# taz.de -- Totalumbau beim Mischkonzern: Alles muss raus bei Thyssenkrupp | |
> Die kriselnde Industrie-Ikone Thyssenkrupp wird zerschlagen, ihre | |
> Betriebsteile „kapitalmarktfähig“ getrimmt. | |
> Arbeitnehmervertreter:innen machen mit. | |
Bild: Ein Stahlarbeiter von Thyssenkrupp arbeitet am Hochofen 8 auf dem Werksge… | |
Berlin taz | Für viele von Rechtsaußen war die Lage sofort klar: „Grüne | |
CDU-Politik wirkt: Energie unbezahlbar, Bürokratie bis zur Ohnmacht, echte | |
Fachkräfte verlassen das Land“, schreibt AfD-Fraktionsvizin Beatrix von | |
Storch auf X, für Parteichefin Alice Weidel war der nächste Schritt im | |
Drama um die deutsche Industrie-Ikone Thyssenkrupp gar ein Symbol für den | |
„Niedergang unserer Wirtschaft“. | |
Die betroffenen Arbeitnehmervertreter:innen bewerteten die geplante | |
Aufspaltung des Konzerns, die am Montag verkündet worden war, nicht so | |
eindimensional: IG Metall und Konzernbetriebsrat wissen, dass Thyssenkrupp | |
seit Jahren wankt – weniger wegen der Politik als vielmehr wegen | |
hauseigener Fehler und stark konjunkturabhängiger Produkte. | |
Die Arbeitnehmervertreter:innen kritisierten deshalb zwar, dass sie | |
„nicht angemessen in die strategische Diskussion eingebunden“ worden seien. | |
[1][Einer „sinnvollen strategischen Neuausrichtung“ von Thyssenkrupp | |
stünden sie jedoch „nicht im Wege“, heißt es in einer Mitteilung.] | |
## Fit für Börse oder Fusionen | |
Thyssenkrupp-Boss Miguel López hatte kurz zuvor einen erneuten | |
Strategieschwenk für die 96.000 Mitarbeitenden weltweit angekündigt: die | |
Zerschlagung des seit Jahren kriselnden Industriekonzerns. „Kern der | |
Überlegungen ist es, schrittweise alle Geschäftsbereiche von Thyssenkrupp | |
zu verselbstständigen und für die Beteiligung Dritter zu öffnen.“ Im | |
September solle der Aufsichtsrat darüber beschließen. | |
Die einzelnen Sparten sollen fit für die Börse oder für Fusionen gemacht | |
und die Restbeteiligungen unter dem Dach einer verschlankten Zentrale in | |
einer Holding gebündelt werden. Ähnlich hatte es Lopez’ Vorgängerin Martina | |
Merz bereits 2023 vorgeschlagen – und war demontiert worden. Dann träumte | |
der frisch installierte López von einer „stärkeren operativen Steuerung“ | |
aller Sparten durch die Zentrale in Essen. Nun also die Wende der Wende. | |
Dahinter stecken dramatisch schlechte Bilanzen: Im Geschäftsjahr 2023/24 | |
fuhr Thyssenkrupp ein Minus von 1,5 Milliarden Euro ein, zuvor hatte es | |
bereits einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro gegeben. Das Votum vieler | |
Beteiligter: Der weitverzweigte Mischkoloss ist in seiner derzeitigen Form | |
nicht überlebensfähig. | |
Deshalb hatte López bereits angefangen, einen Anteil von Thyssenkrupp | |
Marine Systems abzuspalten. Immerhin hat die Tochter zuletzt mehrere | |
milliardenschwere U-Boot-Aufträge an Land gezogen. An die Holding des | |
tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský sind zudem bereits 20 Prozent | |
der [2][angeschlagenen Stahlsparte] verkauft worden, 50 Prozent sollen es | |
werden. Aber die Lage von Deutschlands mit derzeit noch 27.000 | |
Mitarbeitenden größtem Stahlhersteller ist weiter prekär. | |
Der Sektor kämpft mit der Zurückhaltung wichtiger Kunden aus | |
Automobilindustrie und Maschinenbau. Hinzu kommen hohe [3][Energiekosten] | |
sowie der Druck durch Billigimporte aus China und Indien. Die Stahlpreise | |
sind laut einem am Dienstag veröffentlichten Bericht der Organisation für | |
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf dem niedrigsten | |
Stand seit vier Jahren. | |
## Grünes Stahlprojekt fraglich | |
Deshalb fehlt der Branche laut OECD Geld, das sie für den klimafreundlichen | |
Umbau ihrer Produktion bräuchte. So soll in Duisburg für rund drei | |
Milliarden Euro eine Anlage entstehen, die [4][mit Wasserstoff | |
umweltfreundlichen, „grünen“ Stahl] produzieren kann. Bund und | |
Nordrhein-Westfalen beteiligen sich mit rund zwei Milliarden Euro an dem | |
Projekt. Aber im März gab López bereits zu, es sei „nicht sichergestellt, | |
dass wir die Anlage in absehbarer Zeit wirtschaftlich betreiben können“. | |
Auch die anderen Sparten sollen „kapitalmarktfähig“ getrimmt, also | |
möglichst profitabel gemacht werden. Wahrscheinlich zu Lasten der | |
Arbeitsplätze. Aber: Ohne frisches Kapital werden es auch die „Perlen“ im | |
Thyssenkrupp-Portfolio schwer haben. Da ist zum Beispiel [5][Nucera] zur | |
Herstellung von grünem Wasserstoff mit bereits über 600 | |
Elektrolyseprojekten weltweit. Eine Pilotanlage für die industrielle | |
Nutzung wurde am Dienstag im thüringischen Arnstadt präsentiert. | |
Schwieriger wird die Partnersuche wohl für die Sparten Werkstoffe und | |
Autoteile. | |
Es müsse klare Aussagen zu Beschäftigung und Standorten geben, | |
betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden, hieß es von Seiten der | |
Arbeitnehmervertreter:innen. Der Konzern dürfe nicht einfach filetiert und | |
nach und nach an die Börse gebracht werden – „ohne Zukunftsbilder mit | |
Perspektiven für Mitarbeiter und Standorte in allen Bereichen“. | |
27 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.igmetall.de/presse/pressemitteilungen/keine-zerschlagung-von-th… | |
[2] /Industrieabbau-im-Ruhrgebiet/!6085025 | |
[3] /Schwarz-rote-Milliarden-fuer-Unternehmen/!6085985 | |
[4] /Jobabbau-in-der-Stahlbranche/!6073530 | |
[5] https://www.thyssenkrupp.com/de/unternehmen/unternehmensstruktur/decarbon-t… | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
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