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# taz.de -- Demo gegen Abschiebehaft in Arnstadt: „Wie sollen Menschen das au…
> Erst in den Knast, dann in den Flieger: Thüringen richtet eine
> Haftanstalt für Abschiebungen ein. Doch gegen die Pläne regt sich
> Protest.
Bild: Abschreckend: Der nigelnagelneue Abschiebeknast in Arnstadt, Thüringen
Leipzig taz | Im Nordosten von Arnstadt stehen auf einem freien Feld helle
Mauern, die die dortige Justizvollzugsanstalt umgeben. In einem Teil des
Gefängnisses soll Ende des Monats Thüringens eigene
Abschiebehafteinrichtung entstehen. Dass diese kommt, hatten CDU, BSW und
SPD vergangenen November in ihrem Koalitionsvertrag versprochen. Doch am
Samstag ist dagegen eine Demonstration angemeldet. [1][Sie soll nicht nur
die Abschiebehaft infrage stellen], sondern auch motivieren, Inhaftierte zu
unterstützen.
Zum Orgateam der Demo gehören Mara Brand vom Bündnis Seebrücke und Yusuf
Hassan. Sie kritisieren, das Abschiebegefängnis behandle Schutzsuchende so,
als hätten sie Straftaten begangen. „Aber ob man in diesem
Abschiebegefängnis landet, hängt ja nicht davon ab, ob man kriminell ist“,
sagt Hassan. In Thüringen verschiebe sich der Diskurs gegen Geflüchtete
insgesamt. „Der Abschiebeknast ist ja keine isolierte Maßnahme. Dazu kommt
die Einführung des sogenannten Sicherheitspakets oder die Bezahlkarte in
allen Landkreisen“, sagt Brand.
Die beiden heißen eigentlich anders, aber wollen ihre Namen nicht
veröffentlichen, um „nicht in den Fokus zu geraten“. Wessen Fokus? Den der
Behörden, erklärt Brand. „Die Kriminalisierung linker Bewegungen nimmt zu.�…
Und Hassan ergänzt, er habe Sorge vor rassistischer Diskriminierung.
„Lieber wäre mir, ich könnte ganz offen reden“, schiebt er noch hinterher.
Yusuf Hassan kam im Oktober 2015 als Geflüchteter nach Thüringen. In der
kleinen Stadt Ohrdruf habe ihn vor allem eins geprägt: [2][Ungewissheit.
Die tägliche Sorge, ob Deutschland seinen Asylantrag anerkenne oder nich]t,
das sei quälend und nervenaufreibend gewesen. „Wenn das für mich schon
schlimm war, wie muss es dann erst den Menschen gehen, die mit ihrem
Abschiebebescheid im Knast sitzen? Wie soll ein Mensch das aushalten“,
fragt er.
## Trennungsgebot bei Abschiebegefängnissen
Laut dem Bundesinnenministerium stehen derzeit 790 Abschiebehaftplätze in
Deutschland zur Verfügung. Ausreisepflichtige Menschen können auf
richterliche Anordnung inhaftiert werden, damit sie sich nicht der
Abschiebung entziehen können. Wie viel Menschen [3][vergangenes Jahr hinter
Gittern auf ihre Abschiebung warten mussten], könne das Ministerium nicht
beantworten – das sei Ländersache.
Allerdings ergab letztes Jahr eine Abfrage der Nachrichtenagentur epd bei
den Bundesländern, dass im Schnitt ein Großteil der Zellen leer bleibe.
Demnach waren in Hessen im ersten Halbjahr 2024 durchschnittlich knapp 37
von 80 Plätzen belegt, in Baden-Württemberg rund 33 von 51, in
Nordrhein-Westfalen 84 von 175 Plätzen, in Rheinland-Pfalz 26 von 40.
Thüringen hatte seit 2014 keine eigenen Abschiebehaftplätze, sondern
kooperierte dafür mit Rheinland-Pfalz. Dass nun Ende Juni wieder zehn neue
Haftplätze entstehen, dafür ist auch Thüringens Justiz- und
Migrationsministerin Beate Meißner (CDU) verantwortlich. Zu Begründung
dafür verweist Meißner auf eine Umfrage bei den Thüringer Kommunen, laut
der es Bedarf für 200 Unterbringungen in Abschiebehaft pro Jahr gebe.
Perspektivisch sollen die zehn Plätze in Arnstadt auf bis zu 37 ausgebaut
werden. Wie viel das kostet, lasse sich aktuell noch nicht genau sagen,
heißt es aus dem Ministerium. Für Meißner sei die Abschiebehaft ein
wichtiger Bestandteil des Plans der Regierung in Thüringen, bei dem sie das
Trennungsgebot achten wolle.
