# taz.de -- Erneuerter Highlife-Sound: Die Reise begann im Plattenladen | |
> Frafra-Gospel, Jazz und Highlife haben die Ghanaerin Florence Adooni | |
> geprägt. Bald stellt sie ihr Debütalbum in Deutschland vor. | |
Bild: Die Musikerin Florence Adooni (rechts, sitzend) mit Band | |
Dieser Text ist in der taz-Verlagsbeilage „Global Pop“ erschienen. | |
Bolgatanga im Norden Ghanas, Ende 2013. Florence Adooni ist noch weit | |
entfernt davon, mit ihrer Band und ihrer Musik durch Europa zu touren | |
[1][und in den Streamingdiensten hunderttausendfach abgespielt zu werden]. | |
Sie ist eine einfache Gospelsängerin, die die Chants der Frafra, ihrer | |
Volksgruppe, singt und performt. | |
Mit einem Stapel CDs unter dem Arm betritt sie an diesem Tag einen | |
örtlichen Plattenladen, auf den Tonträgern sind Gesangsaufnahmen von ihr. | |
„Ich wollte damals mein Album vertreiben und unter die Leute bringen, also | |
habe ich die Händler abgeklappert“, sagt Adooni, als sie heute von dieser | |
Zeit berichtet. | |
In dem Laden trifft sie zum ersten Mal auf Max Weissenfeldt. Weissenfeldt | |
ist ein deutscher (Jazz-)Musiker, Produzent und Weltreisender in Sachen | |
Sound, er kommt aus München, hält sich damals immer wieder in Ghana auf und | |
produziert dort Musik. | |
Als er Adooni mit ihren CDs erblickt, liest er den Schriftzug ihres Namens | |
darauf und fragt: „Bist du Florence? Ich kenne deine Musik! Ich finde gut, | |
was du machst.“ Erst kurz zuvor hat Weissenfeldt hunderte Frafra-Aufnahmen | |
von einem Musikhändler bekommen, dabei stieß er auf einige ihrer Stücke. | |
Die beiden tauschen Kontakte aus, doch erst Jahre später sollen sie eine | |
gemeinsame Band bilden. 2016 schickt Weissenfeldt Adooni gemeinsam mit Guy | |
One mithilfe des Goethe Instituts auf eine Westafrika- und Europa-Tour. | |
Weissenfeldt ist inzwischen in die ghanaische Kulturmetropole Kumasi | |
gezogen. Mit Guy One, einem Kologo-Spieler, der ebenfalls aus der | |
Volksgruppe der Frafra kommt, arbeitet er immer wieder zusammen. | |
Er engagiert Adooni zwei Jahre später auch als Sängerin für ein neues Album | |
von Guy One. 2021 schließlich gründen sie eine eigene, nach ihr benannte | |
Band. Und gleich der erste veröffentlichte Song „Mam Pe’ela Su’ure“ (2… | |
ist sehr erfolgreich, inzwischen hat sich der Song bei Spotify fast eine | |
Million Mal geklickt. | |
## „An Ordinary Exercise In Unity“ | |
Dieses Stück eröffnet nun auch [2][Florence Adoonis Debütalbum | |
„A.O.E.I.U.]“, das kürzlich auf Weissenfeldts Label Philophon erschienen | |
ist. Stilistisch sind die 7 Songs darauf eine spektakuläre Mixtur aus | |
Frafra-Gospel, Highlife und Free Jazz. Die Stücke hat überwiegend | |
Weissenfeldt komponiert, „vor allem [3][das Sun Ra Arkestra] ist dabei ein | |
bedeutender Einfluss gewesen“, erzählt er am Telefon. | |
Die Buchstaben im Titel stehen für „An Ordinary Exercise In Unity“. „Das | |
könnte natürlich so auch von Sun Ra stammen“, sagt Weissenfeldt. Neben ihm | |
hat auch der finnische Musiker Jimi Tenor mitgewirkt, der unter anderem für | |
die Musik und den englischen Textteil des potenziellen Dancefloor-Hits | |
„Vocalize My Luv“ verantwortlich zeichnet. | |
Florence Adooni ist in Kumasi geboren und aufgewachsen. Mit ihren Eltern | |
hat sie aber immer wieder die Heimatstadt ihrer Familie, Bolgatanga, | |
