
für Festspiele. | |
Das Libretto von Edmond Fleg folgt den beiden Ödipus-Tragödien von | |
Sophokles. Im Mittelpunkt steht ein Königssohn, der einem schicksalhaften | |
Orakelspruch nicht entkommt. Unwissentlich bringt er seinen Vater Laïos um | |
und heiratet seine Mutter Jocaste. Als ihm das bewusst wird, blendet er | |
sich selbst. Schlimmer geht es kaum. Alles, was gegen die vorhergesagte | |
Katastrophe unternommen wird, führt sie desto sicherer herbei. | |
## Selbstbestimmtes Handeln als Utopie | |
Selbstbestimmtes Handeln des Menschen auf der Basis von Wissen wird so zu | |
einer Utopie. Dass in dem Schuldlos-schuldig-Werden unwissentlich der | |
Abgrund Mensch lauert, machte den antiken Helden Ödipus nicht zufällig zu | |
einem Namensgeber in der Psychoanalyse. | |
Und die Oper zu einer Herausforderung für Regisseure, die Wucht des Stoffes | |
und von Enescus Musik auch szenisch nachfühlbar zu machen. Dem wichen | |
Andreas Kriegenburg (Regie), Harald B. Thor (Bühne) und Tanja Hofmann | |
(Kostüme) jedoch bei ihrer Inszenierung eher aus, als dass sie sich ihr | |
stellten. | |
Mit einem Trick ordneten sie die Akte in einer Meta-Ebene dem Feuer, dem | |
Wasser, der Asche und dann dem Holz zu. Was diesen eingeblendeten | |
Behauptungen dann aber folgte, war kaum mehr als Illustration für eine | |
erstaunlich wenig ambitionierte Personenregie, die sich darauf | |
konzentrierte, den (machtvoll singenden und sich als Hauptakteur | |
bewährenden) Chor kollektiv zu bewegen oder als Tableau zu formieren. | |
## Peinliche Lockerheit | |
Das wirkt im ersten Akt, bei dem die Geburt des Königssohnes um loderndes | |
Freudenfeuer tanzend bejubelt wird, mit seinem Hang zur Volkstanzparodie | |
besonders albern, kommt aber auch in der Folge oft nicht über peinlich | |
gespielte Lockerheit hinaus. Auch die vier Bühnenbilder, die die | |
Stichworte, die ihnen zugeordnet sind, illustrieren, packen für sich | |
genommen nicht wirklich. | |
Eine Feuerschale, die umtanzt wird. Viel Nebel und eine Sphinx mit | |
gewaltiger Flügelspanne samt der ihr zugeordneten effektvoll singenden | |
Säge. Grauer Ascheregen und schwarz verpackte Pestopfer. Auch eine Wand von | |
freundlich beleuchteten Baumstämmen für das versöhnlich Ende im heiligen | |
Hain in der Nähe von Athen sind per se kein Ersatz für die beschworene | |
archaische Wucht dieser Geschichte. | |
Für die sorgen dann doch in erster Linie der finnische Dirigent Hannu Lintu | |
und die Wiener Symphoniker im Graben, im Bündnis mit dem Prager | |
Philharmonischen Chor, der hier zu einem der vokalen Hauptakteure | |
avanciert. Sie bringen die pathetisch geladene, mit spätromantischer Pranke | |
daherkommende Musik in all ihrer Pracht zum Leuchten und so auch das | |
Archaische des Stoffes zum Vorschein. Das beeindruckt. | |
Bei den Protagonisten sind es vor allem der konditionsstarke Paul Gay in | |
der Titelpartie, Marina Prudenskaya als Jocaste und Tuomas Pursio als deren | |
Bruder Créon. Am Ende: einheitlicher Beifall für eine verdienstvolle | |
Programmauswahl und deren Interpreten. | |
17 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Joachim Lange | |
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