# taz.de -- Festival für tschechisches Theater: Von Wuchermieten und Trollmüt… | |
> Der Verein Drama Panorama bringt einmal im Jahr „Ein Stück: Tschechien“ | |
> nach Berlin. Szenische Lesungen zeigten drei Stücke gekürzt erstmals auf | |
> Deutsch. | |
Bild: Das Kind isst nur Nutella: Szene aus dem Stück „Trollmama“ von Hana … | |
Endlich eine eigene Wohnung – davon träumt das junge Paar. Doch der Andrang | |
auf dem Markt ist gewaltig und die meisten Wohnungen kann es sich wegen der | |
Wuchermieten sowieso nicht leisten. In dieser hier stinkt es zwar nach | |
„vollgepisstem Stroh“ und Schimmel, aber immerhin stimmt der Preis. Deshalb | |
– schnell den Mietvertrag unterschreiben, bevor es jemand anders tut. | |
Es ist eine Szene aus Tomáš Rálišs Theaterstück „Ausgewohnt“, wie sie … | |
auch im echten Leben abspielen könnte. Das Theaterfestival „Ein Stück: | |
Tschechien 2025“ des Vereins Drama Panorama brachte am Sonntagabend in | |
Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum Berlin und der tschechischen | |
Botschaft dieses und zwei weitere Gegenswartsdramen junger tschechischer | |
Autor:innen ins [1][Theater unterm Dach] im Prenzlauer Berg, Berlin. Als | |
szenische Lesungen gab es die Stücke gekürzt erstmals in deutscher Fassung | |
zu sehen. | |
Man habe darauf geachtet, Texte auszuwählen, die einem internationalen | |
Publikum gut verständlich sind, sagte die Kuratorin und Festivalleiterin | |
Barbora Schnelle der taz. Und die [2][Wohnungskrise] ist in Prag ein so | |
aktuelles Thema wie in Berlin. | |
Fake-Profile in sozialen Medien | |
Ebenso grotesk und originell wie „Ausgewohnt“, aber in seiner Dramaturgie | |
ausgefeilter war das zweite Stück des Abends, „Trollmama“ von Hana D. | |
Lehečková. Es handelt von einer alleinerziehenden Mutter, die ihr Geld mit | |
Fake-Profilen in den [3][sozialen Medien] verdient. Die meisten ihrer | |
Schöpfungen sind Männer um die 50, die als Elektriker arbeiten. In ihren | |
mit verschiedenen Smileys versehenen Posts loben die Fake-Personen | |
wahlweise kleine Haushaltsgeräte oder rechte Politiker. | |
Die „Trollmama“ schuftet jeden Tag vor dem Bildschirm, denn ihre kleine | |
Tochter möchte ihre Pfannkuchen nicht mit Marmelade, sondern lieber mit | |
teurem Nutella essen – das muss man sich als Single Mom erst einmal leisten | |
können. Im an die Aufführungen anschließenden Podiumsgespräch schilderte | |
Lehečková, die vor allem Stücke für den tschechischen Rundfunk schreibt, | |
die „Trollmama“ sei von einer wahren Begebenheit inspiriert. Vor einigen | |
Jahren habe die Trolling-Spur ausnahmsweise überraschend nicht nach | |
Russland, sondern in die Tiefen der tschechischen Wälder geführt. | |
Das dritte Stück des Abends, „Die vergossene Milchstraße“ von David Koš�… | |
handelt von der Vater-Tochter-Beziehung eines Astronauten, die durch seine | |
Reise ins All auf den Kopf gestellt wird. Da er im Kosmos langsamer altert, | |
ist er nach seiner Rückkehr jünger als seine Tochter, die dann auch noch an | |
Krebs erkrankt. Etwas zu sentimental und vorausschaubar, und deshalb der | |
schwächste der präsentierten Texte. | |
Die dunkle Komödie über den Horror der Wohnungssuche eines jungen Paars, | |
von Maira Neubert ins Deutsche übertragen, konnte die Besucher:innen | |
des Theaterfestivals jedoch überzeugen. Sie wählten es zum besten Stück der | |
Veranstaltung. Als Preis erhält der Autor Tomáš Ráliš einen einwöchigen | |
Residenzaufenthalt in Berlin. Zudem übersetzt das Festival ein weiteres | |
seiner Stücke ins Deutsche. | |
Gastspiel aus Prag zum Auftakt | |
Eröffnet wurde das Festival bereits am 10. Juni mit einem Empfang | |
anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft Berlin–Prag | |
und dem Gastspiel „Abgrund“ des Prager Theaters „A Studio Rubín“ über | |
Depression und Angst – im tschechischen Original mit deutscher | |
Simultanverdolmetschung. | |
Festivalleiterin Schnelle erklärte der taz, das Kernanliegen des Festivals | |
sei die Übersetzung tschechischer Gegenwartsdramatik ins Deutsche. Erst so | |
würden die Stücke für Bühnen im deutschsprachigen Raum überhaupt sichtbar. | |
2026 soll eine Anthologie mit den Übersetzungen der besten Festivalstücke | |
aus den vergangenen Jahren erscheinen. | |
Während viele Tschech:innen Deutsch verstehen, beherrscht hierzulande | |
kaum jemand die Sprache der Nachbarn. Man kennt und schätzt ihr Bier, aber | |
nicht ihre reiche Kultur. Es ist ein Verdienst, dass das tschechische | |
Theaterfestival in Berlin dieses asymmetrische Verhältnis umkehrt. | |
Allerdings hat [4][der Verein Drama Panorama] mit der Finanzierung zu | |
kämpfen. Erstmals habe das tschechische Kulturministerium 2025 gar keine | |
Mittel bereitgestellt, berichtete Schnelle der taz, wodurch es bei der | |
diesjährigen Ausgabe nur zwei Veranstaltungen geben konnte. Man möchte | |
hoffen, dass das Theaterfestival mit seinem enthusiastischen Team den | |
Sparmaßnahmen im Kulturbereich trotzen und auch in Zukunft noch jährlich | |
„ein Stück Tschechien“ nach Berlin bringen kann. | |
30 Jun 2025 | |
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[4] https://www.drama-panorama.com/projekte/festival-ein-stueck-tschechien/ | |
## AUTOREN | |
Yelizaveta Landenberger | |
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