besucht, wo viele Frafra leben. „Meine Mutter hat auf Beerdigungen | |
gesungen“, erzählt die heute 39-Jährige im Videochat mit der taz. In der | |
ghanaischen Kultur sind Begräbnisse große Feste, viele außergewöhnliche | |
Musiker:innen treten dort auf. | |
Auch ihr mittlerweile verstorbener Vater habe Musik gemacht, sei | |
Kalebasse-Spieler gewesen. „Er hat mit mir jedes Jahr neue Weihnachtslieder | |
beigebracht. Die habe ich mit anderen Kindern gesungen. Ich war die | |
Leaderin, die anderen haben geantwortet.“ Call-and-Response-Techniken | |
lernte sie also schon als Kind. | |
Als junge Erwachsene hat sie in Kumasi zunächst als Grafikdesignerin | |
gearbeitet und einen eigenen Laden gehabt. In den vergangenen beiden Jahren | |
ist sie so viel mit ihrer Band getourt, dass die Musik zu ihrem | |
Lebensmittelpunkt wurde. | |
## Ursprünge des Highlife | |
Kumasi ist von der Einwohnerzahl etwa genauso groß wie die Hauptstadt | |
Accra, rund 2,5 Millionen Menschen leben hier, die Stadt ist Hauptstadt der | |
Ashanti und hatte eine zentrale Bedeutung für die Highlife-Musik. | |
Die Ursprünge des Highlife liegen bereits in der zweiten Hälfte des 19. | |
Jahrhunderts zu Zeiten Britisch-Westafrikas; damals fanden westafrikanische | |
„Palmweinmusik“, Seefahrer-Shanties, die Musik christlicher Missionare, | |
Calypso und weitere Stile zu einer neuen Musik zusammen, die sich im | |
Anschluss fortlaufend von anderen Einflüssen inspirieren ließ. | |
„In Kumasi gab es jahrelang tolle Highlife-Produktionen“, erzählt Adooni, | |
„die jüngere Generation führt diese alte Tradition leider nicht fort, da | |
ist Hiphop und Hiplife angesagter.“ Hiplife ist eine Mischung aus HipHop | |
und Highlife. Sie aber wolle mit ihrer Band den klassischen Highlife | |
weitertragen, sagt sie. | |
Der epische Titeltrack „A. O. E. I. U.“ ist mit seinem swingenden und | |
hüpfenden Bläsern und einem catchy Refrain ein Kernstück des Albums, | |
Weissenfeldt hat dabei auf eine alte Songskizze zurückgegriffen. Im | |
Spoken-Word-Teil feiert Adooni die Musik an sich: „Music (…) takes us on a | |
journey / it is a metaphor of life / (…) Music gives meaning to lifetime“, | |
heißt es darin unter anderem. | |
Eine Hommage an die Musik, sagt Weissenfeldt, der den Text geschrieben hat: | |
„Musik bringt einfach immer irgendwie zusammen. Sei es, dass du zu Musik | |
gemeinsam tanzt, sei es, dass du gemeinsam musiziert.“ Pathetisch gesagt | |
sei Musik ein magisches Erlebnis, mit dem man sich mit dem Kosmos verbinde. | |
Eine weitere bekannte Musiktradition der Frafra-Kultur neben dem Gospelstil | |
ist der Kologo-Sound, der durch zwei Sampler („This Is Kologo Power!“, | |
„This Is Frafra Power“) weltweit etwas bekannter wurde. | |
„Aber auf Frafra-Gospel habe ich mit meinem Label weltweit das Monopol“, | |
sagt Weissenfeldt und lacht. Sicher scheint: Die „Journey“, die Adooni und | |
Weissenfeldt mit diesem Sound machen und die vor vielen Jahren in einem | |
Plattenladen in Bolgatanga seinen Ursprung hatte, die geht wohl gerade erst | |
richtig los. | |
14 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://open.spotify.com/intl-de/artist/4804FMh4N7pndfmQsS904u | |
[2] https://florenceadooni.bandcamp.com/album/a-o-e-i-u-an-ordinary-exercise-in… | |
[3] /Sun-Ra-Arkestra-in-Hamburg/!5892744 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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