# taz.de -- Antrittsbesuch in Frankreich: Merz will über europäische nukleare… | |
> Der neue Kanzler besucht Paris. Merz will die Beziehung zu Frankreich | |
> stärken – und zeigt sich offen gegenüber einer Ausweitung des nuklearen | |
> Schutzschirms. | |
Bild: Auf eine gute Beziehung: Merz und Macron wollen die deutsch-französische… | |
Paris taz/afp | Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) war am Mittwoch zu | |
seinem Antrittsbesuch nach Paris gekommen, noch vor einer Reise nach Polen | |
und Brüssel. Dies entspricht einer ungeschriebenen und von beiden Seiten | |
jeweils eingehaltenen Tradition. | |
Während einer dortigen Pressekonferenz bekräftigt Merz seine Offenheit für | |
eine Diskussion über die nukleare Abschreckung gemeinsam mit europäischen | |
Partnern. „Ich sehe die grundsätzliche Notwendigkeit, dass wir mit | |
Frankreich und mit Großbritannien über die Frage diskutieren, wie wir eine | |
Antwort der Abschreckung auch in Zukunft gemeinsam geben können“, sagte | |
Merz. Eine mögliche Ausweitung des nuklearen Schutzschirms, wie Frankreichs | |
Präsident Emmanuel Macron sie ins Gespräch gebracht hatte, sei jedoch kein | |
Ersatz für die atomaren Garantien der USA. | |
„Dies ist ausdrücklich gemeint als eine Ergänzung zu dem, was wir | |
gegenwärtig mit den Vereinigten Staaten von Amerika und der Nato vereinbart | |
haben“, betonte Merz. Über solche und andere sicherheitspolitische Themen | |
würden Deutschland und Frankreich künftig miteinander im Format „drei plus | |
drei“ diskutieren, also der französische Präsident, der Bundeskanzler und | |
die jeweiligen Außen- und Verteidigungsminister. | |
Gemeinsam mit Präsident Emmanuel Macron forderte er außerdem Israel auf, | |
der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen endlich humanitäre Hilfe | |
zu liefern. Übereinstimmend betonten beide nach einem Treffen in Paris, | |
dass ihre Regierungen Israels Rechts auf Selbstverteidigung gegen die | |
radikalislamische Hamas respektierten, das Land aber auch eine humanitäre | |
Verpflichtung habe. „Ich hoffe sehr, dass die israelische Regierung sich | |
dieser Verpflichtung bewusst ist“, sagte Merz, der aber auch betonte, dass | |
Deutschland „ohne Wenn und Aber“ an der Seite Israels stehe. | |
## Hoffnung für deutsch-französische Beziehung | |
Der Besuch des frisch vereidigten Kanzlers sorgt in Frankreich für | |
Hoffnung. Auch wenn es offiziell nicht explizit so gesagt wird, denken | |
alle, dass es in den deutsch-französischen Beziehungen nur besser werden | |
kann als mit Olaf Scholz, für den sich hier niemand so richtig erwärmen | |
konnte. | |
[1][Die Ära Scholz] wird in Frankreichs Medien als „Eiszeit“ im Klima der | |
deutsch-französischen Beziehungen oder „Tiefpunkt der Freundschaft seit | |
Adenauer – de Gaulle“ bezeichnet. Merz hat dagegen Vorschusslorbeeren mit | |
einem Profil des „überzeugten Europäers“, das er sich selber gibt. In | |
Frankreich gilt er darum als „Chance“ für die Zusammenarbeit. | |
Macron hat in seiner Gratulation zur Kanzlerwahl die Erwartung zum Ausdruck | |
gebracht, dass diese Partnerschaft „stärker denn je werden“ könne oder | |
solle. Mehr hinter vorgehaltener Hand werden laut der Zeitung Libération | |
aber auch besorgte Bedenken geäußert, weil Merz bei seiner Wahl aus seinem | |
[2][eigenen Lager einen Denkzettel] und gleichsam eine Vorschusskritik | |
erhalten habe. Die macronistische EU-Abgeordnete Valérie Hayer empfand dies | |
auf X als „politischen Schock“. | |
## Macron und Merz haben einige Gemeinsamkeiten | |
Politisch scheint der konservative Christdemokrat Merz dem [3][Liberalen | |
Macron] zumindest in der Europa- und Sicherheitspolitik näher zu stehen als | |
der etwas spröde Sozialdemokrat Scholz. Beide kommen zudem aus der | |
Finanzwelt und reden die Sprache der Wirtschaft. Beide sind auch einem | |
fremdenfeindlichen und reaktionären politischen Druck ausgesetzt, der sich | |
nicht auf die extreme Rechte (AfD in Deutschland, RN in Frankreich) | |
beschränkt, sondern weit in das konservative bürgerliche Lager reicht und | |
namentlich die Migrationspolitik zu einem Streitpunkt macht. | |
Dass Merz Deutschland nicht länger als „Zwerg“ auf der weltpolitischen | |
Bühne einschätzen will, passt viel eher zu Macrons internationalen | |
Ambitionen für Frankreich und die EU. Dass das deutsch-französische | |
„Tandem“ reibungslos rollen muss und nicht die eine oder andere Seite aus | |
innenpolitischen Gründen ständig bremst, scheint heute gleichermaßen klar | |
zu sein. Frankreich möchte ohne Wenn und Aber der erste und wichtigste | |
Partner Deutschlands sein. | |
Aus zwei präzisen Gründen erwartet man in Paris eine Erwärmung und | |
effizientere Kooperation: Wie Macron seit Längerem scheint auch Merz sich | |
nach der Trump-Wende vermehrt für eine eigenständige europäische | |
Verteidigung und eine verstärkte europäische Unabhängigkeit der | |
Rüstungsindustrie zu engagieren. | |
Der französische Präsident rechnet sodann auch mit einem Entgegenkommen | |
oder mehr Verständnis für Frankreichs Verschuldung und Haushaltspolitik, | |
nachdem Deutschland die eigenen Regeln zur Finanzierung der Rüstung | |
gelockert hat. Wie weit dann aber Deutschland bereit ist, es selber und für | |
die EU-Partner bei der Haushaltsdisziplin etwas lockerer als früher zu | |
nehmen, bleibt auch nach diesem Antrittsbesuch noch offen. | |
7 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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