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# taz.de -- „Die Möwe“ von Anton Tschechow: Verletzte Gefühle beim Federb…
> In der Gaußstraße zeigt das Thalia-Theater Hamburg eine frech mit Komik
> angefüllte „Möwe“. Es geht um die große Kunst und verletzte Gefühle.
Bild: Spiel, Satz und unverbindliche Verzweiflung über Niederlagen: Die Möwe …
Das Federballspiel erzählt von Überdruss und Kostja ist eine Frau.
Zumindest ist das in Charlotte Sprengers Inszenierung von „Die Möwe“ im
Thalia Theater in der Gaußstraße so. In [1][Tschechows handlungsarmem,
tiefenpsychologischem Stück] geht es um die große Kunst und verletzte
Gefühle, um die wahre Liebe und um den Sinn des Lebens. Geschrieben wurde
es 1895.
Vielfach wird es noch immer aufgeführt. Schließlich sind die Themen
zeitlos. Sie erzählen von einer Gesellschaft, die sich gegenseitig
zerfleischt, von Generationen ohne Toleranz, von verletzten
Künstler*innen-Egos, von Eifersucht und Eitelkeiten.
Sprenger bereitet Tschechows kapriziöser Sommergesellschaft ein
Federballfeld. Quer über die gesamte Bühnenbreite hat es Aleksandra
Pavlović (Bühne und Kostüme) ausgebreitet. Weiß gekleidet und sommerlich
lebenslustig spielen sich darauf fast alle Figuren die Bälle zu. Nur Kostja
– großartig verkörpert von Anna Marie Köllner –, die sprunghafte,
rebellische Tochter der erfolgreichen Schauspielerin Arkadina (Victoria
Trauttmansdorff), ist außen vor, ganz wörtlich: Sie hat ihr Set im Foyer
des Theaters aufgebaut, um dort einen avantgardistischen Kunstfilm zu
drehen.
Dieser wird [2][live in den Theaterraum projiziert.] Es ist recht
amateurhafte, trashige Filmkunst – inklusive Tim Porath als wunderbar
eifrigem Aufnahmeleiter – vor pastellfarbener Eis-Café-Kulisse gedreht und
mit Fragen zur Liebe schmalzig unterfüttert. Mit diesem Werk buhlt Kostja
nicht nur um die Anerkennung ihrer Mutter, von der sie nur ein
schulterzuckendes „ich versteh’s nicht“ erntet, sondern will vor allem
zeigen, was die junge Künstler*innen-Generation drauf hat.
## Verirrung in den eigenen Gefühlen
Im Laufe des Abends allerdings verrennt sich Kostja mehr und mehr im
eigenen Konzept, verirrt sich in ihren Gefühlen zu ihrer Hauptdarstellerin
Nina (Pauline Rénevier), vermischt Realität und selbst gemachte Fiktion und
verliert sich schließlich in der Kunst. Dass sich Nina in Arkadinas
Liebhaber verguckt, den blasierten Schriftsteller Trigorin (Merlin
Sandmeyer), macht die Situation natürlich nicht einfacher.
Bald werden die Dreharbeiten sprunghafter, die Dialoge zwischen den auf dem
Sportfeld versammelten Künstler*innen atemloser. Mit großen fahrigen
Gesten versuchen diese ihre Gefühle, aber auch die große Kunst, zu
erklären, legen sich mal vollkommen erschlafft und mit weit ausgebreiteten
Armen hin, umschwärmen einander kreuz und queer, üben abwechselnd den
Rückhandaufschlag und gleich darauf das große Drama: Hier ist offenbar
alles Spiel im Spiel und nichts verbindlich. Schon gar nicht das
gesprochene Wort.
So gehen [3][in dieser rasanten „Möwe“-Inszenierung] Figuren und viele
feinsinnige Dialoge verloren, genauso wie jegliche ernst gemeinte
Verzweiflung an der Welt. Übergangen, geradezu überspült werden die im
Stück so wunderbaren, subkutanen zwischenmenschlichen Schwingungen.
Stattdessen wird meist mit offener Hintertür gespielt, in einem Modus des
„Als ob“, als wäre das Gesagte, etwa das zarte Liebesgeständnis, nicht ga…
ernst gemeint.
Sprenger interessiert sich mehr für den sprunghaften, wilden Wechsel
zwischen Kunst und Wirklichkeit und für den unscharfen Moment, in dem die
Wirklichkeit zur Kunst wird, und umgekehrt. So entsteht eine „Möwe“ mit
Charakteren, die – in herrlich exaltierten Kostümen – meist neben sich
stehen und heiter scheitern. Eine „Möwe“ mit Discolicht und jeder Menge
alberner Musik und eine „Möwe“, deren eigentlicher Tiefgang randvoll und
frech mit Komik gefüllt ist.
30 May 2025
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## AUTOREN
Katrin Ullmann
## TAGS
Theater
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