# taz.de -- Afrobeats-Star in Bremen: Bereit zum Tanzen? Yeah! | |
> In seiner nigerianischen Heimat ist Ruger eine große Nummer. In Bremen | |
> ist noch Luft nach oben. Das Publikum im Aladin aber zeigt sich | |
> begeistert. | |
Bild: Ruger sorgt allerorten für Begeisterung, in Bremen oder kurz davor wie a… | |
In der ganzen Stadt hängen sie, die kleinen Poster, die die Ankunft von | |
Ruger verkünden. Das Plakat zeigt das Porträt eines Mannes mit markanter | |
Augenklappe, ein Datum und den Veranstaltungsort. | |
Ruger, das lässt sich leicht googeln, heißt eigentlich Michael Adebayo | |
Olayinka. Er kommt aus der nigerianischen Megapolis Lagos und ist in seiner | |
Heimat eine große Nummer. Stadionformat. Seine Musik: Afrobeats – nicht zu | |
verwechseln mit dem oft politisch aufgeladenen [1][Afrobeat von Fela Kuti.] | |
Afrobeats vereint eine Vielzahl von Einflüssen afrikanischer und westlicher | |
Musik. Protagonisten wie [2][Burna Boy,] Wizkid und [3][Asake] spielen | |
längst in den Stadien der Welt. | |
Die Aladin Music Hall scheint da doch ein eigenartiger Ort für den neuen | |
Star der Szene zu sein. Seit 1977 ist der Bremer Club vor allem für | |
beeindruckende Lautstärke (Spitzname: „Dröhn“) und Rockmusik bekannt. In | |
den 90er Jahren feierte hier die Jungle- und Drum’n’Bass-Szene. Heute | |
stehen Motto-Partys wie „Hüttengaudi“, „Mama geht tanzen“ und Konzerte… | |
Rock- und Pop-Bands auf dem Programm. Ein afrikanischer Superstar dürfte | |
dort noch nie aufgetreten sein. | |
Das Publikum am Samstagabend ist dann auch nicht die typische | |
Aladin-Klientel: es ist überwiegend jung, mehrheitlich schwarz und | |
aufregend herausgeputzt für den Abend. Keine Spur des Weltmusik-Publikums, | |
das sich bei den einschlägigen Konzerten in den Kulturzentren der Stadt | |
einfindet. | |
Von einer Mitarbeiterin des Klubs, der seinen Saal für diesen Abend nur | |
vermietet hat, hören wir, die Veranstaltenden hätten nach eigenen Angaben | |
1.700 Tickets im Vorfeld verkauft. Es sieht allerdings gegen 21 Uhr, als | |
die Show eigentlich beginnen soll, eher nach einem Zehntel davon aus. | |
## Ruger lässt auf sich warten | |
Als Ruger die Bühne betritt, werden es vielleicht 350 sein. Dabei waren die | |
Early-Bird-Tickets schon Tage im Voraus ausverkauft. Bis zum Ende zu haben: | |
die „Meet & Greet“-Variante für 250 Euro. | |
Wohl auch wegen des überschaubaren Publikums lässt Ruger auf sich warten. | |
Ein DJ legt Afrobeats auf, feuert die Frühgekommenen an. Auf einer Leinwand | |
werden die Sponsoren präsentiert und Ruger beim Fußballspielen gezeigt. Ob | |
sie bereit seien für Party? Yeah. Ob sie tanzen wollen? Yeah. Eine Gruppe | |
weißer junger Frauen scheint eine Choreografie einstudiert zu haben. Sie | |
sind bereit für die Party, aber die Party ist noch nicht bereit für sie. | |
Langsam füllt es sich etwas, Selfies werden gemacht. Ein Mann mit | |
Videokamera streift über die Bühne, auf der ein Schlagzeug, Gitarre, Bass | |
und Congas stehen. Um viertel nach zehn kommt er dann endlich, mit mehr als | |
einer Stunde Verspätung: Ruger, mit blondiertem Kurzhaarschnitt und der | |
markanten Augenklappe. Er trägt sie in Erinnerung an einen Menschen, der | |
ein Auge verlor, aber trotzdem weitermachte und nur noch stärker wurde. Das | |
Publikum drängt zur Bühne, vor der sicherheitshalber eine Absperrung steht, | |
dahinter ein paar kräftige weiße Security-Kräfte, die Arme verschränkt. | |
Ruger ist gut in Form, stimmlich und körperlich. Im weiteren Verlauf seiner | |
rund 75-minütigen Show entblößt er seinen Oberkörper und präsentiert sein | |
Six-Pack, manchmal greift er sich in den Schritt. Zwei Tänzerinnen twerken | |
engagiert, für den letzten Song kommt eine dritte dazu, auf der Leinwand | |
wird noch mehr geräkelt. Stört niemanden. Gehört wohl zur Superstarshow im | |
Lagos-Stil, wie die Rauchfontänen, die immer wieder aus dem Bühnenboden | |
schießen. | |
Das ziemlich textfeste Publikum würdigt das lautstark. Dass das Schlagzeug | |
dabei so laut im Mix ist, dass Rugers Stimme manchmal fast untergeht? Egal. | |
Afrobeats sind im Haus, auch außerhalb der Metropolen. Mehr als nur | |
irgendein Grund zum Feiern für diese jungen Menschen – und Vorbote einer | |
sich wandelnden Gesellschaft. | |
Unten bei den Toiletten sitzt eine ältere Frau, auch sie eine Schwarze. | |
Dass sie das Konzert von Ruger verpasst, scheint sie nicht groß zu stören. | |
Blöd nur, dass im Aladin nur noch mit Karte bezahlt werden kann. | |
Klimpergeld ist da Mangelware. | |
29 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Fela_Kuti | |
[2] /Neues-Album-Love-Damini-von-Burna-Boy/!5867610 | |
[3] /Afrobeat-Saenger-Asake/!5947443 | |
## AUTOREN | |
Andreas Schnell | |
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