| # taz.de -- Neues Album von Melvins-Gitarrist Buzzo: Musik ohne Strom | |
| > Besonders durch den Ausnahmezustand: „Gift of Sacrifice“ ist ein | |
| > akustisches antiautoritäres Pädagogikalbum von Melvins-Gitarrist Buzz | |
| > Osborne. | |
| Bild: Keine Clownereien: Buzz „King Buzzo“ Osborne und Trevor „Dunno“ D… | |
| Sie sind die großen, zähen Rätselhaften. Und sie ziehen ihr Ding fanatisch | |
| durch. Etwa seit 1984 gibt es die Melvins, eine Band in klassischer | |
| Rockrumpfbesetzung: Drums, Gitarre und Bass. Über die Jahrzehnte haben sie | |
| aus dieser konventionellen Versuchsanordnung einen vollkommen eigenwilligen | |
| Stil entwickeln können. Ihr charakteristisches Schaben und Schürfen | |
| zwischen Punk, Metal und Doom hat daher viele, treue Fans. | |
| Begonnen haben die Melvins weit oben im Bundesstaat Washington an der | |
| US-Westküste im pazifischen Nordwesten in der Kleinstadt Aberdeen. Nach | |
| Zwischenstationen in Seattle, wo sie 1987 die „Grunge“-Welle mitausgelöst | |
| haben, sind sie weiter südlich nach San Francisco gezogen. Mittlerweile | |
| operiert die Band von Los Angeles aus. Der harte Kern der Melvins – | |
| [1][auch nach unzähligen Alben und Touren] – sind Buzz Osborne und Dale | |
| Crover. Osborne singt und spielt Gitarre, Crover trommelt, wechselnde | |
| BassistInnen steigen mit ein. | |
| 2018 kam das jüngste Melvins-Album „Pinkus Abortion Technician“ heraus. | |
| Aber von Müßiggang keine Spur, Buzz Osborne wandelt auch auf Solopfaden und | |
| nennt sich dann King Buzzo. 2014 veröffentlichte er unter diesen Namen | |
| „This Machine Kills Artists“ und wechselte zur Akustik- und Westerngitarre | |
| und einem Kontrabass, dessen Schmatzen bewusst vorne im Mix steht. | |
| King Buzzo ist glühender Fan der Hardrockgruppe [2][Kiss], das hat | |
| vielleicht mit seinem Aufwachsen in einer Wohnwagensiedlung zu tun. Die | |
| daraus entwickelte Intensität hat seinen Mut als Musiker beflügelt, der von | |
| ganz unten kommt und sich aus den Verhältnissen herausgespielt hat. Auf | |
| „This Machine Kills Artists“, 2014, folgt nun das zusammen mit Trevor Dunn | |
| entstandene Album „Gift of Sacrifice“. King Buzzo spielt wieder | |
| Akustikgitarre, während Trevor Dunn (Teil der Bands Mr. Bungle und | |
| Fantômas) den Kontra-, bzw. Akustikbass zupft. | |
| „Gift of Sacrifice“ ist ein unheimlicher Titel, übersetzt bedeutet er in | |
| etwa „Geschenkte Opferung“. Man merkt daran, dass es bei den Melvins auf | |
| musikalischer Ebene darum geht, in Konventionen eine metaphysische Ebene | |
| einzuziehen. Das war schon so bei den frühen Alben [3][„Ozma“ (1989)] und | |
| „Bullhead“ (1992). | |
| ## Do-it-yourself-Avantgarde | |
| Ähnlich ist der Stil von King Buzzo, der eben nicht selbstzufrieden | |
| herummuckt, sondern in seinen Songs zeigt, was Instrumente, simpel gedacht, | |
| von sich aus können. Dadurch sind die Melvins zur selbstorganisierten | |
| Avantgarde geworden, bestimmte Akkorde erklingen immer wieder und begründen | |
| eine eigene Songwriting-Schule. King Buzzos akustisch gespielte Songs | |
| werden durch Noise abgerundet, wenn die Gitarren aufhören und Lärm ertönt, | |
| wird es experimentell und mithilfe von Maschinen gelingt diese Fusion. | |
| Nicht unbedingt das, was man erwarten würde, so man den Gitarren und dem | |
| Gesang der beiden Musiker folgt. Andererseits weiß man um die Entwicklung | |
| der Melvins Richtung Avantgarde, sie bleiben unausrechenbar und eckig. Wie | |
| ihr Album „A Walk with Love & Death“ (2017), das voller sperrig | |
| abgefahrener Songs war. | |
| „Gift of Sacrifice“ von King Buzzo und Trevor Dunn sollte zunächst im Mai | |
| veröffentlicht werden. Corona hat einen Strich durch die Rechnung gemacht. | |
| Darin steckt weniger Marktkalkül als Verantwortungsbewusstsein. King Buzzo | |
| und Trevor Dunn war es im Lockdown zunächst unmöglich, im Studio | |
| weiterzuarbeiten. Einige bereits fertiggestellte Songs wurden daher vorab | |
| im Internet veröffentlicht. Die Melvins haben reagiert. | |
| Die US-Gesundheitskrise sei so gravierend, dass sie ihre Fans zu mehr | |
| Solidarität aufriefen: „Bleibt zu Hause, hört unsere Songs oder spielt | |
| selbst auf der Gitarre und vertreibt euch die Langeweile.“ „Housing, | |
| Luxury, Energy“ ist der beste, eingängigste Song auf diesem angenehmen | |
| antiautoritären Pädagogikalbum der Melvins. Es mag angesichts der | |
| apokalyptischen, dem Klimawandel geschuldeten Großfeuern an der | |
| US-Westküste ein seltsamer Zufall sein, dass King Buzzo und Trevor Dunn | |
| Musik ohne Strom gemacht haben. Es klingt wie [4][eine Aufforderung], dass | |
| ihre HörerInnen resistent bleiben und sie selbst als Schuster bei ihren | |
| Leisten. Ein schönes Geschenk. Insofern ist „Gift of Sacrifice“ weniger die | |
| titelgebende Opferung. | |
| 14 Sep 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Konzert-The-Melvins/!5109682/ | |
| [2] /Kiss-kommen-zurueck/!5181186/ | |
| [3] https://www.youtube.com/watch?v=GwcvzqWB9WM | |
| [4] https://www.youtube.com/watch?v=59irHuReEiY | |
| ## AUTOREN | |
| Christopher Strunz | |
| ## TAGS | |
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