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# taz.de -- Prozess-Spektakel mit Daniela Klette: „Was machen Sie denn hier m…
> Für den Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette in
> Verden wurde eine Reithalle hochgerüstet – für 3,6 Millionen Euro.
Bild: Auf Nummer sicher: die Reithalle in Verden
Eine alte Reithalle aus rotem Backstein, zwischen hohen Eichen und
Stacheldrahtzäunen [1][am Rande von Verden]. Hier also soll der
„spektakulärste Prozess des Jahres“ (Bild) stattfinden, unter „schärfst…
Sicherheitsvorkehrungen“ (Bild) gegen „die schreckliche Daniela Klette“
(Bild).
Der Justizbeamte in Uniform rückt unmerklich näher. „Und?“, fragt er
endlich, „wie ist es so?“ RAF, Untergrund, Raubüberfälle auf
Geldtransporter – der ganze Fall interessiert ihn, erzählt er, bei
Aktenzeichen XY hat er eine Folge dazu gesehen. Freiwillig gemeldet hat
sich der Justizbeamte, um auszuhelfen beim Wachdienst während des Prozesses
in Verden. Und jetzt, so ein Pech, steht er draußen vor der Halle vor
verschlossenen Türen und muss in den kurzen Verhandlungspausen
Journalistinnen und Zuschauer fragen.
Vielleicht aber auch Glück. Denn die Wahrheit ist: Draußen ist Frühling,
und drinnen, da ist es ein bisschen zäh. Die aufgerufenen Zeugen können
sich zehn Jahre nach dem Vorfall nicht mehr an alle Details erinnern und
die Akustik der Lautsprecheranlagen ist mäßig: Es hallt im Zuschauerbereich
hinter den großen Glasscheiben.
## Nicht sicher genug
Für 3,6 Millionen Euro wurde die ehemalige Reithalle mit rund 800
Quadratmetern zum Gerichtssaal umgebaut; das Landgericht in Verden wurde
vom Land nicht für groß genug befunden für diesen Prozess. Und vor allem:
nicht sicher genug.
Dabei geht es in Verden gar nicht um Terrorvorwürfe – die sollen später
anderswo verhandelt werden. In Verden will man sich nur mit 13
Raubüberfällen beschäftigen, die zwischen 1999 und 2016 in Norddeutschland
stattfanden; mit deren Beute sollen Klette und ihre Mitstreiter Burkhard
Garweg und Volker Staub ihr Leben im Untergrund finanziert haben. Es ist
ein ganz normaler Prozess, betont das Gericht.
Am Einlass tragen die Polizisten Schutzhelme samt Brandschutzmasken, die
das Gesicht fast völlig verdecken. Ein martialischer Aufmarsch, und ganz
passend dazu schnauzt der Staatsbeamte am Tor nervös: „Weg da mit dem
Fahrrad! Was machen Sie denn hier mit einem Fahrrad?!“
[2][Von Anfang an] ist es die Strategie der Verteidigung, dem Gericht
Unverhältnismäßigkeit vorzuwerfen. Die Angeklagte spricht im Prozess
selbst: Ein „ganz normales Verfahren“ sei in diesem „Monstrum von
umgebauter Reithalle“ eine Farce. Das Ambiente suggeriere: „Wer unter
solchen Vorkehrungen vor Gericht steht, muss hart verurteilt werden.“
Auch Klettes Rechtsanwalt schimpft über die „Stammheim-Miniatur“ und
fordert eine Verlegung auf zivileres Gelände. Die Staatsanwaltschaft
argumentiert dagegen mit einer „Gefahrenanalyse“. Die ist zwar nicht
öffentlich, aber man kann es sich in etwa denken: Wer weiß schon sicher, ob
die RAF fast 30 Jahre nach ihrem Ende nicht doch noch ein paar Befreier
mobilisieren kann.
## Dann mal rin
Hinter der Schleuse ist die Stimmung gelassen, die Sicherheitskräfte sind
unmaskiert und gut gelaunt. Blöd, dass es keinen Kaffee gibt, da ist man
sich einig. Nach der Pause auf dem Gelände werden die meisten
Besucher*innen an der zweiten Sicherheitsschleuse gar nicht mehr
kontrolliert, sondern einfach am Metalldetektor vorbeigelassen. Na, denn
mal rin!
Drinnen versucht der freundlich lispelnde Richter betont unaufgeregt die
Verhandlung zu leiten. Herzlich umarmt Daniela Klette ihre Verteidiger,
verspielt winkt sie, mit beiden Armen rudernd, Ariane Müller im
Zuschauersaal zu. Die ehemalige Krankenpflege-Aktivistin aus Bassum bei
Bremen ist eigentlich als Journalistin vor Ort, aber klar, [3][auch in
Solidarität] – die Grenzen fließen. Da geht es ihr wie dem Kollegen vom
Radio, der in den Siebzigern bei Hausbesetzungen in Hamburg mitgemacht hat
und noch aufzählen kann, wen aus der RAF-Garde er damals alles so getroffen
hat.
Am Ende sammelt sich eine Handvoll Aktivist*innen vor dem Tor:
„Solidarität kennt keine Kette! Freiheit für Daniela Klette!“ wird
skandiert, als zwei Mannschaftswagen vorbeifahren. Vielleicht sitzt Klette
ja darin.
6 Jun 2025
## LINKS
[1] /Prozess-gegen-Daniela-Klette/!6087313
[2] /So-lief-der-erste-Prozesstag-fuer-Daniela-Klette/!6074796
[3] /Demo-fuer-Ex-RAF-Terroristin/!5996147
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Prozess
Terrorismus
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