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# taz.de -- Ermittlungen im Fall Lorenz A.: Ohne Warnschuss erschossen
> Die Polizei hat im Fall des getöteten Lorenz A. laut Staatsanwaltschaft
> wohl keinen Warnschuss abgegeben. Ob Anklage erhoben wird, ist nicht
> sicher.
Bild: Protestierende fordern auf einer Demo nach Lorenz A.s Tod, dass der Poliz…
Oldenburg taz | Die tödlichen Schüsse des Polizisten trafen [1][Lorenz A.]
in der Nacht zu Ostersonntag wohl ohne Vorwarnung. Die Polizei habe den
21-jährigen Schwarzen „unter Vorhalt der Schusswaffen lautstark zum
Anhalten aufgefordert“, aber: „Weder die Videoaufzeichnungen noch die
übrigen bisherigen Ermittlungsergebnisse zeigen Anhaltspunkte dafür, dass
ein Warnschuss abgegeben wurde.“ Das teilte die Staatsanwaltschaft
Oldenburg am Donnerstag in einem vorläufigen Ermittlungsergebnis mit.
Der Rechtsbeistand von Lorenz A.s Mutter, Thomas Feltes, erklärt vor diesem
Hintergrund: „Ein Schusswaffengebrauch muss immer angedroht werden, es sei
denn, es besteht eine unmittelbare Gefahr. Die Androhung kann auch durch
einen Warnschuss erfolgen.“
Der Konfrontation mit der Polizei war in der Nacht auf Ostersonntag eine
Auseinandersetzung vor einer Bar in der Oldenburger Innenstadt
vorausgegangen, an deren Ende Lorenz A. Pfefferspray versprüht haben soll.
Daraufhin soll er von mehreren Personen verfolgt worden sein. Um sie
abzuschütteln, soll er seinen Verfolgern ein Messer gezeigt und dann wieder
eingesteckt haben. Anschließend ist er weiter durch die Innenstadt
geflüchtet. Nach einem ersten Treffen auf die Polizei ist er in der
Achternstraße auf eine zweite Polizeistreife gestoßen.
## Nur schemenhafte Videoaufnahmen
Er lief laut Staatsanwaltschaft an den Polizisten vorbei, wobei er
Pfefferspray in ihre Richtung gesprüht haben soll. Dann schoss ein Beamter
und traf ihn mit drei Kugeln von hinten. Ein vierter Schuss streifte seinen
Oberschenkel. In einer ersten Pressemitteilung hatte die Polizei noch
behauptet, Lorenz A. sei „bedrohlich“ auf sie zugegangen. Das Interesse an
dem Fall ist bundesweit groß.
Um den [2][genauen Ablauf der Ereignisse] nachzuvollziehen, hat die Polizei
gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Niedersachsen Audio- und Videoaufnahmen
der Oldenburger Innenstadt aus der Tatnacht gesammelt, zusammengefügt und
ausgewertet. Das Ergebnis ist ernüchternd.
Die etwa 20 Sekunden an relevantem Material seien aufgrund der
Videoqualität und der Sichtverhältnisse „teilweise nur schemenhaft“. Laut
Staatsanwaltschaft sei eine vollständige Rekonstruktion der Geschehnisse
allein auf Grundlage der Videoaufzeichnungen deshalb nicht mehr möglich.
## Keine Bodycam-Aufnahmen
Ein klares Bild hätten [3][Bodycam-Aufnahmen der Polizist*innen]
liefern können. Die Kameras waren jedoch bei allen beteiligten
Beamt*innen ausgeschaltet, wie die Staatsanwaltschaft schon in der Woche
nach den Schüssen mitteilte.
Weitere Erkenntnisse erhofft sie sich durch ein bereits vorliegendes
Gutachten zu Schmauchspuren an der Kleidung von Lorenz A. und noch
ausstehende technische Gutachten, darunter eine 3D-Rekonstruktion des
Tatortes durch das Landeskriminalamt. Auch den Funkverkehr hat die
Staatsanwaltschaft ausgewertet.
Zuständig für die andauernden Ermittlungen in Oldenburg ist die benachbarte
Polizeiinspektion Delmenhorst. 2021 starb in deren Gewahrsam [4][unter bis
heute nicht geklärten Umständen Qosay Khalaf]. Damals ermittelte Oldenburg,
aus „Neutralitätsgründen“, wie nun umgekehrt die Delmenhorster
Kolleg*innen zuständig sind. Beide Polizeiinspektionen unterstehen der
Polizeidirektion Oldenburg.
„Es reicht nicht, auf interne Ermittlungen zu vertrauen“, kritisiert die
Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“. Sie fordert neben der lückenlosen
Aufklärung des Falls eine unabhängige Beschwerdestelle für die Polizei, den
verpflichtenden Einsatz von Bodycams und Maßnahmen gegen institutionellen
Rassismus.
## Ähnlicher Fall in Düsseldorf
Es deutet nichts darauf hin, dass für den Oldenburger Polizisten oder
andere eine Gefahr für Leib und Leben bestand. Ob die Staatsanwaltschaft
Anklage erheben wird, ist dennoch nicht sicher. Bei Fällen von
rechtswidriger Polizeigewalt landen am Ende des Ermittlungsverfahrens nur
etwa zwei Prozent tatsächlich vor Gericht.
Selbst wenn Polizist*innen sich vor Gericht verantworten müssen, haben
sie fast nie mit Konsequenzen zu rechnen, wie zuletzt am Dienstag ein
Urteil in Düsseldorf zeigte. Dort hatte ein Polizist nach einer
Auseinandersetzung auf einen psychisch kranken Mann geschossen. Wie in
Oldenburg schoss der Polizist auch in Düsseldorf von hinten. Der heute
33-jährige Angeschossenen wurde lebensgefährlich verletzt und musste
notoperiert werden.
„Er hätte die Schüsse nicht abgeben dürfen“, erklärte der Vorsitzende
Richter am Landgericht. Sie seien nicht verhältnismäßig gewesen, Notwehr
habe nicht bestanden. [5][Trotzdem sprach er den Angeklagten frei]. Die
Begründung: Der Polizist habe sich in einer hochdynamischen Situation
befunden und unter enormem Stress eine Fehleinschätzung getroffen. Das sei
nicht strafbar. Ähnlich argumentieren im Fall Lorenz A. die
Polizeigewerkschaften und Teile der Politik.
Die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf hat Revision eingelegt. Der Fall
landet jetzt beim Bundesgerichtshof. Dessen Entscheidung dürfte wegen der
Parallelen auch für den Fall in Oldenburg relevant sein.
6 Jun 2025
## LINKS
[1] /Geburtstag-von-getoetetem-Lorenz-A/!6084446
[2] /Trauer-um-Lorenz-A/!6084205
[3] /Buch-ueber-Rolle-der-Polizei/!6087636
[4] /Ermittlungen-im-Fall-Qosay-Khalaf/!5821955
[5] https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/duesseldorf-polizist-urteil-schue…
## AUTOREN
Aljoscha Hoepfner
## TAGS
Tödliche Polizeischüsse
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