# taz.de -- Streit um Ganztagsbetreuung: Schleswig-Holstein muss noch Hausaufga… | |
> Schleswig-Holsteins Konzept für die Ganztagsbetreuung für | |
> Erstklässler:innen stößt auf Kritik: zu wenig Fachkräfte, zu viel | |
> Flickenteppich. | |
Bild: Umstritten ist, wer es macht: Nachmittags sollen in Schleswig-Holstein au… | |
Ab dem Schuljahr 2026 haben alle Erstklässler:innen bundesweit einen | |
Anspruch auf Ganztagsbetreuung. Dazu braucht es Räume, Personal und Ideen, | |
was die [1][Kinder in den Nachmittagsstunden machen können]. | |
Schleswig-Holsteins Landesregierung hat dazu ein Rahmenkonzept aufgelegt, | |
das Bildungsministerium sieht sich auf einem guten Weg. Immerhin bei den | |
Finanzen gab es eine Einigung zwischen Land und Kommunen. Doch die | |
Opposition und zahlreiche Vereine und Verbände bleiben kritisch. | |
„Das Land vertut eine Chance“, sagt Kerstin Quellmann, Co-Landesvorsitzende | |
der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Bei den | |
Ganztagskonzepten werde „alles der Finanzierung untergeordnet“. Am Ende | |
könnte ein „Flickenteppich“ stehen, weil jede Schule, je nach | |
Finanzausstattung der zuständigen Gemeinden, ein anderes Modell fährt. | |
Denn das Land erlaubt für den Anfang auch Betreuung ganz ohne Fachkräfte. | |
Bei diesem „Modell 1“ könnten zum Beispiel Ehrenamtliche den Kindern bei | |
den Hausaufgaben helfen und „Zeiträume für freies Spiel schaffen“, so hei… | |
es in einem Papier. Quellmann ist das zu wenig: „Es geht nicht nur darum, | |
den Kindern beim Spielen zuzugucken, sondern um Bildung, und die braucht | |
höchste Qualität.“ | |
## Ganztagsbetreuung als Gemeinschaftsaufgabe | |
Besorgt ist auch Michael Saitner, Vorstand des Paritätischen | |
Wohlfahrtsverbandes Schleswig-Holstein: „Wir sehen, dass uns die Zeit | |
wegläuft und Hausaufgaben liegen bleiben.“ Der Verband stehe auf der Seite | |
der Kommunen, die nicht wüssten, wie sie mit Personalmangel und Kosten | |
umgehen sollten. Zum Beispiel in Kiel, wo die für Bildung zuständige | |
Bürgermeisterin Renate Treutel warnte, der Ganztag stehe „vor dem Kollaps“. | |
Ganztagsbetreuung ist eine Gemeinschaftsaufgabe: Neben dem Land sind die | |
Kommunen als Schulträger beteiligt, Schulleitungen und Lehrkräfte, aber | |
auch Fachkräfte für Erziehung, Sozialarbeit, Jugendhilfe, freischaffende | |
Honorarkräfte und Ehrenamtliche. Eine verbindliche Einbeziehung aller | |
Beteiligten fordern mehrere Vereine in einem offenen Brief [2][an die | |
Bildungsministerin Dorit Stenke (CDU)]. Sie hat das Amt erst im Mai von | |
Karin Prien (CDU) übernommen – der Wechsel an der Spitze des Ministeriums | |
hat den Protest zum Ganztagskonzept neu befeuert. „In nicht öffentlichen | |
Treffen weisen wir ständig darauf hin“, betont Saitner. „Aber wir erleben | |
leider nicht, dass unsere Einwände Gehör finden.“ | |
Staatssekretär Tobias von der Heide (CDU) hält die Kritik für übertrieben | |
und ein bisschen unfair. Denn Schleswig-Holstein sei „unheimlich weit“ bei | |
der Umsetzung der Ganztagsbetreuung, sagte er der taz. [3][Dagegen sprechen | |
allerdings die Zahlen des „Fachkräfte-Radars 2022“], einer [4][Studie der | |
Bertelsmann-Stiftung]. Demnach liegt in Schleswig-Holstein die | |
Teilhabequote an Ganztagsangeboten deutlich unter dem Bundesschnitt, das | |
Land muss Plätze ausbauen. Niedersachsen und Bremen liegen zwar über dem | |
Schnitt, brauchen aber noch Fachkräfte. Hamburg dagegen stellt bereits | |
jedem Kind einen Betreuungsplatz. | |
## Konzept bei CDU-Veranstaltung vorgestellt | |
Aber Schleswig-Holstein tue zurzeit viel, betont von der Heide, das gelte | |
auch für die Finanzierung, bei der sich das Land „sehr stark engagiere“. | |
Nach langen Debatten einigten sich Kommunen und Land in dieser Woche | |
darauf, dass die Regierung 85 Prozent für den Ausbau von Angeboten | |
inklusive Personalbedarf übernimmt. Damit sei Schleswig-Holstein das erste | |
Bundesland, das eine solche Vereinbarung treffe, so Finanzministerin Silke | |
Schneider (Grüne). Das Land hofft, dass der Bund einen Teil übernimmt. Die | |
Kommunen zeigten sich erleichtert. | |
Auch mit den weiteren Gruppen und Vereinen sei das Land im Kontakt, sagt | |
von der Heide. Die inhaltliche Kritik lässt er nicht gelten: Das | |
Rahmenkonzept sei eindeutig „vom Kind aus gedacht“. | |
Dieses Konzept hatte allerdings einen schlechten Start, weil das | |
Bildungsministerium es zuerst bei einer CDU-Veranstaltung vorstellte. Das | |
brachte vor allem die Landtagsopposition auf die Palme: „Schulen, Städte | |
und Gemeinden warten seit Monaten auf das Konzept, aber bekannt wurde es | |
bei einer Abschiedsparty für Frau Prien“, ärgerte sich Martin Habersaat | |
(SPD). | |
## Zwischen den Ministerien knirscht es | |
Inzwischen ist das Konzept öffentlich. Es geht um Themen wie | |
„Chancengerechtigkeit“ und „Leistungsförderung“, aber auch um die | |
Zusammenarbeit aller Akteur:innen. | |
Besonders wichtig ist die Frage, wie sich Personal gewinnen lässt. Eine | |
Idee bringt der Paritätische Wohlfahrtsverband ins Spiel: Sogenannte | |
„sozial erfahrene Personen“, die zurzeit am Vormittag die Schulbegleitung | |
von Kindern mit Förderbedarf übernehmen, könnten für den Nachmittag | |
weiterqualifiziert werden. Bis zu den Sommerferien sollten alle Fakten und | |
Ideen auf dem Tisch liegen, verspricht von der Heide. Damit sei noch | |
ausreichend Zeit, mit den Beteiligten über offene Fragen zu sprechen. | |
Das bezieht auch das Sozialministerium mit ein, das von der Grünen Aminata | |
Touré geführt wird. Zwischen beiden Ministerien knirsche es manchmal, heißt | |
es von verschiedenen Seiten. Staatssekretär von der Heide kann das nicht | |
ganz abstreiten. Aber er verspricht: „Wir verbessern das noch mal.“ | |
19 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Schulleiterin-ueber-Arbeit-im-Brennpunkt/!6087253 | |
[2] /Schleswig-Holsteins-Bildungsministerin/!6086722 | |
[3] https://www.bertelsmann-stiftung.de/en/themen/aktuelle-meldungen/2022/juli/… | |
[4] /Studie-zu-Ganztagsbetreuung/!5865980 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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