| # taz.de -- Konflikt beim Kieler CSD: Polizei polarisiert Pride | |
| > In Kiel streitet man schon lange über die Teilnahme der | |
| > LSBTIQ*-Ansprechstelle der Polizei beim CSD. Nun ist der Konflikt am | |
| > Wochenende eskaliert. | |
| Bild: Umstrittener Auftritt: Polizist:in auf dem CSD | |
| Hamburg taz | Dürfen Polizist:innen [1][Teil des Christopher Street | |
| Days (CSD)] sein? Darüber streitet man in Kiel schon lange, am vergangenen | |
| Samstag eskalierte der Konflikt beim CSD-Straßenfest. Nachdem | |
| Aktivist:innen der Queersolidaritygroup vor dem Stand der | |
| [2][LSBTIQ*-Ansprechstelle der Polizei Schleswig-Holstein] protestiert | |
| hatten, erteilten ihnen die Veranstalter:innen einen Platzverweis. | |
| Anschließend riefen sie die Polizei. | |
| Denkt man an [3][die Ursprünge des CSD], ist das allemal bemerkenswert: die | |
| Polizei schützt Polizist:innen, die sich gegen Queerfeindlichkeit einsetzen | |
| auf einer Veranstaltung, die an Polizeigewalt erinnert. Für die | |
| Aktivist:innen ist die Teilnahme der Polizei aber kein | |
| gesellschaftlicher Fortschritt, sondern pure Provokation: „Wir kritisieren, | |
| dass der CSD eine Werbebühne für die Polizei bietet“, sagt Lio Meyer von | |
| der Queersolidaritygroup. „Solange sie BIPoC oder migrantisierte Menschen | |
| verfolgt, ist das nicht okay.“ | |
| Fragt man Tim Jänke von der Ansprechstelle LSBTIQ* der Polizei | |
| Schleswig-Holstein, wie er zur der Kritik der Aktivist:innen steht, | |
| hört man vor allem eines: „Schade! Schade, dass wir mit unserem Engagement | |
| für die Community nicht alle abholen können.“ Die Beweggründe basieren | |
| häufig auf Negativbeispielen aus aller Welt oder aus längst vergangenen | |
| Tagen, sagt er. In Schleswig-Holstein sei eine Ansprechstelle mit zwölf | |
| Mitarbeitenden geschaffen worden, um von polizeilicher Seite gegen | |
| Queerfeindlichkeit vorzugehen: „Von der Community wird das Angebot wirklich | |
| gut angenommen und das Vertrauen in die Polizei steigt zunehmend.“ | |
| ## Schon 2022 gab es Protest | |
| Nach den Konflikten um den CSD-Stand habe es immer wieder | |
| Gesprächsangebote gegeben. Hiervon sei gerade in Kiel auch Gebrauch | |
| gemacht worden. Mit dem Ergebnis, dass die verschiedenen Positionen hier | |
| noch nicht zusammenpassen und dies vermutlich noch etwas Zeit brauche, so | |
| Jänke. Die diesjährige Teilnahme beim Straßenfest sei ein erster guter | |
| Schritt. | |
| Tatsächlich war der Stand der Ansprechstelle LSBTIQ* der Polizei schon im | |
| Vorfeld bei einigen Gruppierungen umstritten. 2022 war sie beim Kieler | |
| CSD-Straßenfest dabei. Und der Stand ist von Protestierenden blockiert | |
| worden, die sich davor versammelten und weitere Gespräche mit Teilnehmenden | |
| verhinderten. Mit dabei hatten sie Banner, auf denen unter dem Slogan „No | |
| Cops, no Corporations at Pride“ ein Polizeiauto mit der Aufschrift „ACAB“ | |
| brannte. 2023 war die Ansprechstelle daraufhin nur noch deutlich | |
| unauffälliger mit einem Auto beim Start und am Ende der Demo, 2024 hat sie | |
| die Teilnahme komplett abgesagt. | |
| In diesem Jahr gab es auf Einladung des CSD Kiel wieder einen Stand der | |
| Ansprechstelle beim Straßenfest. Seitens des Orgateams sei bereits im | |
| Vorwege fest zugesichert worden, den Stand genauso vor Störaktionen zu | |
| schützen wie die der anderen Institutionen und Vereine. | |
| ## Wort gegen Wort | |
