# taz.de -- Karneval der Kulturen in Berlin: Vom Wahrnehmen und wahrgenommen we… | |
> Er ist auf seine Art auch eine Art Pfingstwunder: Der Berliner Karneval | |
> der Kulturen bedeutet Vielfalt. Und dass man stets in der Masse unterwegs | |
> ist. | |
Bild: Schon das sich Sehen lassen eine Botschaft: Ukrainerinnen beim Karneval d… | |
Berlin und Pfingsten, das ist schon deswegen eine innige Verbindung, weil | |
es da den Gassenhauer gibt, „[1][Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“]. Und | |
dann findet immer zu Pfingsten eben dieses Fest statt, bei dem in Kreuzberg | |
und dieses Jahr erstmals auch in Friedrichshain (dazu später mehr) | |
Hunderttausende raus auf die Straße gehen, auf der Suche nach dem, von dem | |
in dem besagten Lied gesungen wird: Menschenmassen, Essen, Amüsement. | |
Das alles sind schon nicht ganz unwesentliche Eckpunkte des [2][Karnevals | |
der Kulturen], bei dem man über die Pfingsttage rund um den Kreuzberger | |
Blücherplatz mit den diversen Musikbühnen großen Spaß haben konnte, wenn | |
man Gefallen daran findet, mit der Menge durch die Massen zu treiben oder | |
auch mal von forsch die Menge durchpflügenden Grüppchen umgerannt zu | |
werden. | |
Miteinander. Gegeneinander. Und trinken. Wie das halt so ist bei einem | |
Straßenfest, einer Kirmes, einem Rummel. Nur noch ein bisserl bunter. Das | |
heutige Berlin ist eben vielfältiger als das von Bolle vor über 100 Jahren. | |
Was auch an den Imbissständen mit dem kulinarisch diversen Angebot | |
abzumessen war. | |
Rund um den Blücherplatz konnte man sich also gut um die Welt essen, und | |
niemand musste hungern beim eigentlichen Herzstück dieses Berliner | |
Karnevals, dem Straßenumzug am Pfingstsonntag. Dessen Ortswechsel nach | |
Friedrichshain in die großzügig bemessene Karl-Marx-Allee erfolgte „wegen | |
Bauarbeiten“ in Kreuzberg, vermeldete berlin.de, das offizielle | |
Hauptstadtportal, während die Veranstalter nur von ihrem „Ziel: mehr Raum, | |
neue Perspektiven, mehr Sichtbarkeit“ sprachen. An Menge jedenfalls fehlte | |
es am neuen Ort nicht. | |
Dicht gedrängt standen die Menschen an der Strecke wie sonst auf der | |
Gneisenaustraße, Familien, Gruppen, Pärchen, viele an dem nicht gar so | |
sonnigen Tag in Funktionskleidung, manche mit schrillerem Karnevalsfummel | |
und wenige in traditioneller Tracht, als Gruß an die Gruppen beim Umzug, | |
der ja doch auch ein Trachtenumzug ist mit farbenprächtigen Kostümen, die | |
es zu bestaunen gab. Viel Glitzer, Federn und Fransen. Wieder mal wurde | |
viel getrommelt, es wurde viel getanzt (meist waren es Frauen), es gab | |
spektakuläre Performances und bloßes Promenieren, Schreine wurden | |
herumgetragen, Bolivianisches gab es zu sehen und eine Rollschuhtruppe, | |
Straßen-HipHop, Nigerianisches und, und, und … mit fast 70 Gruppen bei der | |
mehrstündigen Parade. | |
Eine bunte Vielfalt. Früher wurde die in den Medien bei den Berichten | |
danach gern auf das eine Bild einer eher knapp bekleideten Frau aus einer | |
brasilianischen Sambatruppe verdichtet. Aber auch das hat sich gewandelt. | |
So viel Unterschiedliches gab es zu gucken. So viel zu hören. Wobei man | |
beim Musikdurchlauf des Karnevals durchaus den Eindruck bekommen konnte, | |
dass in Berlin vor allem Menschen aus Lateinamerika und der Karibik | |
siedeln. Das stimmt so nicht. Der Stimmung aber tat die hüftbewegende Musik | |
bestimmt keinen Abbruch. | |
[3][Und dass dieses Schaulaufen arg entpolitisiert sei], ist als Kritik am | |
Umzug so alt wie der seit Mitte der 90er Jahre stattfindende Karneval der | |
Kulturen selbst. Natürlich könnte man sich auch einen Karneval vorstellen | |
mit all diesen Gruppen, die mit Slogans und Protestplakaten unterwegs sind. | |
Ein Umzug der Demonstrationen. | |
Am Gesamtbild aber würde das nichts ändern: dass hier eine Vielfalt lebt, | |
die irgendwie versucht, miteinander klarzukommen. Allein, dass sich die | |
ukrainische Gruppe zeigte, war schon eine Botschaft. Der von Pandas | |
angeführten Charmeoffensive der Gruppe „Hello China!“ folgte etwas später | |
der Verein der Tibeter. | |
Wahrnehmen. Wahrgenommen werden. Vielleicht sogar Gemeinsamkeiten finden in | |
dieser großen bunten Stadt, für einen Moment. Für ein kurzes Lied. Etwa das | |
koreanische Volkslied „Arirang“. Eine Tänzerin der koreanischen Gruppe | |
stimmte es an, als sie im Publikum ein paar Jugendliche wohl mit | |
koreanischem Hintergrund entdeckte. Schüchtern erst und dann doch beherzt | |
sangen sie mit. | |
14 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Bolle_reiste_j%C3%BCngst_zu_Pfingsten | |
[2] https://www2.karneval.berlin/static/index.html | |
[3] /Karneval-der-Kulturen-in-Berlin/!6089984 | |
## AUTOREN | |
Thomas Mauch | |
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