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# taz.de -- Die Sprache der Tiere: Geh lieber weg auf Elefantisch
> Dank künstlicher Intelligenz verstehen Forschende weltweit die Sprache
> der Tiere immer besser. Der Fortschritt könnte dem Tierschutz nützen.
Bild: Posaunen, rumblen und gestikulieren – die Kommunikation der Elefanten…
Von wegen nur Törööö! Elefanten können viel mehr als nur laut tröten. Um
sich mit ihren Artgenossen auszutauschen, grummeln oder „rumblen“ sie in
Frequenzen, die bis in den Infraschallbereich reichen, also unterhalb der
menschlichen Hörgrenze, oder gestikulieren mit ihrem Rüssel.
„Elefanten sind sehr soziale Tiere und haben eine vielfältige
Kommunikation. Leider verstehen wir diese Kommunikation nur in Ansätzen“,
sagt Angela Stöger von der österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Zwar kennt man essenzielle Geräusche, wenn eine Mutter nach ihrem Kalb ruft
oder die Herde am Wasserloch zum Aufbruch bläst. Worüber die Elefanten sich
sonst unterhalten, blieb den Forschenden bislang aber verborgen.
Genau das will die Wildtierbiologin nun ändern. Sie erforscht seit fast 20
Jahren Savannen-Elefanten in Afrika. In dieser Zeit hat sie einen großen
Datenschatz angesammelt. Auf ihrer Computer-Festplatte sind über 10.000
Ton- und Filmaufnahmen von Elefanten aus dem Freiland gespeichert, die
posaunen, rumblen und gestikulieren. Diese Aufnahmen sollen nun zum
besseren Verständnis ihrer Kommunikation genutzt werden.
Informatiker:innen der Fachhochschule St. Pölten entwickeln eine
künstliche Intelligenz, die nach Mustern in den aufgezeichneten
Tonaufnahmen der Elefanten sucht. Da es neben Tonaufnahmen auch zahlreiche
Videos gibt, können die Elefantenlaute bestimmten Situationen und damit
auch Bedeutungen zugeordnet werden.
„Wir wollen verstehen, wie [1][Elefanten] Bedeutung und Inhalte
kommunizieren, und dafür auch in Kontakt mit ihnen treten“, erklärt
Matthias Zeppelzauer, KI-Experte von der Fachhochschule St. Pölten.
Basierend auf den Hypothesen über die Bedeutung von Lauten sollen im
zweiten Schritt künstliche Elefantenlaute erzeugt und Tieren im Freiland
vorgespielt werden. Mit den beobachteten Reaktionen der Savannen-Elefanten
will die Forschungsgruppe ihre Hypothesen direkt überprüfen.
Die österreichischen Forschenden sind nicht allein mit ihrem Vorhaben. In
den letzten Jahren sind zahlreiche Forschungsprojekte gestartet, die Tiere
und ihre Kommunikation nicht nur belauschen, sondern mit Hilfe von
künstlicher Intelligenz (KI) auch verstehen wollen. Zum Beispiel fanden
Forschende heraus, worauf weibliche Zebrafinken bei der Partnerwahl achten.
Sie bevorzugen Männchen, die wie die Vögel klingen, mit denen sie
aufgewachsen sind. Bei Pottwalen entdeckten Forschende mehr als 8.000
Grundbausteine der Sprache, darunter sogar regionale Dialekte. Von einer
Zuordnung der Geräusche ist man allerdings noch weit entfernt.
Meeresbiologen aus den USA entschlüsselten bestimmte Laute von
Delfinmüttern und ihren Kälbern. Kleine Delfine brabbeln wie Menschenbabys
am Anfang nur vor sich hin und müssen erst lernen, zu pfeifen und zu
schnattern wie die Großen. Den ersten Laut, den sie lernen, ist der Name
der Mutter. Ihn wiederholt die Mutter ständig, so lernt das Kalb, um Hilfe
zu rufen.
Es gibt sogar Rufe, mit denen die Mütter ihre Kälber schimpfen, wenn sie zu
weit wegschwimmen oder zu wild spielen. „Im Moment ist es oft so, als
würden wir einer anderen Sprache lauschen und könnten erkennen, wann sich
jemand ärgert oder freut. Das klappt auch, ohne alle Worte zu kennen“, sagt
Stöger. Doch vermutlich wird sich das in den nächsten Jahren ändern.
## Mehr Daten und bessere Auswertung
Grund für den Optimismus ist vor allem ein immer [2][besseres
Umweltmonitoring]. Fotofallen, Audiorekorder und Bewegungssender an den
Tieren werden immer leistungsfähiger, kleiner und günstiger. Dadurch lässt
sich die Tierbeobachtung deutlich ausweiten und genauere und langfristige
Aussagen über die Artenvielfalt in einem Ökosystem oder Verhaltensmuster
von Tieren treffen.
„Wie wir Menschen kommunizieren Tiere nicht nur mit Lauten, sondern
gleichzeitig auch über Gesten, Gerüche oder andere Signale. Nur auf eine
Kommunikationsform zu achten, reicht nicht aus. Wir müssen auf möglichst
vielen Ebenen hinschauen“, sagt die Biologin.