| Wobei schon durch einen Hinweis im Netz klar war, dass dieser Stand eben | |
| keiner wie alle anderen war. Dort hatten die Veranstalter:innen mit | |
| Verweis auf die Ansprechstelle geschrieben: „Uns ist bewusst, dass | |
| [4][queere und BIPoC-Menschen immer wieder von Polizeigewalt betroffen | |
| sind] oder negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben. Genau | |
| deshalb möchten wir transparent darüber informieren, wo sich die | |
| Vernetzungsstelle der Polizei auf dem CSD befindet. So können Menschen, die | |
| sich an diesem Ort unwohl fühlen – sei es aus eigener Betroffenheit oder | |
| aus politischen Gründen – diesen bewusst umgehen“. | |
| Dass die Veranstalter:innen des CSD in diesem Jahr klarer hinter der | |
| Polizeiteilnahme stehen, ist Ergebnis eines längeren Prozesses. „Das war | |
| 2023 nicht so explizit“, sagt Carol Kleinke, Vorstandsmitglied beim | |
| [5][Kieler CSD e.V.] „Wir mussten lernen, wie wir mit persönlichen | |
| Angriffen umgehen.“ Denn die Kritiker:innen des Polizeistandes wären | |
| das Orgateam immer wieder angegangen. Ihnen sei vorgeworfen worden, | |
| „geschichtsvergessen“ zu sein, „unwürdig“, den CSD zu organisieren. | |
| Hier steht, wie in vielem bei diesem Konflikt, Wort gegen Wort. Lio Meyer | |
| von der Aktivist:innengruppe sagt, dass sie diese Zitate zum ersten | |
| Mal höre. Gerade durch das Erscheinen am Stand habe man versucht, die | |
| Diskussion konstruktiv zu führen. „Wir haben ihn nicht gestürmt, sondern | |
| uns daneben gestellt.“ Laut Kleinke waren die Aktivist:innen mit einem | |
| Megafon so laut, dass die Rede auf der Bühne nicht mehr zu verstehen | |
| gewesen sei. „Das war super respektlos und unsolidarisch.“ Als dann eine | |
| Frau aus dem Orgateam das Gespräch mit der Gruppe gesucht habe, sei sie | |
| weggeschlagen worden. „Damit war es für uns vorbei.“ Lio Meyer sagt | |
| dagegen, dass das Megafon akustisch nur wenige Meter weit getragen habe und | |
| dass „eher wir körperlich angegriffen wurden“. | |
| ## CSD stellt sich hinter Polizei | |
| Der CSD Kiel stellt sich im Nachhinein noch einmal mit einer Erklärung auf | |
| seiner Internetseite an die Seite der Ansprechstelle. Über die heißt es: | |
| „Die LSBTIQ*-Ansprechpersonen der Polizei Schleswig-Holstein ist eine | |
| Stelle, bei der queere Menschen eine vertrauensvolle Anlaufstelle finden | |
| können, wenn sie Hass, Gewalt oder Straftaten erleben.“ Für die Mehrheit | |
| der Besuchenden sei der Stand ein Gewinn gewesen: „Gut besucht, die | |
| bereitgestellten Materialien waren vollständig vergriffen, und viele | |
| Besucher:innen haben uns gegenüber positiv rückgemeldet, dass sie den | |
| direkten Kontakt zu den Ansprechpersonen sehr geschätzt haben.“ | |
| Für die Protestierenden ist all das kein Argument. Eine Polizei, die | |
| gegenüber weißen, queeren Menschen respektvoll sei, nicht aber gegenüber | |
| anderen Minderheiten, ist für sie kein Gegenüber. Fragt man, was der | |
| nächste Schritt sein könnte, um eines zu werden, sagt Lio Meyer: „Das | |
| könnte ich nicht formulieren.“ | |
| 15 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Berliner-CSD-Vorstand-zu-Sicherheitslage/!6094856 | |
| [2] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/… | |
| [3] /Christopher-Street-Day/!5688013 | |
| [4] /Massnahmen-gegen-Queerfeindlichkeit-/!6095777 | |
| [5] https://csd-kiel.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Friederike Gräff | |
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