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# taz.de -- Künstliche Intelligenz im Artenschutz: Wenn Algorithmen Elefanten …
> Bisher mussten ArtenschützerInnen Tierbestände mühsam zählen. KI erkennt
> Muster und kann gar helfen, Konflikten zwischen Mensch und Tier
> vorzubeugen.
Bild: Die letzten Waldelefanten leben in afrikanischen Regenwäldern und sind i…
München taz | Stellen Sie sich vor, Sie wandern in den Bergen. Plötzlich
pfeift es. Im selben Moment, in dem Sie das Murmeltier erblicken,
verschwindet es in seinem Bau. Ihre Route scheint über ein unterirdisches
Labyrinth aus Höhlen und Gängen zu führen. Sie erkennen noch ein Tier. Und
weil Murmeltiere für Sie tendenziell alle gleich aussehen, können Sie nicht
sagen, ob dieser Bau von einem Einsiedler bewohnt wird oder Sie gerade
einen Murmeltierstaat erklommen haben.
[1][Murmeltiere sind als Art] gerade nicht direkt bedroht. Aber dem
seltenen Nager wird es in der Klimakrise zu warm. Unklar, wie sich das auf
den Bestand auswirkt.
Wie viele Tiere einer Art noch wo leben, ist im Artenschutz die
entscheidende Frage. Bisher schätzen ForscherInnen meist, wie viele
Exemplare sich in einem bestimmten Gebiet aufhalten. Dafür [2][beobachten
sie diese unter anderem mit Wildtierkameras].
Anschließend müssen zehntausende Fotos daraufhin gescannt werden, ob
beispielsweise ein Murmeltier darauf zu sehen ist. Dann schätzen die
WissenschaftlerInnen, wie groß die Population sein könnte. Die Ergebnisse
sind sehr ungenau.
Martin Jansen leitet die Audiovisuelle Biodiversitätsforschung der
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Er sagt: „Die Bildauswertung
ist das Nadelöhr.“ Die Kameras brauchten wenig Strom und hätten große
Speicher. Beste Bedingungen, um „unglaublich viele Daten zu sammeln“.
Bislang mangelte es aber an Personal, all die Informationen auszuwerten.
Künstliche Intelligenz (KI) bahnt hier nun eine Revolution an. Was bei
Menschen Tage und Wochen beanspruche, so Jansen, könne der Algorithmus mit
Mustererkennung in Stunden bewältigen. KI wird inzwischen auf dem Rücken
von Fledermäusen und zum Schutz vor dem Wolf eingesetzt.
## Projekt von WWF und IBM
In Zentralafrika [3][zählt der Naturschutzverband WWF in einer
Partnerschaft mit dem Technologiekonzern IBM beispielsweise Elefanten im
Regenwald]. Mit Hilfe der KI könne man auf Kamerabildern Individuen und
somit „ganz genaue Bestandszahlen der Waldelefanten“ bestimmen, sagt Thomas
Breuer, Zentralafrika-Referent des WWF und Koordinator des Projekts.
Der Afrikanische Waldelefant hat auf der Roten Liste der bedrohten Arten
die höchste Gefährdungsstufe inne – „vom Aussterben bedroht“. Die neue
Zählmethode werde „ein Game Changer sein“, sagt Breuer. Sobald
einsatzfähig, solle das Modell frei genutzt werden können.
Die KI könne dann auch Daten über das Verhalten einzelner Tiere liefern, so
Breuer, etwa Wanderbewegungen, in welchen Waldgebieten sich die Elefanten
aufhalten – oder ob dann ein spezielles Tier Felder verwüstet.
„Dass man das Monitoring auf das Individuum überträgt, ist etwas völlig
Neues“, sagt der WWF-Experte. [4][Konflikten zwischen Mensch und Tier]
könne so besser vorgebeugt oder ihnen gezielter begegnet werden.
Weitere Daten über die statischen Kameraaufnahmen hinaus liefern Sender,
mit denen WissenschaftlerInnen schon lange arbeiten. Wildkatzen schnallen
sie Halsbänder um. Walen pfropfen sie die Geräte mit Saugnäpfen an. Sogar
Insekten klebt man inzwischen Sender auf, die den Bruchteil eines Gramms
wiegen.
Unter anderem Satelliten empfangen die Signale, und dann ist es wie bei den
Kamerafallen: An Daten mangelt es nicht – nur an denjenigen, die sie
interpretieren.
## Smarte Sender
Das konnten bisher nur die ForscherInnen selbst. Jetzt kann das KI viel
schneller. Die Reisen der Zugvögel verfolgt sie genauso wie die nächtliche
Wanderschaft besenderter Fledermäuse.
