# taz.de -- Brücken-Chaos im Berliner Südosten: Alles geht kaputt, alles geht… | |
> Rund um die einsturzgefährdete Brücke an der Wuhlheide geht nichts mehr. | |
> Im Eiltempo soll der Abriss erfolgen, damit bald wieder die Tram fahren | |
> kann. | |
Bild: Nichts geht mehr: Die Brücke an der Wuhlheide ist bis auf Weiteres kompl… | |
Berlin taz | Das große Bröckeln geht weiter. Seit Montagmittag geht nichts | |
mehr auf, unter oder neben der Brücke an der Wuhlheide im Berliner | |
Südosten. War die Überführung selbst schon seit drei Wochen für den Verkehr | |
gesperrt, sind es jetzt auch der Straßenzug Rummelsburger Straße/An der | |
Wuhlheide auf ganzer Länge des Bauwerks sowie die Durchfahrt von der | |
Edisonstraße zur Treskowallee. | |
Mit einschneidenden Folgen: Nicht nur Autos müssen den Bereich weitläufig | |
umfahren, auch für Fußgänger und RadfahrerInnen sowie die Straßenbahnen der | |
BVG ist die direkte Verbindung zwischen Karlshorst und Oberschöneweide | |
abgeschnitten. | |
Entsprechend düster waren die Mienen bei einer kurzfristig am | |
Montagnachmittag anberaumten Pressekonferenz in der Verwaltung von | |
Senatorin Ute Bonde (CDU). Deren Abteilungsleiter für Tiefbau, Brücken und | |
Verkehrslenkung versuchten zu erklären, warum die erst 1989 fertiggestellte | |
Brücke nicht nur marode, sondern nach ihren jüngsten Erkenntnissen sogar | |
akut einsturzgefährdet ist – der Grund dafür, dass die Straßensperrungen so | |
umfangreich ausfallen. | |
Seit geraumer Zeit beobachte man Risse an der knapp 250 Meter langen | |
Konstruktion, so Bondes Tiefbau-Chef Lutz Adam. Die Zunahme dieser Schäden | |
habe sich zuletzt beschleunigt und auch nach der Sperrung der Brücke Ende | |
April nicht beruhigt. Im Gegensatz zur [1][vor Kurzem abgerissenen | |
Ringbahnbrücke der A100] ist die Wuhlheidebrücke kein Hohlkörper, sondern | |
durch und durch massiver Beton, dessen Eigengewicht sie nun offenbar immer | |
instabiler werden lässt. | |
## Heute verbotene Bauweise | |
Die technischen Einzelheiten sind komplex, laut Adam und seinem für | |
Brückenbauten zuständigen Kollegen Arne Huhn überlagern sich gleich drei | |
Problematiken: Da ist der korrosionsgefährdete und [2][seit dem Einsturz | |
der Dresdener Carolabrücke berüchtigte Hennigsdorfer Spannstahl], da sind | |
aber auch sogenannte Koppelfugen zwischen den Brückensegmenten, die zur | |
Rissbildung neigen. | |
„Es hat sich längst gezeigt, dass das eine verkehrte Bauweise ist, die ist | |
heute auch verboten“, so Adam. Als wäre das noch nicht genug, führt die | |
durch die Risse eindringende Feuchtigkeit zur | |
„Alkali-Kieselsäure-Reaktion“, dem sogenannten Betonkrebs. | |
Während am Montag rund um den Ort des Geschehens sitzengelassene | |
Tram-Fahrgäste nach Informationen suchten und Autos im Stau standen, wurde | |
ein Krisenstab aus Bondes Verwaltung, Polizei, Feuerwehr und BVG sowie den | |
betroffenen Bezirken Treptow-Köpenick und Lichtenberg gebildet. | |
„Verkehrsregelnde Maßnahmen“ sollen das schlimmste Chaos verhindern, wobei | |
es zumindest für den Schwerlastverkehr eigentlich nur eine – westliche – | |
Umfahrung gibt. Die Alternative durch die Wuhlheide über die | |
Rudolf-Rühl-Allee kommt wegen der Brücke über die Bahntrasse am S-Bahnhof | |
Wuhlheide nicht infrage, sie ist dafür nicht ausgelegt. | |
## Gewaltiges Problem für die BVG | |
[3][Für die BVG ist die Sperrung des Knotenpunkts ein gewaltiges Problem], | |
gleich mehrere Straßenbahnlinien sind betroffen. Laut Vorstand Henrik Falk | |
wird es nun bis auf Weiteres einen „Inselverkehr“ der Tram in Köpenick | |
geben, sprich: Die Bahnen, die dort unterwegs sind, fahren weiter in diesem | |
Teilnetz, können aber vorerst die Werkstatt im Betriebshof an der | |
Lichtenberger Siegfriedstraße nicht erreichen. | |
Allzu lange wird das nicht gut gehen, räumt Falk ein: „Wir können erst | |
