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# taz.de -- Familienpflegegeld: So bleibt es wieder an den Frauen hängen
> Geld für die private Pflege klingt verlockend, ist aber verkehrt. Es
> drängt weiter Frauen in die Care-Arbeit und hält sie vom Arbeitsmarkt
> fern.
Bild: Eine alternde Gesellschaft braucht mehr Pflegeleistung
Warum erntet der Vorschlag der neuen CDU-Familienministerin Karin Prien,
ein Familienpflegegeld einzuführen, eigentlich so viel Zuspruch? Zugegeben,
die Idee klingt verlockend: Menschen, die Angehörige zu Hause pflegen,
sollen dafür eine Lohnersatzleistung bekommen – analog zum Elterngeld. So
wie Mütter und Väter eine Zeit lang für die Kinderbetreuung aus dem Job
aussteigen können und dafür – gemäß ihrem Einkommen – vom Staat Geld
erhalten, sollen auch Menschen, die ihre Eltern oder andere
Familienmitglieder für einen begrenzten Zeitraum pflegen, dafür finanziell
unterstützt werden.
Die Idee hinter der Idee ist schon richtig: Eine alternde Gesellschaft
braucht mehr Pflegeleistung – mehr Pflegeheime, Pflegekräfte,
professionelle Pflege. Hier allerdings beginnt das erste von zahlreichen
Problemen. Warum sollen ausgerechnet Familienangehörige zu Pflegekräften
mutieren? Sie sind in der Regel keine examinierten Fachkräfte und sollen,
weil sie jetzt Geld dafür bekommen, Tätigkeiten übernehmen, für die andere
jahrelang ausgebildet werden? Um nicht falsch verstanden zu werden: Viele
Menschen möchten sich um ihre Angehörigen kümmern, und das sollen sie dann
auch.
Wer aber schon einmal mit Altenpflege zu tun hatte, weiß, dass das zu Hause
nur so lange gut geht, wie es sich um einigermaßen leichte Pflege handelt:
waschen, einkaufen, putzen, reden oder einfach nur da sein. Ist jemand
bettlägerig, braucht es Profis, die wissen, wie man die Pflegeperson
richtig hebt, sie dreht, einen Dekubitus vermeidet, wie man im Bett am
leichtesten die Windeln wechselt. Intensivpflege zu Hause ist ein
24-Stunden-Job, diejenigen, die das machen, sind spätestens nach einem Jahr
selbst ein Pflegefall.
Und machen wir uns nichts vor: Die Pflege bleibt am Ende an den Frauen
hängen. Das war schon immer so, und das dürfte sich mit Priens Vorschlag
nicht ändern. Lagert man die Pflege ins Private aus, tut man Familien damit
keinen Gefallen – Lohnersatzleistung hin oder her. Die Idee folgt jener
konservativen Leitlinie, vor allem Frauen die Care-Arbeit zu überlassen –
und sie so am Ende auch vom Arbeitsmarkt fernzuhalten.
In Deutschland fehlen dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge mehr
als 530.000 qualifizierte Arbeitskräfte, in [1][zwei Jahren könnten es über
700.000 sein]. Das auch, weil fast die [2][Hälfte der berufstätigen Frauen
in Teilzeitjobs] hängt – unter anderem wegen der Care-Arbeit. Dem Land –
und auch den Frauen, Stichwort finanzielle Unabhängigkeit und Rente – wäre
geholfen, wenn die Kompetenzen von Frauen nicht zu Hause als Pflegekraft
ausgebeutet würden, sondern sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung ständen.
Gern auch als examinierte Pflegekräfte mit geregelter Arbeitszeit,
Feierabend, Urlaub.
Prien könnte durchaus punkten, wenn sie eine Idee unterstützen würde, die
weder neu noch unausführbar ist: ein Pflegegeld, mit dem sich Familien
professionelle Pflege kaufen könnten – und das, ohne aus dem Beruf
aussteigen zu müssen.
23 May 2025
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[1] https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/alexander-burstedde-jurek-…
[2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2025/05/PD25_175_13.ht…
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Care-Arbeit
Pflege
Geschlechtergerechtigkeit
Arbeitsmarkt
Frauen
Care-Arbeit
CDU Schleswig-Holstein
Alten- und Pflegeheime
Feminismus
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