Inzwischen ist die KI sogar auf den Sendern selbst integriert. Auf diese
Weise empfangen die ForscherInnen bereits ausgewertete Daten. Und weil
vorsortierte Datenpakete weniger sperrig sind, reichen Funksignale, um sie
an Satelliten zu übermitteln.
Konkret heißt das, dass WissenschaftlerInnen live verfolgen, wenn sich etwa
Zugvögel oder Gnus auf ihrer Wanderschaft auffällig verhalten. Timm Wild
ist Projektleiter in der Abteilung Tierwanderung am Max-Planck-Institut für
Verhaltensbiologie. Mit diesen intelligenten Sendern sage er die Bewegungen
der Tiere vorher, erklärt Wild.
„Jetzt können wir zum Beispiel durchgeben: Schaltet das Windrad an diesem
Tag mal zu dieser Tageszeit für drei Stunden aus, weil dann besonders viele
Fledermäuse in der Umgebung sind.“ Das [5][bewahrt die Tiere vor
Zusammenstößen mit den Rotoren]. Auch Krankheitsausbrüche könnten so direkt
bemerkt werden.
## Dank KI Schafe statt Wölfe beobachten
Die KI liest das Verhalten der Tiere als Muster in den Daten. Mit diesem
Wissen sind etwa BetreiberInnen von Energieanlagen oder LandwirtInnen in
der Lage, Rücksicht auf Verhaltensweisen von Wildtieren zu nehmen.
Dabei sind die intelligenten Sender vielfältig einsetzbar. Sie können auch
helfen, über eine Tierart eine andere zu beobachten. Ein Beispiel: Wölfe zu
besendern ist aufwändig. Die Räuber sind schwer zu finden und noch schwerer
zu fangen. Gleichzeitig wollen aber SchäferInnen wissen, ob und wann Wölfe
in der Nähe ihrer Herden sind.
Max-Planck-Forscher Wild dreht deshalb den Spieß um: Statt die Wölfe
besendere sein Team die Schafe. „Die KI erkennt in den Bewegungsmustern der
Herde, wenn die Schafe nervös werden. Dann ist es wahrscheinlich, dass ein
Wolf in der Nähe ist.“ So könne eine Live-Warnung gesendet werden. Auf
ähnliche Weise sei es auch möglich, Nashörner vor Wilderei zu schützen und
die Einsätze der RangerInnen zu koordinieren.
## KI erleichtert Kommerzialisierung von Artenschutz
Ob bei der Auswertung von Wildtierbildern oder von Satelliten-Daten:
Künstliche Intelligenz kann Fleißarbeit, sie erkennt Muster in den Daten
schneller und besser als Menschen. Und können Wildtiere genau gezählt und
geortet werden, erleichtert das nicht nur ihren Schutz, sondern auch ihre
Kommerzialisierung.
IBM, das die KI im afrikanischen Regenwald mit dem WWF zusammen entwickelt,
schreibt, das Modell ermögliche die „Erfassung und Bewertung von
Naturkapital“.
Wie hilfreich diese In-Wert-Setzung für den Artenschutz ist, ist
umstritten, weil dadurch die Rolle von Regierungen in der Bewahrung von
Natur als öffentliches Gut ausgehöhlt wird. Außerdem lenke es davon ab,
umweltschädliche Subventionen zu beenden und umweltschädliches Verhalten zu
besteuern, schreibt die Naturschutzorganisation Friends Of The Earth.
IBM jedenfalls zitiert eine Studie des Internationalen Währungsfonds,
wonach ein Waldelefant durch seine Lebensweise die Speicherfähigkeit des
Regenwaldes um so viel CO2 erweitere, wie über 2.000 Autos in einem Jahr
ausstoßen.
Kurz gesagt dünnen die Tiere den Wald aus, so dass große, viel Treibhausgas
bindende Bäume bessere Chancen haben. In CO2-Zertifikaten ist ein
Waldelefant damit 1,75 Millionen US-Dollar wert.
23 Jun 2025
## LINKS
[1] /Biologe-ueber-Wildpferde-und-Wisente/!6020395
[2] /Woelfe-in-Deutschland/!6026801
[3] https://www.wwf.de/2024/august/ki-revolution-im-dschungel
[4] /Wir-ertragen-Natur-nur-noch-in-kleinen-Dosen/!6081697&s=konflikt+mensc…
[5] /Erneuerbare-Energie-und-ihre-Tuecken/!5843260
## AUTOREN
Tim Feldmann
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