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# taz.de -- Social Freezing: Sollte ich meine Fruchtbarkeit kennen?
> Fruchtbarkeit bei Frauen hat ein Ablaufdatum. Aber lohnt es sich, sie
> deshalb zu testen oder löst das nur Panik aus?
Bild: Social Freezing ist zu teuer – auch wenn die Tante bezahlt
Die kleinen Blätter über mir tanzen im Wind, ich liege im Schatten
darunter, neben mir meine beste Freundin. „Ich glaube, ich lasse meine
Fruchtbarkeit checken“, sagt sie aus dem Nichts. Ich rappel mich auf,
schaue ihr in die Augen. „Wie kommst du darauf?“
Sie erzählt, dass eine Freundin von ihr bald Social Freezing macht, also
[1][Eizellen für später einfriert]. „Hat ihre Tante ihr zum Dreißigsten
geschenkt.“ Waaas? Mein Entsetzen sieht sie mir an. „Nein, nein, sie
wusste, dass ihre Nichte sich das wünscht.“ So übergriffig wie befürchtet
ist das Geschenk also nicht. Und trotzdem bin ich überrumpelt vom
Fortpflanzungsthema, das in diesem Moment in meinem engsten Umfeld
einschlägt.
Social Freezing kommt für meine Freundin und mich eh nicht infrage –
[2][viel zu teuer]. Um die 5.000 Euro kostet die Entnahme der Eizellen. Und
für jedes Jahr, in dem die Eizellen bei minus 196 Grad in flüssigem
Stickstoff gelagert auf ihren Einsatz warten, bezahlt man weitere 350 Euro.
Aber ihre Fruchtbarkeit untersuchen lassen, damit sie weiß, woran sie ist,
will meine beste Freundin jetzt trotzdem. Schließlich nimmt die
Fruchtbarkeit bei Frauen ab 25 rapide ab. Den Zenit haben wir also schon
überschritten.
Als es um das Brustkrebsrisiko in meiner Familie ging und die Frage, ob es
möglicherweise eine genetische Vorbelastung gibt, wollte ich das unbedingt
wissen. „Sie sollten darüber schlafen, ob Sie den Test machen wollen“, riet
der Arzt. „Wenn man einmal von dem Risiko weiß, kann es das ganze Leben
beeinflussen.“ Ich wusste sofort, ich will den Test machen, schließlich gab
es einen Anhaltspunkt für den Verdacht. In dem beschissenen Fall, dass ich
ein genetisches Risiko in mir trage, wollte ich besser vorsorgen können.
## Was wenn ich mir umsonst den Kopf zermarter?
Bei meiner Fruchtbarkeit ist das anders. In mir wehrt sich etwas. Es könnte
sein, dass ich mir jetzt den Kopf über eine mögliche Unfruchtbarkeit
zermartere, ich in ein paar Jahren aber gar kein Kind bekommen möchte.
Gleichzeitig habe ich eine Art Urvertrauen: Wenn es so sein soll, wird mein
Uterus schon mitspielen. Normalerweise glaube ich nicht an eine höhere
Gewalt, aber vielleicht fängt meine Spiritualität beim Thema Fortpflanzung
an – oder ich versuche nur, die Verantwortung von mir zu schieben.
Jede Frau, die sich täglich Hormonspritzen in den Bauch rammt, um schwanger
zu werden, die versucht, mithilfe einer künstlichen Befruchtung ein Kind zu
bekommen, würde mir wahrscheinlich raten, mich besser früh als spät mit
meiner Fruchtbarkeit zu beschäftigen.
Andererseits: Ist es nicht so, dass die meisten aller Sorgen, die wir uns
machen, gar nicht eintreten? Normalerweise habe ich auch nicht das
Bedürfnis, mich gegen jedes Schreckensszenario abzusichern. Eine
Reiserücktrittsversicherung zum Beispiel. Warum sollte ich von vornherein
davon ausgehen, dass ich so krank werde, dass ich nicht in den Urlaub
fahren kann? Am Ende verdient die Versicherung nur Geld, weil sie mich
verunsichert hat.
Ist das mit Fruchtbarkeitsuntersuchungen nicht ähnlich? Dass ich dadurch
eher Mutter werde, ist nicht sicher. Dass jemand an den Vorsichtmaßnahmen
verdient, hingegen schon.
Oder mache ich mir mit meiner Argumentation etwas vor? Kann es sein, dass
ich auch nicht wissen will, wie fruchtbar ich bin, weil ich mich mit den
Konsequenzen auseinandersetzen müsste? Schließlich nehmen heute immer noch
die allermeisten an, dass Frauen Mütter werden.
29 Jun 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Sophie Fichtner
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