| # taz.de -- Archiv für die Musik Osteuropas: Rettung nach dem Zusammenbruch | |
| > In Oldenburg werden Partituren und Aufnahmen von KomponistInnen aus | |
| > Rumänien, Polen, der Sowjetunion gesammelt. Archivgründerin war Violeta | |
| > Dinescu. | |
| Bild: Spannende Korrespondenz: Auch Briefe der im März 2025 verstorbenen Kompo… | |
| Hamburg taz | Angefangen hat es mit den Autofahrten. Den Reisen der seit | |
| 1982 in Deutschland lebenden Pianistin, Komponistin und Musikprofessorin | |
| Violeta Dinescu in ihre rumänische Heimat. Da hat sie massenhaft Noten und | |
| andere Tonträger geholt, insbesondere seit dem Zusammenbruch der | |
| sozialistischen [1][Ceaușescu-]Diktatur 1989. Sie wollte retten, was zu | |
| retten war. | |
| Denn erstens war unklar, wie es mit dem Land weitergehen, wie stark | |
| Sorgfalt und Interesse für aktuelle Musik noch sein würden. Zweitens | |
| existierte in Rumänien damals, anders als in Deutschland, kein | |
| Pflicht-Ablieferungssystem, in dessen Zuge ein Exemplar jeder Publikation | |
| an die Nationalbibliothek geht und dauerhaft dokumentiert ist. | |
| Noten und Kompositionen drohten in Rumänien so nach Erscheinen und Verkauf | |
| der ersten Auflage zu verschwinden und fürs kulturelle Gedächtnis verloren | |
| zu gehen. Das wollte Violeta Dinescu verhindern. Sie holte Partituren, | |
| Tonaufnahmen, Zeitschriften, Briefe und Konzertprogramme auch aus dem | |
| Archiv des rumänischen Komponistenverbandes und brachte sie außer Landes. | |
| Zusammengetragen und betreut werden sie seit 1996 – dem Antritt von | |
| Dinescus Professur an der Carl-von-Ossietzky-Uni Oldenburg – im dortigen | |
| Archiv für die Musik Osteuropas. Dinescu nutzte Status und Gelegenheit, um | |
| das Gesammelte professionell archivieren zu lassen. So entstand ein in | |
| Westeuropa einzigartiges Konvolut rumänischer Musik des 20. Jahrhunderts. | |
| ## Verklausulierte Briefe aus der Sowjetunion | |
| 1.500 Medien umfasst der Präsenzbestand des Archivs inzwischen, | |
| angereichert um musikwissenschaftliche Literatur. Seit Dinescus Ruhestand | |
| 2021 wird es betreut vom Fachreferenten Paul Tillmann Haas, der es im | |
| laufenden Betrieb und aus dem regulären Budget mit verwaltet. | |
| Fast alle veröffentlichten Werke des 1955 verstorbenen George Enescu finden | |
| sich dort in Partituren und Tonaufnahmen, dazu etliche Werke hierzulande | |
| unbekannterer KomponistInnen des 20. Jahrhunderts wie Anatol Vieru, Pascal | |
| Bentoiu, Stefan Niculescu, Tiberiu Olah, Myriam Marbe und Aurel Stroe. | |
| Dass es kein rein rumänisches Archiv geworden ist, liegt daran, dass später | |
| der Nachlass des 2008 verstorbenen Musikwissenschaftlers und Redakteurs | |
| Detlef Gojowy dazukam. Er hatte 1996 über die Musik der damaligen | |
| Sowjetunion promoviert, außerdem viel Material über polnische Musik | |
| gesammelt. | |
| Am spannendsten, sagt Fachreferent Haas, seien Schriftwechsel aus der | |
| Sowjetunion nach Deutschland und zurück, die sowjetischen in teils | |
| verklausulierter Sprache, um die Zensur zu unterlaufen. „Da finden sich | |
| Briefwechsel unter anderem mit [2][Edisson Denissow], [3][Sofia | |
| Gubaidulina], Mauricio Kagel, Krzysztof Meyer – also mit etlichen Größen | |
| des Musikbetriebs hinter dem damaligen Eisernen Vorhang“, sagt Haas. | |
| Dass diese Dokumente – wie etliches andere aus dem Archiv – mangels | |
| Personals noch nicht umfassend katalogisiert und für Forschende zugänglich | |
| sind, schmerzt ihn persönlich. Von Digitalisierung ganz zu schweigen, „aber | |
| hier gibt es auch urheberrechtliche Hürden, denn einige der VerfasserInnen | |
| leben noch, andere sind noch nicht lange verstorben“, sagt Haas. | |
| Derweil bringt Violeta Dienscu, die auch Symposien und eine Schriftenreihe | |
| zu den Sammlungen osteuropäischer Musik weiterführt, immer mal wieder | |
| Material vorbei; ihre Sammelleidenschaft endete nicht mit dem Eintritt in | |
| den Ruhestand. | |
| Gern würde Haas die Bestände auch um unterrepräsentierte Regionen wie | |
| Tschechien, die Slowakei, die Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens erweitern. | |
| Gelegentlich kauft er auch Dinge an. Aber ein ganz Osteuropa | |
| gleichberechtigt abdeckendes Archiv herzustellen – „das ist nicht zu | |
| schaffen.“ | |
| 7 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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