Weil es sich bei der Abschiebehaft um keine Strafhaft handelt – also die
Insassen keine verurteilten Straftäter:innen sind – müssen
Abschiebegefängnisse von regulären Vollzugsanstalten getrennt sein, so
sieht es die europäische Rückführungsrichtlinie vor. Abschiebegefängnisse
müssen sich „[4][in der Ausgestaltung davon unterscheiden, wie
Strafgefangene inhaftiert sind]“, heißt es etwa in einem [5][Urteil des
Europäischen Gerichtshof (EuGH)] von 2022 dazu.
Um diesen Vorgaben in Thüringen gerecht zu werden, richtet das Ministerium
die Abschiebehaft im Gebäude des bisherigen Jugendarrests ein. Das sei
„baulich und räumlich von der Justizvollzugsanstalt Arnstadt abgetrennt“,
erklärt das Ministerium auf Anfrage der taz. Der Jugendarrest weicht
wiederum auf ein leerstehendes Gebäude der JVA aus. Außerdem, erklärt das
Ministerium, sollen sich die Haftbedingungen von denen des regulären
Justizvollzugs unterscheiden. Es seien etwa „großzügigere
Besuchsregelungen, Aufschlusszeiten, etc.“ geplant.
Frank Gockel vom Bundesfachverband zur Unterstützung von Menschen in
Abschiebehaft (BUMAH) bezweifelt allerdings, dass ein abgegrenztes Gebäude
reicht, um dem Trennungsgebot nachzukommen. Er verweist auf einen Beschluss
des [6][Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Juli 2014]: Demnach sei die
Unterbringung „in einem besonderen Gebäude auf dem Gelände einer
gewöhnlichen Haftanstalt keine Unterbringung in einer speziellen
Hafteinrichtung“. Die Haftanstalt wäre demnach unrechtmäßig.
Allerdings: Bis der BGH darüber entscheidet, wie das rechtlich in Arnstadt
so ist, dürften Jahre vergehen, vermutet Gockel. Der Klageweg ist lang.
## Unterstützung in der Abschiebehaft
Gockel engagiert sich seit mehr als 30 Jahren für Menschen in
Abschiebehaft. Es gebe viele Möglichkeiten, um Inhaftierte zu unterstützen,
erklärt er. „Bereits ein Gespräch kann für die Inhaftierten eine
willkommene Abwechslung darstellen und zur Stabilisierung beitragen.“
Zudem halte Gockel es für wichtig, wenn Besucher:innen „[7][Vorgänge in
Abschiebehaftanstalten sichtbar machen]“, um Einblick in den ansonsten
abgeschotteten Bereich zu ermöglichen. Dabei befürworte er, Menschen vor
Ort aktiv einzubinden.
Doch wie ist die Stimmung dazu in Arnstadt? Die Stadtverwaltung informiert
auf ihrer Website, für die Bürger:innen habe die neue Abschiebehaft auf
dem Gelände der JVA „keine spürbaren Auswirkungen“. Die „untergebrachten
Personen dürfen das gesicherte Gelände nicht verlassen“. Eine Formulierung,
die an die Kritik von Yusuf Hassan erinnert, dass Geflüchtete durch die
Abschiebehaft kriminalisiert werden.
Für die Demonstration am Samstag, berichtet Mara Brand, sei es nicht
einfach zu mobilisieren. Im ländlichen Raum gebe es kaum
Ansprechpartner:innen. Linker Aktivismus konzentriere sich in Thüringen vor
allem auf drei Städte: Erfurt, Jena, Weimar. Trotzdem appelliere sie an die
Zivilbevölkerung in Arnstadt, „die Schrecken des Abschiebegefängnisses
abzufedern“.
4 Jul 2025
## LINKS
[1] /Deutsche-Migrationspolitik/!6062268
[2] /Abschiebehaft-in-Glueckstadt/!6085508
[3] /Deutsche-Migrationspolitik/!6062268
[4] /Urteil-des-Bundesgerichtshofs/!6015728
[5] https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=3E0C51F27973…
[6] https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Geric…
[7] /Personalmangel-im-Abschiebeknast/!6051596
## AUTOREN
David Muschenich
## TAGS
Abschiebung
Schwerpunkt Flucht
Thüringen
CDU
Abschiebehaft
Protest
Social-Auswahl
Schwerpunkt USA unter Trump
Abschiebe-Gefängnis
Justiz
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Bundesgerichtshof.
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