| # taz.de -- Linkspartei und Antisemitismus: Mehr als ein Streit um Worte | |
| > Der Zentralrat der Juden wirft der Linkspartei vor, Antisemitismus zu | |
| > befördern. Dabei ist die Jerusalemer Erklärung alles andere als das. | |
| Bild: DemonstrantInnen protestieren gegen die Repression gegen Palästina-Aktiv… | |
| Berlin taz | Joseph Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, griff zu | |
| harten Worten. Die Linkspartei trage dazu bei, „Antisemitismus zu | |
| verschweigen“. [1][Sie sei ignorant gegenüber der „jüdischen Gemeinschaft… | |
| und „in ihrem radikalen Kern getrieben von Israelhass“]. Die Linkspartei | |
| ist, folgt man dem Zentralrat, ein Sammelbecken von Antisemiten. In das | |
| gleiche Horn bliesen der jüdische Verein WerteInitiative, der der | |
| Linkspartei vorwarf „israelfeindliche Agitation unter dem Deckmantel der | |
| Kritik“ zu befördern. Die Jüdische Studierenden-Union erklärte, die | |
| Linkspartei habe sich damit als „Partner für Zusammenarbeit | |
| disqualifiziert“. | |
| Anlass für die harschen Reaktionen ist ein Beschluss, den die Linkspartei | |
| am Ende ihres Parteitages in Chemnitz fasste. Die GenossInnen kritisieren | |
| darin die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance | |
| Alliance (IHRA), die einen Schwerpunkt auf „israelbezogenen Antisemitismus“ | |
| legt. Die IHRA-Formel, so die Kritik der Linkspartei, diene mittlerweile | |
| als „repressives Instrument, um unliebsame Kritik und politischen Protest | |
| zu verhindern“. | |
| Die IHRA-Definition ist von vielen Staaten anerkannt. Aber sie ist auch | |
| seit Jahren umstritten, weil sie benutzt wird, um drastisch vorgetragene | |
| Kritik an der israelischen Politik als antisemitisch zu diffamieren. Dazu, | |
| so die vielfach vorgetragene Kritik, trage die IHRA-Definition mit vagen | |
| Formulierungen bei. Fakt ist, dass Raumverbote in Deutschland für | |
| Organisationen, denen Nähe zu der Israel-Boykott-Bewegung BDS vorgeworfen | |
| wurde, mit IHRA-Formel begründet wurden. Auch der Anti-BDS-Beschluss des | |
| Bundestages 2019 und die Antisemitismus-Resolution argumentierten zentral | |
| mit dem IHRA-Text. | |
| [2][Die Jerusalemer Erklärung (JDA) ist 2020 als Reaktion auf diese Kritik | |
| entstanden,] verfasst unter anderem von der Historikerin Aleida Assmann, | |
| dem jüdischen Holocaust-Forscher Amos Goldberg und Stefanie | |
| Schüler-Springorum, Leiterin des Berliner Zentrums für | |
| Antisemitismus-Forschung. JDA ist bemüht, Kritik an Israel, Antizionismus | |
| und Antisemitismus zu unterscheiden. | |
| Demnach ist es antisemitisch, Israel das Recht abzusprechen, als jüdischer | |
| Staat zu existieren. Gleichzeitig versucht die JDA Ideen eines binationalen | |
| Staates, in dem Juden und Palästinenser gleiche Rechte hätten, sowie Kritik | |
| am Zionismus davon auszunehmen. Schüler-Springorum wollte sich gegenüber | |
| der taz nicht äußern und verwies auf einen Text der JDA-AutorInnen, der | |
| Dienstag veröffentlicht werden soll. | |
| Ein Unterschied zwischen den Texten ist der Umgang mit BDS. Laut der | |
| Jerusalemer Erklärung ist Boykott gegen Israel und BDS, eine weltweite, | |
| vielgestaltige, lose verbundene Organisation, nicht „per se“ antisemitisch. | |
| Das sehen Anhänger der IHRA-Definition anders. | |
| In der Linkspartei gibt es Kritik an dem Bekenntnis der Partei zu JDA, das | |
| gegen den Willen der Parteispitze vom Parteitag beschlossen wurde. Man | |
| solle die Definition von Antisemitismus der Wissenschaft überlassen, so | |
| Bodo Ramelow, früher Ministerpräsident von Thüringen und jetzt | |
| Vizepräsident des Bundestages. „Wer Israel auslöschen und Juden vernichten | |
| oder vertreiben will, der ist Antisemit!“, twitterte Ramelow. Das | |
| allerdings ist nach beiden Definitionen zweifellos antisemitisch. | |
| Peter Ullrich, Antisemitismusforscher an der TU Berlin, [3][hält die | |
| Verteidigung der „wissenschaftlich fragwürdigen“ IHRA-Formel für eine Art | |
| „Sakralisierung.“] Sie würde so vehement geschützt, weil sie als Zeichen | |
| „für die seit 20 Jahren wachsende Anerkennung von Antisemitismus und | |
| israelbezogenem Antisemitismus“ gesehen wird. Die beiden Definitionen | |
| würden „als konträre Symbole für den Streit um Nahost und Antisemitismus“ | |
| gebraucht. Dabei würde übersehen, dass die „Antisemitismus-Diagnosen der | |
| beiden Definitionen zum großen Teil gleich“ seien. Allerdings sei „die | |
| IHRA-Definition sehr leicht politisch instrumentalisierbar“. | |
| Unterstützung bekommt die Linkspartei für ihren Beschluss von Hadash, einem | |
| linkssozialistischen Parteienbündnis in Israel. Der Kampf gegen | |
| Antisemitismus, so Hadash, sei „entscheidend“, dürfe aber nicht dazu | |
| instrumentalisiert werden, „die nötige linke Kritik an der gewalttätigen | |
| Politik Israels stumm zu stellen“. | |
| 12 May 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/ignoranz-der-linkspartei-gegenu… | |
| [2] https://www.jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/JDA-German.pdf | |
| [3] https://www.rosalux.de/publikation/id/41168/gutachten-zur-arbeitsdefinition… | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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