Doch diese Beobachtungen erzeugen so viele Daten, dass Biologen sie längst
nicht mehr von Hand effizient durchforsten können. Hier kommt künstliche
Intelligenz ins Spiel. „KI sucht zuverlässig nach Mustern in den Audio-
oder Videoaufnahmen. Und diese gibt es in jeder Sprache, egal ob im
Vogelgezwitscher, dem Gesang von Walen oder der menschlichen
Kommunikation“, erklärt Zeppelzauer. Gemeinsam mit seinem Team versucht er
gerade, Kommunikationsmuster der Elefanten herauszufiltern. Beim
Verständnis ihrer Bedeutung ist wiederum die Biologie gefragt.
Im nächsten Jahr wollen die Forschenden künstliche Elefantenlaute erstmals
in der Savanne abspielen. In Jeeps mit einer großen Lautsprecherbox auf der
Ladefläche wollen sie in die Nähe der Elefanten fahren und die Reaktion
direkt beobachten. Denkbar wären zum Beispiel Geräusche eines Weibchen, auf
die Bullen bekannterweise sehr intensiv reagieren.
Reagiert der Elefant mit Interesse und macht sich womöglich auf die Suche
nach der potenziellen neuen Partnerin, droht ihm zwar bald Liebeskummer,
aber die Forscher könnten zeigen, dass der künstlich generierte Laut
natürlich klingt und sogar eine spezielle Reaktion ausgelöst hat. Die
Forschenden hätten damit die ersten Vokabeln „Elefantisch“ entschlüsselt.
## Mehr Verständnis, mehr Rücksicht
Ihre eigene Arbeit betrachten die Biolog:innen und
Informatiker:innen als Grundlagenforschung. Eine App, um direkt mit
Elefanten zu plaudern, sei zwar eine schöne Vorstellung, aber keineswegs
Ziel des Projekts, gibt Stöger lachend zu. Sehr wohl denkbar seien dagegen
Schutzmaßnahmen für die Dickhäuter. Überall dort, wo Elefanten direkt mit
Menschen aufeinandertreffen, kommt es zu Konflikten. Nicht selten enden
diese tödlich, für Mensch und Tier. Weil der Lebensraum der Elefanten
stetig schrumpft, nehmen diese Konflikte eher zu als ab. Versuche,
Elefanten mit Geräuschen oder Bienen von Feldern und Dörfern fernzuhalten,
waren nur kurzfristig erfolgreich. Vielleicht ist die Abschreckung
nachhaltiger, wenn in der Sprache der Elefanten vor dem Betreten gewarnt
wird. Man müsste dafür allerdings den Code im Laut für „Geh lieber weg“
finden.
## Die Technik erfordert verantwortliches Handeln
Ein ebenfalls in diesem Zusammenhang gern zitiertes Beispiel ist eine 1972
veröffentlichte Schallplatte mit [3][Walgesängen]. Sie wurde nicht nur ein
Verkaufsschlager, sondern begeisterte die Menschen so sehr für die
Meeressäuger, dass am Ende der internationale Walfang erstmals
eingeschränkt wurde.
Vielleicht sorgt auch die Erkenntnis, dass wir längst nicht die einzigen
Lebewesen mit einer komplexen Sprache sind, für mehr menschliche Demut.
Vielleicht fällt der Artenschutz etwas leichter, wenn wir ungefähr wissen,
worüber sich Tiere unterhalten. Je besser wir etwas kennen, je näher wir
uns einem Tier fühlen, desto eher sind wir bereit, es zu schützen –
jedenfalls in der Theorie.
Andererseits haben auch die Erkenntnisse über die hohe Intelligenz und die
Sozialkompetenz von Schweinen nicht dazu geführt, dass weniger Fleisch
gegessen wird. Und so gibt es auch schon warnende Stimmen, die vor einem
Missbrauch der künstlichen Tiersprache warnen. Wilderer könnten die
Techniken einsetzen, um Elefanten nicht nur zu lokalisieren, sondern auch,
um sie mit künstlichen Rufen direkt anzulocken.
Die Nutzung von Tierlauten in der Forschung hat immer auch Auswirkungen auf
die Sozialstruktur der Tiere und ist ein Eingriff in ihr Leben. Wie weit
darf dieser Eingriff gehen? Im Wissenschaftsjournal Science erschien
unlängst ein Artikel, in dem Forschende genaue Leitlinien und gesetzliche
Rahmen für den KI-Einsatz in der Wildtierforschung forderten. Der Tenor: Es
reiche nicht aus, eine neue Technologie zu schaffen, man müsse sich auch
der neuen Verantwortung stellen.
16 Dec 2024
## LINKS
[1] /Elefantenpopulation-im-suedlichen-Afrika/!6041233
[2] /Oekoakustikerin-ueber-Biodiversitaet/!5751044
[3] /Kinder-fragen-die-taz-antwortet/!5898516
## AUTOREN
Birk Grüling
## TAGS
Wissenschaft
Sprache
Tiere
GNS
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