# taz.de -- Sachbuch „Spionage im Grenzland“: „Eine Warnung für heute“ | |
> Ein deutsch-dänisches Team hat die Spionagegeschichte Schleswig-Holsteins | |
> aufgeschrieben. Das Buch soll auch für aktuelle Spionage sensiblisieren. | |
Bild: Wirtin Esselbach aus Schleswig hörte ihren preußischen Gästen besonder… | |
Kiel taz | Kohllieferungen aus Dithmarschen, Tratsch aus dem Landtag und | |
Treffen der deutschen und dänischen [1][Minderheiten]: Ausländische | |
Geheimdienste interessierten sich im Lauf der Jahrzehnte für ganz | |
unterschiedliche Dinge und Personen in der deutsch-dänischen Grenzregion. | |
Ein deutsch-dänisches Forschungsprojekt hat sich mit dieser „Spionage im | |
Grenzland“ befasst. Ein gleichnamiger Sammelband erscheint Ende des Monats. | |
Das Werk schildert geheimdienstliche Tätigkeiten vom 19. Jahrhundert bis | |
zum Ende der DDR. Die Aufsätze lassen sich als Warnung für heute lesen. | |
„Hecht“ lautete der Name, unter dem das Ministerium für Staatssicherheit | |
der DDR den Lübecker SPD-Politiker und späteren Schleswig-Holsteinischen | |
Ministerpräsidenten Björn Engholm führte. Engholm galt als „Kontaktperson�… | |
Das bedeutete nicht, dass er ein Agent war. Die Stasi bezeichnete ihn so, | |
weil sie gut an ihn herankam: „Er war eine Quelle, die verlässlich | |
abgeschöpft werden konnte“, wie Helmut Müller-Ensberg, Professor für die | |
Geschichte des Kalten Krieges an der Uni im dänischen Odense, bei der | |
Vorstellung des Forschungsprojekts erklärt. | |
51 Agent:innen sammelten 1988/89 in Schleswig-Holstein Material für die | |
[2][DDR]: Das Land stand im Fokus auch wegen seiner Lage zwischen den | |
Meeren, die auch heute noch strategisch bedeutend ist: In den vergangenen | |
Monaten wurden immer wieder [3][Drohnen-Aktivitäten über Militär- und | |
Industrieanlagen gesichtet]. Müller-Ensberg sieht denn auch in der | |
Geschichte eine Warnung: „Ich möchte dem Landtag nahelegen, anhand der | |
Aktenlage zu ermitteln, wie es einer fremden Macht gelingt, Fraktionen im | |
Parlament zu benutzen und für welche Dinge sie sich interessieren.“ | |
Das können ganz normale Dinge sein, etwa Ernte- oder Dünger-Transporte. | |
Während des Zweiten Weltkriegs interessierte sich der britische | |
Geheimdienst für diesen Indikator der Versorgungslage. Anne Rheder | |
Andersen, Historikerin der Universität Odense, hat die Quellen in | |
englischen Archiven ausgewertet, vor allem Zeitungstexte. Offen | |
zugängliches Material bilde einen wichtigen Teil der geheimdienstlichen | |
Tätigkeit, so Andersen: „Warum soll man Agenten schicken, wenn man die | |
Dinge in Zeitungen findet?“ | |
Vor allem aber sind es Menschen, die Nachrichten liefern, aus Überzeugung, | |
Geldgier und sonstigen Gründen. Nur wenige davon sehen aus wie James Bond. | |
Während der Kriege im 19. Jahrhundert war etwa die Hotelbesitzerin Doris | |
Esselbach, eine Legende in Schleswig bis heute, eine „hochgeschätzte | |
dänische Spionin“, heißt es im Aufsatz von Kristian Bruhn, Kurator im | |
Museum Mosede Forts und früher Archivar des dänischen Nationalarchivs. Er | |
befasste sich fürs Projekt mit den Aktivitäten ausländischer | |
Militärgeheimdienste vor und im Ersten Weltkrieg. Die Wirtin sei unter | |
Preußen und Dänen gleichermaßen bekannt für ihr „herzliches Entgegenkomme… | |
gewesen „und ihre Gastfreundschaft gegenüber beiden Konfliktparteien“. Dass | |
sie jahrelang Informationen lieferte, erfuhr niemand. | |
Manche Spione wechselten von einem Regime zum anderen. Bodo von | |
Hechelhammer, bis 2021 leitender Historiker des Bundesnachrichtendienstes, | |
schildert die „klandestinen Karrieren des Hans Sommer“. Der, 1914 in | |
Nortorf geboren, trat bereits 1930 der Hitlerjugend bei. Später jagte er | |
beim NS-Sicherheitsdienst „Feinde des Dritten Reiches“ und organisierte in | |
Frankreich Terror-Anschläge, unter anderem auf Synagogen. Dafür wurde er in | |
Frankreich verurteilt, kam aber 1950 nach Deutschland zurück und heuerte | |
bei der von Nazi-Kadern dominierten „Organisation Gehlen“ an, dem Vorläufer | |
des BND. | |
Sommers NS-Vergangenheit führte 1953 überraschenderweise zu seiner | |
Entlassung. Er ließ sich daraufhin von der Stasi anwerben. Es war „eine | |
hohe Aktivität Sommers auf sämtlichen geheimdienstlichen Einsatzfeldern zu | |
verzeichnen“, schreibt Hechelhammer. Sommers detaillierte Berichte gaben | |
den DDR-Behörden Einblicke in den [4][BND]. Auch der sowjetische [5][KGB] | |
war interessiert. | |
Fast parallel verläuft die Geschichte von Gustav Hanelt, 1914 in | |
Schmachthagen geboren. Auch Hanelt sei schon „als Schüler braun-glänzend“ | |
gewesen, sagt Müller-Ensberg, der den Aufsatz über ihn verfasst hat. In der | |
NS-Zeit tat sich Hanelt durch Grausamkeit hervor, kam nach kurzer Haft frei | |
und wurde Mitglied einer geheimen „Bruderschaft, dem blutigsten Teil der | |
NS-Elite, der nicht aufgehängt wurde“, so Müller-Ensberg. Diese Personen | |
warb die [6][Stasi] mit Vorliebe an, so spionierte der überzeugte Nazi | |
Hanelt nun für den sozialistischen Staat. | |
Der Kieler Landtag hat das Forschungsprojekt mit rund 36.000 Euro | |
gefördert. Eine einstimmige Entscheidung, wie Sybille Nitsch von der | |
SSW-Fraktion betont: Das Buch könne künftig im Geschichtsunterricht | |
eingesetzt werden – beidseits der Grenze. | |
16 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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