| # taz.de -- Solo-Debüt von Kim Deal: Zu cool für die große Showtreppe | |
| > Kim Deal, Galionsfigur der US-Indierockszene, veröffentlicht mit „Nobody | |
| > Loves You More“ ihr Solo-Debütalbum. Es handelt auch von der Demenz ihrer | |
| > Mutter. | |
| Bild: Wurde durch eine Zeitungsannonce zum Gründungsmitglied der Pixies, einer… | |
| Eine im ausgehenden Jahr so nicht erwartete musikalische Bilanz betrifft | |
| das anhaltende Aufbäumen des oft totgesagten, offenbar unzerstörbaren | |
| Quasi-Genres „Alternative Rock.“ Am Rande eines 90er-Jahre-Revivals, das | |
| Teenager zu bauchfreien Tops greifen und nostalgietrunkene Millennials die | |
| Tickets für die anstehende Oasis-Reunion-Tour wie im Rausch kaufen lässt, | |
| erschienen in den letzten Monaten unter anderem neue Alben [1][von den | |
| US-Künstler:innen Melvins, Sleater-Kinney], und Pixies. | |
| Keines davon schlug große Wellen, dennoch stehen alle für die Kontinuität | |
| einer in Subkulturen verwurzelten Ästhetik des Aufbegehrens gegen Pop als | |
| glatt gebügeltes Majorlabelprodukt. | |
| Indie eroberte in den ausgehenden 1980er Jahren den Mainstream, rückte | |
| Mitte der Neunziger nach Ende des Grunge-Hypes wieder in den Hintergrund | |
| und kommt inzwischen mal angestaubt, mal unprätentiös daher. Letztere | |
| Ausprägung lässt sich auf dem Album „Nobody Loves You More“ der 63-jähri… | |
| US-Künstlerin Kim Deal schön nachhören. | |
| Es ist ihr Debütalbum als Solistin und in den Songs klingt Deal, die einst | |
| bei den Pixies und mit den Breeders bekannt wurde, dabei so lässig wie eh | |
| und je. Denn sie mischt Fuzzgitarren mit perlenden Bläserarrangements und | |
| sanften Gesang mit schepperndem Schlagzeug. Hörbar ist dabei ihre lange | |
| Erfahrung als Musikerin, die schon als Jugendliche unablässig Songs | |
| komponierte und im Heimstudio aufnahm. | |
| ## Fünf Alben lang hielt die Pixies-Konstellation | |
| 1961 in Ohio geboren, meldete sich Deal 1986 auf eine Zeitungsannonce und | |
| wurde kurz darauf zum Gründungsmitglied der Pixies, einer der bald | |
| wichtigsten US-Bands ebenjener Alternative-Rock-Szene, die sich heute noch | |
| immer allen Abgesängen widersetzt. Fünf Alben lang hielt die Konstellation | |
| bis 1993, als die bandinternen Spannungen zu viel wurden. | |
| Auslöser für das Zerwürfnis war Deals Unzufriedenheit mit ihrer | |
| eingeschränkten Rolle als Bassistin und Backgroundsängerin. Erst in ihrer | |
| 1988 als Nebenprojekt gegründeten Band The Breeders konnte Deal der eigenen | |
| Kreativität mehr Raum geben. Das Erfolgsalbum „Last Splash“ hat inzwischen | |
| einen ähnlich legendären Status wie die Pixies-Alben „Surfer Rosa“ und | |
| „Doolittle“, an denen Deal noch als Bassistin beteiligt war. | |
| 1994 kam auch die Karriere der Breeders zu einem vorläufigen Ende, weil | |
| Schwester und Gitarristin Kelley Deal sich vom Heroin entzog. Kim, heute | |
| abstinent, kämpfte damals selbst mit Alkoholabhängigkeit und zog sich | |
| wieder in die zweite Reihe zurück. Sie spielte mit ihrem Projekt The Amps, | |
| arbeitete als Produzentin und [2][sang als Gast bei Bands wie Sonic Youth]. | |
| Nun also, endlich, das Solodebüt, auf dessen Cover sie sogar selbst zu | |
| sehen ist. Als Stilbruch mit der alten Ästhetik körniger Covercollagen | |
| sieht man hier Deal in einem Plastikmeer auf der eigenen Mini-Insel | |
| posieren. Umgeben von Gitarre, Amps, einem Flamingo und einem Saturnmodell | |
| wirkt die Musikerin wie ein zufriedener Souverän in sportlicher | |
| Fantasieuniform – passendes Bild für eine Karriere, die nie auf | |
| Selbstüberhöhung basierte, sondern als charmant-cooler Gegenentwurf zum | |
| Rockstarimage vieler Kollegen daherkam. | |
| Kim Deals Talent für einprägsame Hooks benötigt auf „Nobody Loves You More… | |
| genau 22 Sekunden, um das erste Mal aufzuscheinen. Der gleichnamige | |
| Titeltrack des Albums ist ein unerwarteter Bossa Nova, dessen eröffnende | |
| Textzeilen „I don’t know where I am / And I don’t care“ sich unversehen… | |
| einen für Deal typischen, so sanften wie eindringlichen Refrain verwandeln. | |
| ## Frisch und spielfreudig | |
| Stellvertretend für die Musik des gesamtes Albums charakterisierende | |
| Stilvielfalt ertönt wie aus dem Nichts ein Bläsersatz, zu dem Deal in | |
| Croonerin-Manier jede Showtreppe in Las Vegas herunterwandeln könnte – | |
| wofür sie wahrscheinlich aber zu cool ist. Es sind solche Kontraste | |
| zwischen jenem von den Pixies und Breeders bekannten lyrischen | |
| Understatement mit musikalischer Wandelbarkeit, die Kim Deals Soloalbum | |
| frisch und spielfreudig klingen lassen. | |
| „Are You Mine“ ist ein weiteres Highlight, ein Song, bei dem die | |
| 60er-Jahre-Ästhetik allerdings täuscht. Die zu schmalzigen Slidegitarren | |
| und gemütlicher Rhythmik vorgetragene Frage schildert kein romantisches | |
| Szenario, sondern den Blick von Deals an Alzheimer erkrankte Mutter auf | |
| ihre Tochter und die entschwindende Welt. | |
| Mehr noch als diese ruhigen, persönlichen Songs erinnern die krachigeren | |
| Tracks an die berühmten Vorgängerbands. Mal kratzen Breeders-artige | |
| Gitarren („Crystal“), mal verliert sich alles in etwas egale | |
| Indierock-Schunkler („Wish I Was“) – in jedem Fall hat Kim Deal die lange | |
| Entstehungszeit für ein abwechslungsreiches, nach ihren Vorstellungen | |
| produziertes Album genutzt. Es zementiert ihren Status als eine der | |
| einflussreichsten US-Musikerinnen ihrer Generation. | |
| 10 Dec 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jana Sotzko | |
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