# taz.de -- Faule Regierungsmitglieder: 1,6 Kilometer mit dem Dienstwagen | |
> Unsere Kolumnistin wurde Zeugin, wie die neuen Regierungsmitglieder bei | |
> leichtem Sonnenschein den Weg vom Bundestag bis Bellevue mit dem Auto | |
> fuhren. | |
Bild: Zweitwahlgangskanzler Friedrich Merz verlässt das Schloss Bellevue | |
Neulich war ich mit dem Nachwuchs Eis essen. Wir radelten drei Kilometer zu | |
einer der besten Eisdielen der Stadt auf der anderen Seite des Tiergartens. | |
Als wir am Schloss Bellevue vorbeikamen, standen auf dem Gehweg Polizisten. | |
Ich fragte, was los sei. „Wir haben einen neuen Bundeskanzler.“ Oh, dachte | |
ich, [1][vor drei Stunden hieß es noch Pleiten, Pech und Pannen] – und nun | |
gibt es schon die Siegerurkunde. | |
Wir gingen unser Eis essen – und sahen auf dem Rückweg den Vorplatz des | |
Präsidentenschlosses mit Autos zugeparkt. Das erste fuhr vor, Bellevues Tür | |
öffnete sich, der frische Zweitwahlgangskanzler trat heraus und stieg ein. | |
In den folgenden Minuten stand ich und betrachtete eine Menge abfahrender | |
Pkws, die von den Kindern hinsichtlich Marken, Ausstattungsmerkmalen und | |
Preis kommentiert wurden. | |
Ich selbst kenne bei Autos ja nur drei Kategorien: klein, groß und alberne | |
Gebilde, bei denen ich immer denke, jemand hätte mit einer Luftpumpe ein | |
normales Auto comicmäßig in Größe und Dicke verzerrt. Die | |
vorbeidefilierenden Fahrzeuge waren alle groß und kosten um die | |
hunderttausend Euro. Nacheinander bogen sie Richtung Bundestag ab. | |
Ein wahrhaft historischer Moment. Bundestag und Schloss Bellevue liegen nur | |
1,6 Kilometer auseinander. Fahrstrecke, nicht Luftlinie. Und wir sahen mit | |
eigenen Augen, wie die knapp zwanzig Menschen, die in den kommenden Jahren | |
politische Entscheidungen in Deutschland umsetzen werden, bei leichtem | |
Sonnenschein und Frühlingstemperaturen gleichzeitig und doch einzeln | |
unterwegs waren: 1,6 Kilometer hin, Urkunde bekommen, 1,6 Kilometer zurück. | |
## Und anschließend den Radverkehrsbeauftragten abschaffen | |
Jetzt können wir bezeugen, dass diese Crème de la Exekutive bei allem | |
versammelten Sachverstand und trockener Analyse nicht auf die | |
wirtschaftliche Idee gekommen ist, einfach einen Bus zu nehmen. Oder | |
zumindest Fahrgemeinschaften zu bilden. Oder mit dem Fahrrad zu kommen. | |
Letztes Mal klemmte mit Cem Özdemir zumindest ein Minister seine | |
Ernennungsurkunde auf den Gepäckträger. Und bewies damit, dass die Strecke | |
auch aus eigener Kraft, in eigener Leistung bewältigbar ist. Die | |
derzeitigen Kabinettsmitglieder brauchten für diesen höhenmeterlosen | |
Biobike-Weg nicht nur jeweils ein Auto im Wert zweier durchschnittlicher | |
deutscher Bruttojahresverdienste, sondern sogar einen Fahrer! Um | |
anschließend zu einer ersten Sitzung zusammenzukommen und den | |
Radverkehrsbeauftragten abzuschaffen. Radverkehr ist jetzt Chefsache. | |
Ich sehe da Challenge-Potenzial. König Abdullah aus Saudi-Arabien ist zum | |
Beispiel mal die 90 Meter vom Adlon zum Brandenburger Tor mit dem Auto | |
gefahren. Er hat damit bewiesen, dass es keinen Weg gibt, der zu kurz wäre, | |
um nicht im eigenen Auto zurückgelegt zu werden. An der Bellevue-Ausfahrt | |
musste der Kanzler übrigens stoppen: Eine Frau mit Kind im Lastenrad | |
pedalierte auf dem Radweg vorbei. Vielleicht fliegt Merz das nächste Mal | |
besser per Heli ins Bellevue. | |
16 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Kerstin Finkelstein | |
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