| # taz.de -- Ausstellung von Meduza in Berlin: Nein zum Nihilismus | |
| > Das russische Exilmedium Meduza gibt in einer Ausstellung im Kunstraum | |
| > Kreuzberg kremlkritischen Stimmen und internationalen Künstler:innen | |
| > Raum. | |
| Bild: Fotograf Alexander Gronsky dokumentiert den Alltag in Russland, hier eine… | |
| „No.“ heißt die Kunst- und Journalismusausstellung des [1][russischen | |
| Exilmediums Meduza], die am 25. April im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien | |
| eröffnete. Sie versteht sich als kreatives Statement des Widerstands – denn | |
| in Putins Russland ist es gefährlich geworden, Nein zum Krieg, Nein zur | |
| Diktatur, Nein zur Zensur und Propaganda zu sagen. Schon ein Post in den | |
| sozialen Medien oder eine kleine Spende an eine ukrainische Organisation | |
| kann heutzutage Gefängnis und mitunter Tod bedeuten. | |
| