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# taz.de -- Uni-Bibliothek von Freiburg: Eine arg wetterfühlige Bibliothek
> Bei Sonne blendet sie das Umfeld, bei Regen werden Eimer aufgestellt:
> Zehn Jahre nach Eröffnung ist die Freiburger Uni-Bibliothek reif zum
> Renovieren.
Bild: Ein Haus, dem das Wetter mit Regen und Sonne schlicht zu schaffen macht: …
Freiburg taz | Meist wird sie ja wegen der Sonne verhöhnt. Aber noch
unterhaltsamer war der Besuch der Freiburger Uni-Bibliothek bislang, wenn
es regnet. Das tut es im Breisgau gar nicht so selten: Fast doppelt so viel
Niederschlag wie in Berlin gibt’s da [1][im langjährigen Mittel]. Ein Teil
davon wurde bisher zuverlässig in der wissenschaftlichen Bücherei
gesammelt. Wobei: Im Treppenhaus im vierten Stock hat an diesem Tag jemand
den Eimer schlampig hingestellt. Ein Teil der Tropfen, die durch die
Außenhaut ins Gebäude dringen, landen daneben.
Bei einer Besichtigungstour so eine Pfütze zu sehen, ist lustig. Denn die
Guides preisen die Architektur des im Juli 2015 eröffneten Bauwerks, das
der Basler Heinrich Degelo entworfen hat, ohne ihr Scheitern an basalen
Gebäudefunktionen zu thematisieren. Dabei prägt das doch seit zehn Jahren
die Geschichte des Hauses.
## Gerade wurde Schimmel entdeckt
Erst im Herbst wurde entdeckt, dass es trotz der innovativen
Quellluftlüftungsanlage und Betonkerntemperierung im Tiefmagazin, wo die
3,5 Millionen besonders wertvollen Bände der im Spätmittelalter gegründeten
Uni ruhen, schimmelte. Jetzt werden die 30.000 infizierten Bücher gerettet.
Aber wie geht es weiter? Klimaanlagen sind Vitalorgane von Bibliotheken.
Wenn sie, wie beim Vorgängerbau, veralten, avancieren sie schnell zum
Abrissargument. Über Rückbau werde aber gegenwärtig nicht nachgedacht,
versichert eine Uni-Sprecherin. Stattdessen sollen die Schwankungen der
Luftfeuchtigkeit durch Neuprogrammierungen „besser kontrolliert und
ausgesteuert werden“.
Auf andere Fehlfunktionen antworten Bastelroutinen: Ganz Deutschland hat ja
schon ausgiebig darüber gelacht, dass an der Südostseite ein Teil der
gläsernen Fassade jedes Jahr temporär mit 250 Quadratmetern Stoffbahnen
verhängt wird: Infolge des Sonnenstandes würde die Glasfassade sonst die
Verkehrsteilnehmer*innen in Belfort- und Milchstraße blenden.
Vermutlich, weil die Theolog*innen, deren Kollegiengebäude sich in der
Bibliothek spiegelt, dafür beten, hat auch noch keins der Stahlteile, die
seit 2018 von der Außenhülle abgerauscht sind, einen Menschen getroffen.
Flatterbandmarkierungen bieten zusätzlichen Schutz.
Demnächst soll das nicht mehr nötig sein. Denn die Fassade wird neu
befestigt, dabei sollen auch die 2016 erstmals bemerkten Undichtigkeiten
verschwinden und mit ihnen die Regeneimerroutine. Die sollte wenigstens im
Sommer in der Jubiläumsausstellung Erwähnung finden. Denn groß ist ihre
identifikatorische Wirkung, weil alle Nutzer*innen, die eine undichte
Stelle bemerken, ihrer lieben Bibliothek etwas Gutes tun können, indem sie
sich im Parterre an der Servicetheke einen der Plastekübel in die Hand
drücken lassen, um ihn dann richtig zu platzieren.
„Kathedralen des Wissens, Tempel der Weisheit“, so werden Bibliotheken gern
genannt, manchmal auch „Oasen der Stille“. Gegen solche Gemeinplätze hat
man sich in Freiburg gesperrt: So ist das tolle Eltern-Kind-Zimmer nur über
den Leise-Arbeitsbereich im ersten Stock erreichbar, der wiederum schlecht
vom benachbarten Plauderraum isoliert ist: Oase insofern ja, aber eben eine
der Zukunftsmusik und des Agora-Gemurmels.
## Gut für digitales Detox
Die alte Bibliothek war alles andere als ein Prestigebau gewesen: Ein
namenloser Sachbearbeiter der Stadtverwaltung, der sonst vermutlich
Planskizzen für kommunale Parkhäuser anfertigte, hatte sie neben das
Jugendstiltheater gekloppt, einen Mords-Trumm. Auf dessen Grundriss und in
dessen Skelett wurde dann der neue Bau hineinkonstruiert, „gebaut für eine
digitale Zukunft“, wie Bibliotheksdirektorin Antje Kellermann schreibt, und
weil Digital-Detox deren größte Herausforderung ist, von vornherein als ein
einziges, großes Funkloch: Im Faraday’schen Käfig aus Stahl, Glas und Beton
gibt’s keinen Handy-Empfang. Noch nicht einmal im Café.
Trotzdem ist die UB eine der höchstfrequentierten Einrichtungen ihrer Art
in Deutschland. Es kommen täglich fast 9.000 Besucher*innen – dreimal
so viel wie in die Staats- und Uni-Bibliothek Hamburg.
Das hatte so niemand erwartet. Die 1.200 Plätze zum Arbeiten reichen
selten. In den prüfungsnahen Wochen warten schon ab 6.30 Uhr Menschen in
Trauben auf den Einlass, wie beim Discounter, wenn er Dubai-Schokolade im
Angebot hat. Das wird so bleiben. Zusätzliche Plätze einzurichten sei mit
Blick auf die Gebäudetechnik „leider nicht möglich“.
Manche stört, wie sie aussieht. So ist die Bibliothek in der FAZ als
„städtebaulich unsozialisierbares Gebäude“ beschimpft worden. Aber im
Grunde passt ihr spitziges Gekrage gut zu den gotischen Giebeln und Erkern
der City. Und abends, wenn es dunkel wird, erhellen Röhrenlampen auf allen
Geschossen das ganze Bauwerk wie eine Riesenlaterne. Nur in der sechsten
Etage, da brennt kein Licht. Die verschmilzt finster wie eine dunkle Krone
mit dem sich verdunkelnden Himmel. Sie gehört ganz der Haustechnik.
15 May 2025
## LINKS
[1] https://www.dwd.de/DE/leistungen/klimadatendeutschland/mittelwerte/nieder_9…
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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