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# taz.de -- Neues Album von Halsey: Unbedingt weiterleben
> Die Sängerin Halsey ist in den USA ein Star. Auf Ihrem neuen Konzeptalbum
> singt sie über seelische Befindlichkeiten und eigene Krankheiten.
Bild: Die Sängerin Halsey bei der Premiere des Films „Babygirl“ in Los Ang…
Für alle, die mit dem Namen Halsey nichts anfangen können: In den USA ist
die Sängerin, geboren 1994 als Ashley Nicolette Frangipane, ein Star.
Halsey spielt in einer Liga mit Pink. Eines ihrer fünf Alben stand an der
Spitze der US-Charts, die übrigen kamen jeweils bis auf Platz zwei. Bleibt
die Frage, [1][warum die in einem Kaff in New Jersey geborene
US-Amerikanerin in Deutschland noch keine Heldin geworden ist?]
Von Beginn an hatte Halsey in den zehner Jahren ein Händchen für Dance-Pop,
konnte aber genauso als Singer-Songwriterin mit klugen Texten überzeugen,
nur war sie halt immer eine Spur zu eigenwillig, im Vergleich zu den
konfektionierten Mainstream-Konkurrentinnen. Möglicherweise hat das im
gewohnheitsliebenden Deutschland nicht so gut funktioniert.
Mit ihrem jüngst erschienenen Konzeptalbum „The Great Impersonator“ stellt
sich Halsey nun einer ganz neuen Herausforderung. Sie überlegt sich als
Konzept, wie ihre Songs wohl in der Zeit zwischen den 1970er Jahren und der
Jahrtausendwende geklungen hätten. Statt zu versuchen, viel Geld mit einem
Trend zu machen, schlägt sie also wieder mal einen anderen Kurs ein.
Ihre neuen Stücke handeln von seelischen Befindlichkeiten, aber auch von
Krankheiten. Halsey leidet an einer bipolaren Störung und Endometriose,
während des Schreibprozesses wurden bei ihr zudem Leukämie und die
Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes diagnostiziert.
## Gelungener Spagat
Die Künstlerin sagte kürzlich, sie habe Glück, noch am Leben zu sein.
Spannend ist, wie Halsey trotzdem nicht auf die Tränendrüse drückt, sondern
mit „The End“ sogar einen gelungenen Spagat zwischen einem Liebeslied auf
der einen und dem Ausloten ihres gesundheitlichen Zustands auf der anderen
Seite hinbekommt.
„So, I ran into the clinic to see the man with his white coat / And his
stethoscope like a snake around his hand“ singt sie. Später fragt sie den
Mann, den sie liebt: „If you knew it was the end of the world / Could you
love me like a child?“ Musikalisch springt sie mit der akustischen Gitarre
in dieser melancholischen Ballade zurück in die 1970er Jahre. [2][Joni
Mitchell lässt grüßen.]
„[3][Lucky“ fischt beim gleichnamigen Britney-Spears-Hit.] Das heißt,
Halsey eignet sich den Refrain an, wechselt dabei aber von der dritten
Person zur Ich-Perspektive: „I’m so lucky / I’m a star“. Auch wenn dies…
Satz etwas anderes vermuten lässt: Sowohl das Original als auch diese
Coverversion greifen die Schattenseiten des Ruhms auf.
„Did it all to be included / My self-loathing so deep rooted“, erklärt
Halsey. „Inner child that’s unrecruited/ Truth is I’m not suited for it.�…
Halseys Dancepop groovt sich unterdessen an den Signaturesound der nuller
Jahre heran.
## Drei Briefe an Gott
Gleich drei Lieder tragen denselben Titel „Letter to God“. Allerdings
beziehen sie sich auf ganz unterschiedliche Jahre. „Letter to God (1974)“
lehnt sich klanglich an die frühe Cher an, das Stück fängt Halseys Kindheit
ein. Damals hat sie sich gewünscht, krank zu sein. Damit sie mehr
Aufmerksamkeit bekommt. Womöglich eine sich-selbst-erfüllende Prophezeiung?
Oha.
Ein paar Jahre später hat das Mädchen nämlich auf einmal mit gleich
mehreren Krankheiten zu kämpfen. Deshalb wünscht sie sich in „Letter to God
(1983)“ nichts sehnlicher, als wieder gesund zu werden: „Please, God, I
don’t want be sick“.
Im Intro verbandelt sich der Song mit Bruce Springsteens „I’m on Fire“, an
dessen Rhythmus er durchgehend ziemlich nah dranbleibt. Für „Letter to God
(1998) hat die R&B-Sängerin Aaliyah musikalisch Patin gestanden. Halsey
möchte nur eins: weiterleben. Sie will unbedingt bleiben – für ihren
kleinen Sohn: „And I don’t ever wanna leave him / But I don’t think it’…
choice“.
Bei „Lonely is the Muse“ hat die Gitarre Wumms, auch „Ego“ zieht es hin…
Rock. Die Cranberries-Sängerin Dolores O’Riordan mag hier als Referenz
herhalten. Bei Zeilen wie „And I wake up tired, think I’m better off dead“
spricht Halsey im Song „Ego“ offen über Depressionen.
Wirklich großartig ist das von Fiona Apple inspirierte Lied „Arsonist“.
Wenn der experimentelle Sound, angetrieben von HipHop-Beats, auf den mit
Effekten überlagerten Gesang trifft, schlägt einen das Düstere völlig in
seinen Bann. Hochklassiger Pop, der nie langweilig wird.
2 Jan 2025
## LINKS
[1] /Poptalent-Halsey-mit-neuem-Album/!5421879
[2] /Nach-Neil-Youngs-Abschied-von-Spotify/!5832461
[3] /Die-steile-These/!5703313
## AUTOREN
Dagmar Leischow
## TAGS
Pop
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Urheberrecht
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Neues Album
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