# taz.de -- Nachfolge der Letzten Generation: Generation Neuanfang | |
> Die Aktivisten haben ihre Lektion gelernt – das System sei kaputt, von | |
> Lobbys und Konzernen wie Springer verdorben. Jetzt geht es um Demokratie. | |
Bild: parlamentarische Beratungen der Neuen Generation | |
Berlin taz | Für die Springer-Blätter Bild, B. Z. und Welt waren die | |
Klimaaktivist:innen der Letzten Generation von Anfang an im besten | |
Falle „Klima-Kleber“, schlimmer aber noch „Klima-Kriminelle“. Erst am | |
Freitag titelte die B. Z. über eine ehemalige Letzte-Generation-Aktivistin, | |
die mit der Nachfolgegruppe Widerstandswelle einen Fahrradweg in der | |
Senefelderstraße aufgemalt hatte: „Lange Strafakte – und Lilli hört einfa… | |
nicht auf. Klima-Kriminelle schmiert wieder.“ | |
Kein anderes Medienhaus hat sich so fest gebissen und damit den Hass auf | |
die Aktivist:innen geschürt – immer mit dem Narrativ, ihre | |
Straßenblockaden seien ein Angriff auf rechtschaffende Bürger:innen oder | |
führten vor allem zur Behinderung von Rettungskräften. Die Folge waren eine | |
Vielzahl gefährlicher Situationen, in denen genervte Autofahrer:innen | |
ohne Rücksicht auf Verluste auf die Blockierer:innen zusteuerten. Man | |
kann von Glück sprechen, dass es während der Protestwellen in den | |
vergangenen beiden Jahren keine Toten gab. | |
Im vergangenen Sommer war der [1][Zyklus des Stör-Protestes an sein Ende | |
geraten], letztlich gescheitert: Die gesellschaftliche Zustimmung für | |
Klimaschutzmaßnahmen war geringer als vor dem Beginn der Proteste. Die | |
Aktivist:innen mussten sich mit hunderten Gerichtsverfahren | |
herumschlagen und auch mit Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen | |
Vereinigung. Über den Jahreswechsel folgte die Neuaufstellung – in zwei | |
Gruppen: die Neue Generation und die Widerstandswelle. | |
Nun sorgen beide erneut für öffentliche Aufmerksamkeit. Während die | |
Widerstandswelle auf direkte Aktionen mit Bezug zur Klimathematik setzt, | |
hat sich die Neue Generation auch inhaltlich neu orientiert: Ihnen geht es | |
um die gefährdete Demokratie, bedroht durch die Allianz aus Rechten und | |
Reichen. | |
## Versuchte Springer-Blockade | |
Der erste große Gegner, der in diesen Tagen ins Visier genommen wird, ist | |
der Springer-Konzern. Man könnte es fast für eine Racheaktion für den | |
gefährlichen Kampagnenjournalismus halten, wäre die Gruppe nicht geprägt | |
von einem positiven Menschenbild, von dem Versuch, immer gesprächsbereit zu | |
sein und konsequent gewaltfrei. | |
Zum Auftakt [2][sollte Sonntagnacht das Spandauer Druckhaus des Konzerns | |
blockiert] und damit die Auslieferung der Bild-Zeitung verhindert werden. | |
Hätte das funktioniert, wäre es ein Ausrufezeichen gewesen, die Medien | |
hätten sich mal wieder überschlagen. Doch die Polizei erreichte zusammen | |
mit den Aktivist:innen die Druckerei und verhinderte letztlich eine | |
effektive Blockade. Der Einsatz war robust, laut Aussage der Neuen | |
Generation wurde sogar eine Waffe gezogen. Geplant war eine bunte Blockade | |
mit Projektionen und Live-Musik, eine Debatte über die eigenen Visionen | |
gegen die Hetze von Springer. Doch zu nichts davon kam es. | |
Knapp 40 Aktivist:innen wurden schließlich festgenommen und erst am | |
Montag nach und nach aus den Gefangenensammelstellen entlassen. Die | |
Proteste gegen Springer sollen dennoch die Woche über weitergehen. | |
Gruppensprecher [3][Raphael Thelen], der ebenfalls erst am Montagmittag auf | |
freien Fuß kam, sagte gegenüber der taz, dass für Dienstag weitere Aktionen | |
geplant seien. | |
Und auch in den kommenden Wochen werde man die Aktionen in den Lokalgruppen | |
fortsetzen, nicht nur gegen Springer, sondern auch gegen Müllermilch, deren | |
Milliarden schwerer Chef Theo Müller die Nähe zur AfD sucht. Mehr Rechte | |
und Reiche geht nicht. | |
## Bedrohte Demokratie | |
Was nach dem alten Aktionismus aussieht, hat die Neue Generation | |
theoretisch für sich untermauert. Thelen sagt: Man sei mit Forderungen nach | |
Tempo 100 oder dem 9-Euro-Ticket gescheitert, obwohl breite Mehrheiten | |
genau das wollten. Warum? „Die Meinung der Bevölkerung findet in der | |
Entscheidungsfindung der Regierung keine Beachtung mehr. Das | |
Regierungssystem ist kaputt, von Lobbys zerfressen.“ Die Konsequenz aus | |
ihrer Analyse: „Wir brauchen eine demokratische Revolution.“ | |
Ein Baustein dafür soll das [4][„Parlament der Menschen“] sein, das am | |
Wochenende auf der Reichstagswiese sein Zelt aufgeschlagen hatte. Geloste | |
Teilnehmer:innen beraten hier über zentrale Zukunftsfragen. Das | |
Leitmotiv dabei: „Wie drängen wir den Einfluss von Geld auf unsere | |
Demokratie und Gesellschaft zurück?“ Thelen: „Wenn Klimaschutz gegen | |
Profitinteressen steht, gewinnt im aktuellen System immer der Profit.“ Also | |
soll ein „Update“ der Demokratie her – mit einem Gesellschaftsrat von | |
unten. In den nächsten Monaten wolle man mehr Menschen gewinnen, um am 3. | |
Oktober mit dem Parlament in die nächste Runde zu gehen. | |
Allein auf die linke Szene will sich die Neue Generation nicht berufen, | |
auch die „Enteignet Springer“-Kampagne des historischen SDS habe man sich | |
nicht zum Vorbild genommen, so Thelen. „Wir beziehen uns auf Mahatma | |
Gandhi, nicht auf Rudi Dutschke.“ | |
Man kann das durchaus als Versuch verstehen, die Gesellschaft dieses Mal | |
für sich zu gewinnen, statt gegen sich aufzubringen. Doch die Krux dabei | |
bleibt: Ohne Aktionen mit Empörungspotenzial bleibt die öffentliche | |
Aufmerksamkeit aus und finden womöglich die Massen, von denen man träumt, | |
nicht zur Neuen Generation. Die ein oder andere Springer-Schlagzeile wird | |
man sich im Geheimen wohl auch in Zukunft wünschen. | |
2 Jun 2025 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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