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# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Gegen Soldaten helfen nur Soldaten
> Wer Investitionen in Infrastruktur und Soziales gegen notwendige
> Aufrüstung ausspielt, lebt in der Vergangenheit – und lenkt vom eigenen
> Versagen ab.
Bild: Katastrophe Krieg auf der internationalen Waffenmesse LAAD im April 2025 …
Die Zivilgesellschaft in Deutschland ist chronisch erfolglos. Autos
[1][beherrschen ungebremst den öffentlichen Raum,] Kinder und Jugendliche
sind [2][eine mit Verachtung für ihre Rechte behandelte Gruppe], das
Gesundheitssystem ist [3][ein Klassenregime], das das Elementarste, die
Lebenszeit, für die gesetzlich versicherte Hälfte verringert, Abtreibung
ist [4][immer noch nicht legalisiert], die Vermögensverteilung ist so,
[5][dass man von Verteilung gar nicht sprechen kann], am Anwachsen
rechtsextrem-rassistischer Bewegungen und der Etablierung [6][eines
illegalen Grenzregimes] hat kein noch so kreativer sozialer Widerstand
etwas geändert – und wenn mal eine Regierung am Ruder ist, die im
mikroskopischen Maßstab linke Inhalte durchzusetzen gewählt worden ist,
dann hält sie gegen den Lobbydruck noch nicht mal eine Legislaturperiode
durch.
Das alles hat nichts mit dem russischen Überfall auf die Ukraine und der
seitdem anstehenden verteidigungspolitischen Umorientierung zu tun. Es sind
alte Leiden einer schwachen Bewegung, die sich eben – Beispiel jetzt –,
wenn es mit dem Abwenden der Klimakatastrophe unter dem Label [7][„Letzte
Generation“] nicht klappt, einfach in [8][„Neue Generation“] umbenennt, a…
ob das nicht ein schwerwiegendes logisches Problem darstellte.
Insofern gilt unverändert, was Wiglaf Droste vor 30 Jahren [9][in einem
Zeit-Interview] feststellte: „In Deutschland leben heißt knietief durch Kot
waten.“
Dass der Kot durchaus noch höher stehen kann, hat kürzlich der russische
Oppositionelle [10][Oleg Orlow] in einem [11][Interview mit der linken
italienischen Zeitung il manifesto] festgehalten.
## „Haben Sie den ganzen Nachmittag Zeit?“
Orlow wurde 2024 im Alter von 71 Jahren zu zweieinhalb Jahren Haft
verurteilt, von denen er sechs Monate absitzen musste. Auf die Frage des
italienischen Kollegen, wie es in Putins Knast war, antwortet er:
„Haben Sie den ganzen Nachmittag Zeit? (lächelt) Verglichen mit den
Erfahrungen der politischen Gefangenen in Russland war meine Erfahrung
ziemlich leicht. Sie hielten mich in fünf verschiedenen Gefängnissen fest,
aber bei mir haben sie nie das angewandt, was wir in Russland
‚[12][Bespredel]‘ nennen, das heißt jene kontinuierlichen und
systematischen Machtmissbräuche, die Beleidigungen, Demütigungen, bis hin
zu Schlägen, Folter und so weiter beinhalten, die das tägliche Brot vieler
politischer Gefangener sind. Wie auch immer, es ist sehr hart, es ist kein
Ferienhaus (lächelt wieder).“
Hintergrund des Gesprächs mit Orlow ist der Versuch, die
Menschenfeindlichkeit des Putin’schen Mafiaregimes einem linken,
italienischen Publikum vor Augen zu führen, das in noch höherem Ausmaß als
in Deutschland diese Gefahr nicht wahrhaben will beziehungsweise bewusst
[13][leugnet und die notwendigen analytischen wie materiellen Anpassungen
ablehnt]; wobei sich darin wie in der Verächtlichmachung des ukrainischen
Freiheitskampfs auch in Italien die Ränder von ganz links bis ganz rechts
innig einig sind.
