| # taz.de -- Komödie „Freaky Tales“ in den Kinos: Ode an Oakland | |
| > Anna Boden und Ryan Fleck haben mit dem Film „Freaky Tales“ ein | |
| > filmisches Mixtape urbaner Subversion in der San Francisco Bay Area der | |
| > 1980er Jahre geschaffen. | |
| Bild: Für den Geldeintreiber Clint (Pedro Pascal) gibt es in „Freaky Tales�… | |
| Berlin taz | Warum ausgerechnet Marvel Studios auf Filmemacher aus dem | |
| Independentbereich setzt, ist eine Frage, die Verehrer wie Verächter der | |
| Superheldenschmiede gleichermaßen umtreibt. Denn glücklich scheinen oftmals | |
| beide Gruppen mit der Wahl von Regisseurinnen und Regisseuren wie Taika | |
| Waititi, Nia DaCosta oder [1][Chloé Zhao für die Inszenierung greller | |
| Megablockbuster] nicht zu sein. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. | |
| Immerhin muss die künstlerische Eigenständigkeit über gigantischen | |
| Einspielergebnissen und sonstigen Mainstream-Meriten des Marvel-Universums | |
| nicht verloren gehen. Das beweisen Anna Boden und Ryan Fleck gerade | |
| eindrucksvoll. Nach ihrer Arbeit an „Captain Marvel“ (2019) legt das | |
| Filmemacherpaar eine Anthologie vor, für die es sich wohl kaum einen | |
| größeren kommerziellen Erfolg ausgerechnet haben dürfte. Dafür ist ihr | |
| neuer Film in seiner Form zu verspielt, in seinem Fokus zu sperrig. | |
| „Freaky Tales“ versteht sich zuerst als eine Ode an Oakland, genauer an ein | |
| spezielles Lebensgefühl, das gegen Ende der 1980er Jahre dort vorherrschte. | |
| Die zahlreichen Bezüge zur Sport-, Musik- und sonstigen Popkulturgeschichte | |
| der Stadt in der San Francisco Bay Area im Detail zu entschlüsseln, ist | |
| aber keineswegs Voraussetzung, um Freude an diesem Kuriosum zu haben. | |
| Die vier Kurzgeschichten, die titelgebenden „Freaky Tales“, werden durch | |
| ein übernatürliches Phänomen zusammengehalten – um eine authentische | |
| Stadtchronik geht es also ohnehin nicht. Ein ominöses grünes Licht ist es, | |
| das in allen Kapiteln aufleuchtet wie ein radioaktiver Blitz am | |
| Nachthimmel. Über seinen Ursprung ist nichts bekannt. Vielleicht ein | |
| Geschenk von Aliens – vielleicht ein unheilvolles Vorzeichen, das den | |
| Weltuntergang prophezeit. | |
| ## Das Licht beeinflusst die Bewohner | |
| Fest steht allerdings: Es hat Einfluss auf die Bewohner der Stadt. Anna | |
| Boden und Ryan Fleck, die sich vor ihrem Ausflug in das Marvel Cinematic | |
| Universe vor allem mit dem [2][Sozialdrama „Half Nelson“] einen Namen | |
| gemacht haben, begehen glücklicherweise nicht den Fehler, die exakte | |
| Wirkung des mystischen Glühens reizlos zu vereindeutigen. Dass es im | |
| Zweifel auf der Seite der gutherzigen Underdogs steht und ihnen zu | |
| Gerechtigkeit verhilft, zeigt sich im Laufe der gut 100-minütigen Spielzeit | |
| auch so. | |
| Beeindruckender als die Handlung selbst ist in „Freaky Tales“ die Art und | |
| Weise, wie sie sich entfaltet. Die raue Bildästhetik und ihre entsättigten | |
| Farben werden durch aufflackerndes Neon, krakelige Comiczeichnungen und | |
| Szenen in flirrender VHS-Optik gebrochen. So entsteht ein visuelles | |
| Konzept, das wie die filmische Variante eines Zines wirkt – jene meist mit | |
| großer Detailverliebtheit selbstgemachten Heftchen, die vor allem in | |
| Gegenkulturen, etwa der Punkszene, weit verbreitet sind. | |
| In den besten Momenten des Films geht die auffällige Ästhetik nahtlos ins | |
| Geschehen über und beschwört, vibrierend vor subkultureller Energie, eine | |
| halb surreale, halb nostalgische Atmosphäre herauf. In der | |
| Eröffnungsepisode etwa, die sowohl vom entschlossenen Widerstand eines | |
| Punkrockklubs gegen die örtliche rechtsradikale Schlägertruppe als auch von | |
| der schüchternen Annäherung zwischen den beiden Szenekids Tina (Ji-young | |
| Yoo) und Lucid (Jack Champion) erzählt. | |
| Dabei wechselt sich die Leichtfüßigkeit von absurder Komik in | |
| Schnittgeschwindigkeit mit extremem Gore und bis in die schwarzen | |
| Letterbox-Balken hineinspritzenden Blutfontänen ab. Eine Mischung, die | |
| bisweilen an Quentin Tarantino erinnert – allerdings ist sie hier von einem | |
| deutlich spürbaren (links-)politischen Subtext durchzogen. Anna Boden und | |
| Ryan Fleck verfallen jedoch weder in platte Monothematik noch legen sie das | |
| Geschehen stupide auf eine einzige Lesart fest. | |
| ## Im dritten Kapitel erscheint Pedro Pascal | |
| Nachdem sich die Episode darauf etwa um zwei Möchtegernmusikerinnen | |
| (Normani Kordei Hamilton, Dominique Thorne) dreht, die sich in einem | |
| Rapbattle der lokalen Größe Too $hort (gespielt vom deutschen Künstler | |
| Symba) stellen, tritt Pedro Pascal im dritten Kapitel als | |
| Schuldeneintreiber auf, der seiner kriminellen Vergangenheit nach einem | |
| letzten Auftrag den Rücken kehren möchte. | |
| Der finale Abstecher in das Hinterzimmer einer Videothek – begleitet von | |
| einem amüsanten Cameo-Auftritt von Tom Hanks – nimmt jedoch eine | |
| unerwartet tragische Wendung. Dennoch ist klar, wie die Sache ausgehen | |
| wird, wenn Basketballspieler Eric „Sleepy“ Floyd (Jay Ellis) im letzten Akt | |
| auf einen sadistischen Polizisten (Ben Mendelsohn) trifft, der zuvor seine | |
| Schergen zu einem Einbruch in dessen Villa entsandt hat. | |
| Der Film endet schließlich in einer furios choreografierten | |
| Martial-Arts-Sequenz – und das scheint nur konsequent für ein Werk, dessen | |
| Gewicht vor allem in der Inszenierung liegt, die mit präzisem Gespür für | |
| Stimmung und Stil eine eigene, spaßig-überzeichnete Sprache der urbanen | |
| Subversion spricht. | |
| Damit erweist sich „Freaky Tales“ nicht nur als Hommage an Oakland, sondern | |
| an die Stadt im Allgemeinen, ihre Gegensätze und vor allem ihre | |
| pulsierenden Mikrokosmen aus Wut und Widerstand, wie man sie auch | |
| andernorts finden kann. | |
| 26 Jun 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Arabella Wintermayr | |
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