| # taz.de -- Zeichnerin über Holocaust-Projekt: „Eine Zeichnung kann skizzenh… | |
| > Barbara Yelin hat die Erinnerungen der KZ-Überlebenden Emmie Arbel in | |
| > Zeichnungen festgehalten. Zu sehen sind sie in der Gedenkstätte | |
| > Bergen-Belsen. | |
| Bild: Erinnerungen kommen zu unterschiedlichen Zeiten: Zeichnung der Holocaust�… | |
| taz: Frau Yelin, wie erzählt man vom Unsagbaren? | |
| Barbara Yelin: Das ist schwer mit Worten zu beschreiben, weil es ja eben um | |
| kaum Aussprechbares geht. Deswegen zeichne ich Bilder, die Fragen, | |
| Fragmenten und Leerstellen Raum geben, um traumatische Erinnerungen | |
| sichtbar zu machen. | |
| taz: Wo stößt der Comic an seine Grenzen? | |
| Yelin: Die schwierigsten Zeichnungen waren die, die von Gewalt handeln. Ich | |
| habe versucht zu zeigen, was wichtig ist, und gleichzeitig Gewalt nicht zu | |
| reproduzieren. Gerade wenn es hier um Emmie Arbel als Kind geht. Eine | |
| Zeichnung kann etwas andeuten und skizzenhaft eine Form finden und dabei | |
| sehr deutlich sein. Man kommt den Protagonistinnen sehr nahe, was | |
| gleichzeitig keine herkömmliche [1][Geschichtsvermittlung] ersetzen kann. | |
| Man kann die unfassbare Monstrosität des Holocaust nicht abbilden. | |
| taz: Hatten Sie beim Erzählen der Geschichten von Emmie Arbel Angst, aus | |
| Ehrfurcht vor dem Stoff Fehler zu machen? | |
| Yelin: Selbstverständlich. Es ist entscheidend, sorgfältig zu arbeiten. Das | |
| war nicht nur mein Anliegen, sondern auch das von Emmie. Viele | |
| HistorikerInnen und ExpertInnen haben mitgewirkt. Wie ist es möglich, mit | |
| einer Zeitzeugin ein Gespräch zu führen, das keinen neuen Schmerz | |
| hervorruft? Da geht es ums Zuhören. | |
| taz: Wie schafft man einen Rahmen dafür? | |
| Yelin: Emmie wusste sehr genau, was sie mir erzählt. Ich war nicht die | |
| Erste, der sie davon berichtet. Sie spricht seit 20 Jahren als Zeitzeugin. | |
| Auch sie musste erst eine Sprache finden, auch durch eine lange Therapie, | |
| die sie in der Mitte ihres Lebens gemacht hat. Das Erinnern ist für sie | |
| etwas sehr Schmerzhaftes. Sie hat für sich Grenzen gefunden, die eine | |
| Grundlage sind für jedes solcher Gespräche. Man darf nicht auf der Suche | |
| sein nach einer Akribie oder nach Chronologie. Unser Glück war, dass wir | |
| viel Zeit hatten, sodass sich die Gespräche in alle Richtungen entwickeln | |
| konnten. | |
| taz: Wie viel Zeit hatten Sie zusammen? | |
| Yelin: Das Projekt hat sich über vier Jahre erstreckt und es sind [2][zwei | |
| Bücher daraus entstanden]. Wir haben viele Gespräche geführt, natürlich | |
| nicht am laufenden Band, manchmal aber auch mehrere Tage am Stück. Wir | |
| haben uns in den Niederlanden, in Israel, in Deutschland getroffen. Und | |
| dann habe ich die Recherchearbeit gemacht. Also mit Gedenkstätten, | |
| Archiven, HistorikerInnen. Das kanadische Projekt Survivor-Centred Visual | |
| Narrative hat unsere Begegnung initiiert und begleitet. | |
| taz: Wie viel Freiheit darf man sich beim Visualisieren von solchen | |
| biografischen Erinnerungen noch nehmen? | |
| Yelin: Bei dieser Form spielte Präzision eine große Rolle. Es war | |
| einerseits wichtig, die Inhalte so genau wie möglich zu recherchieren. | |
| Dennoch war es mir ein Anliegen, mit den Mitteln der Kunst so frei wie | |
| möglich zu erzählen. Ich habe die Erinnerungen von Emmie also nicht | |
| geordnet. Es ging darum, Erinnerung, die eben ja genau das nicht sind – | |
| lückenlos und chronologisch – erfahrbar zu machen. Erinnerungen kommen zu | |
| unterschiedlichen Zeiten und Intensitäten auf. Ich wollte nachvollziehbar | |
| machen, was das bedeutet für eine Person, die bis heute nahezu täglich | |
| Erinnerungen an diese Zeit hat. | |
| taz: Die Ausstellung kehrt mit [3][Bergen-Belsen] an einen historischen Ort | |
| zurück. Verändert dieser Ort den Blick auf Ihre Arbeiten? | |
| Yelin: In Bergen-Belsen war Emmie ungefähr sechs Wochen und es herrschten | |
| unfassbar grauenhafte Umstände in diesen letzten Wochen vor der Befreiung | |
| durch die Briten. Sie schildert das auch ziemlich präzise in der Graphic | |
| Novel. Man sieht heute in Bergen-Belsen ein weites Feld, unter dem die | |
| Massengräber liegen und das von Kiefernwäldern umgeben ist. Der | |
| Ausstellungsraum lässt viel Licht rein und hat große Fenster zu diesen | |
| Wäldern. Das verbindet sich mit den Zeichnungen von Miriam Libicki. Die | |
| Familie ihres Gesprächspartners David Schaffer wurde von den Nazis in die | |
| Wälder Transnistriens getrieben, damit sie dort verhungern. Dass sich | |
| Bilder im Außen- und Innenraum so wiederfinden, ist sehr intensiv. | |
| 24 May 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Geschichtsvermittlung-durch-Comics/!5871506 | |
| [2] /Graphic-Novel-ueber-Emmie-Arbel/!5977597 | |
| [3] /Bergen-Belsen/!t5015411 | |
| ## AUTOREN | |
| Karoline Gebhardt | |
| ## TAGS | |
| Bergen-Belsen | |
| Holocaustüberlebende | |
| Holocaust | |
| Comic | |
| Zeichnung | |
| Erinnerungen | |
| Erinnerungskultur | |
| Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
| Shoa | |
| Zeitzeugen | |
| Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
| Comic | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Anita Lasker-Wallfisch feiert Geburtstag: „Du wirst gerettet werden“ | |
| Anita Lasker-Wallfisch, Cellistin und Überlebende des Mädchenorchesters von | |
| Auschwitz, feiert ihren 100. Geburtstag in London. | |
| Nachruf auf Walter Frankenstein: Mein Freund Walter | |
| Mit 100 Jahren ist der Holocaustüberlebende Walter Frankenstein gestorben. | |
| Unser Autor hat ihn und seine Erinnerungsarbeit begleitet. | |
| Graphic Novel über Emmie Arbel: „Ich war nicht schwach“ | |
| Barbara Yelin erzählt in einer Graphic Novel von der in Israel lebenden | |
| Emmie Arbel. Von Kindheit und Überleben mit dem Holocaust. | |
| Geschichtsvermittlung durch Comics: Stark sein, die Grauzonen sehen | |
| Einige Comic-Neuerscheinungen beschäftigen sich anschaulich mit Geschichte. | |
| Lesenswert ist unter anderem Émile Bravos „Spirou oder: die Hoffnung“. |