einmal übliche Taktung in Köpenick anbieten, aber wenn der Weg nicht bald | |
wieder frei ist, kommen wir Schritt für Schritt in Probleme.“ | |
Ein Ersatzverkehr soll zwar eingerichtet werden, aber auch die Busse würden | |
voraussichtlich im Stau stehen. Falks Appell an die NutzerInnen: „Nutzen | |
Sie zwischen Schöneweide und Karlshorst die S-Bahn, wenn es geht. Das | |
Zauberwort lautet Ostkreuz.“ | |
## Neu gebaut wird nicht | |
Das Aus für die Brücke ist unterdessen definitiv: Zuletzt wurde sie von | |
rund 3.400 Pkws täglich genutzt, um die Kreuzung an der Wuhlheide ohne | |
Warten an der Ampel zu überqueren, das entsprach lediglich einem Drittel | |
des Gesamtverkehrs in dieser Richtung. | |
„Meine Meinung ist, dass wir diese Brücke nicht zwingend wieder aufbauen“, | |
formulierte es Senatorin Bonde etwas gestelzt. Die Herausforderung ist nun, | |
so schnell wie möglich eine Firma zu finden, die den Abriss in Rekordzeit | |
bewerkstelligt. | |
Wie lange es am Ende dauert, bis vor allem der neuralgische Mittelteil aus | |
dem Weg geräumt ist, darauf wollte sich am Montag niemand festlegen. „Ob | |
das 4, 6 oder 12 Wochen dauert, muss man sehen“, drückte Arne Huhn es aus. | |
Man werde aber „die Bauzeit dem Wettbewerb unterstellen“. Sprich: Wer | |
zusagt, schneller zu arbeiten, hat einen Vorteil bei der Ausschreibung. | |
Die Ausschreibung für eine erste Notmaßnahme hat es schon gegeben: Dabei | |
geht es um eine Abstützung mit den aus der Baustellenlogistik bekannten | |
„Riesen-Legosteinen“. Sie sollen verhindern, dass die Brücke zur Seite | |
kippt, was massive Schäden verursachen würde. | |
Die naheliegende Frage, welche Brücke als nächstes einstürzen könnte, | |
wollte aus ebenso naheliegenden Gründen am Montag niemand beantworten. Nur | |
so viel: Laut Lutz Adam gibt es in Berlin mehr als 70 Brücken mit | |
korrosionsgefährdetem Spannstahl, „aber die meisten haben nicht diese | |
Koppelfugen-Problematik“. Brücken, bei denen die alle drei Probleme | |
gleichzeitig aufträten, gebe es „wenige“ – was auch immer das heißt. | |
19 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Marode-A100-in-Berlin/!6081769 | |
[2] /Deutschlands-Ruf-im-Ausland/!6035370 | |
[3] /Verkehrsbetriebe-in-der-Krise/!6071491 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
## TAGS | |
BVG | |
Brücke | |
Ute Bonde | |
Treptow-Köpenick | |
Infrastruktur | |
Infrastruktur | |
Ute Bonde | |
Ute Bonde | |
Brücken | |
Infrastruktur | |
Autobahn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Abriss der Wuhlheide-Brücke: Glück gehabt – und dann doch nicht | |
Unsere Autorin hatte erst kein Problem damit, dass die Brücke an der | |
Wuhlheide für den Verkehr gesperrt wurde. Aber dabei blieb es bekanntlich | |
nicht. | |
Brücken-Schrott im Berliner Südosten: Berlin endlich mal erstklassig – wenn… | |
Die stark geschädigte Brücke an der Wuhlheide wird schneller abgerissen als | |
gedacht. Bereits Ende kommender Woche sollen wieder Trams fahren können. | |
Kein Geld mehr für Kiezblocks: „Diese Senatorin will Veränderung verhindern… | |
CDU und Senat sollten die Maßnahmen für Verkehrssicherheit nicht | |
torpedieren, findet die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara | |
Herrmann. | |
Marode Brücken: Sanierungsbedarf im dreistelligen Milliardenbereich | |
Viele Brücken in Deutschland sind in einem schlechten Zustand. Eine Studie | |
warnt, die Lage sei noch dramatischer als angenommen. | |
Marode A100 in Berlin: Verzögertes Anknabbern | |
Am Freitag sollten die ersten Brocken fallen, dann wurde noch umgeplant. | |
Trotzdem soll die Ringbahnbrücke der Berliner A100 in rasch Geschichte | |
sein. | |
Marode Autobahn in Berlin: Eine Spur weniger reicht doch auch | |
Bis Ende April soll die Ringbahnbrücke der A100 abgerissen sein. Das große | |
Chaos blieb aus, BUND und Verkehrsforscher fordern jetzt ein Downsizing. |