Noch mal: Es sind nicht das 5-Prozent-Ziel und nicht die Hilfe für die
gemarterte Ukraine, die Deutschlands Infrastruktur zerbröseln lassen und
vielen Menschen ihre Zukunftschancen beschneiden. Wenn man dafür partout
die Schuld nicht bei sich selbst suchen möchte, muss man sich schon als
erste Adresse an Frau Merkel wenden, denn sie war von November 2005 bis
Dezember 2021 Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.
## Deutscher Sozialpazifismus
Ausgerechnet jetzt auf die Idee zu kommen, den Schutz des bisschen
rechtsstaatlichen und zivilisatorischen Firnisses, den dieses Land seit der
([14][militärischen] – you remember?) Befreiung vom Nationalsozialismus
dann doch bewahrt und entwickelt hat, gegen zu reparierende Brücke
auszuspielen, kann nur bedeuten, dass man über diese Brücke russische
Panzer fahren lassen möchte. Beziehungsweise französische, britische oder
griechische oder wer sonst bereit sein wird, den sich ja zuletzt in der
Eurokrise wieder einmal auf dem Kontinent höchst beliebt gemacht habenden
Deutschen im Ernstfall zu Hilfe zu kommen.
Es ist diese arrogant-koloniale Attitüde, die am deutschen
Sozialpazifismus besonders unangenehm ist und die, nicht ganz
überraschenderweise, sich in Russland wiederfindet, wo auch ein Herrenvolk
gern andere die Drecksarbeit machen lässt.
Orlow sagt auf die Frage, welche Menschen aus Russland eigentlich konkret
in der Ukraine kämpfen, töten und sterben, es seien solche aus „den
ärmsten Regionen, wo der Krieg unterstützt wird, weil Krieg Geld bedeutet.
Man entscheidet sich dafür, seine Kinder und seine Ehemänner an die Front
zu schicken und dafür eine Geldsumme zu erhalten, die sie, glauben Sie mir,
niemals in ihrem ganzen Leben sehen könnten. Der Krieg ist für einige eine
sehr wichtige Einnahmequelle.“
Niemand hat Bock auf welche Form von Wehrdienst auch immer. Alle möchten
lieber Geld für schöne Dinge ausgeben, anstatt für Killerdrohnen. Aber
[15][gegen Soldaten helfen nun mal nur Soldaten.]
Aufgabe fortschrittlicher Kräfte in diesem Land ist es nicht, von
vergangenen Versäumnissen und Niederlagen abzulenken, sondern den Prozess
kritisch zu begleiten, der die Bundesrepublik als zentrale, solidarische
Kraft der gesamteuropäischen Verteidigung etabliert. Denn die größte
Schwäche von allem was links ist, ist derzeit: Friedrich Merz schützt die
Freiheit von uns allen besser als sie.
29 Jun 2025
## LINKS
[1] /Autounfaelle/!6048401
[2] /!vn6075170/
[3] /Risikoselektion-bei-Krankenkassen/!5060331
[4] /Deutscher-Aerztetag-gegen-Paragraf-218/!6091052
[5] https://www.zeit.de/geld/2024-04/vermoegensverteilung-deutschland-ungleichh…
[6] /Urteil-zu-Asylpolitik/!6088379
[7] /Klimaaktivistinnen-vor-Gericht/!5918021
[8] /Nachfolge-der-Letzten-Generation/!6088328
[9] https://www.zeit.de/1996/50/wiglaf.19961206.xml/komplettansicht
[10] /Oleg-Orlow-ueber-den-Gefangenenaustausch/!6026513
[11] https://ilmanifesto.it/putin-e-imperialista-ma-i-russi-vogliono-la-fine-de…
[12] /Bespredel-heisst-Willkuer/!1204665&s/
[13] https://www.theguardian.com/world/2023/aug/31/a-success-for-kremlin-propag…
[14] /Die-Deutschen-und-der-Krieg/!6059911
[15] /Militaerhistoriker-ueber-Kriegstuechtigkeit/!6087358
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Aufrüstung
Sozialpolitik
Social-Auswahl
Aufrüstung
Kolumne Das bisschen Haushalt
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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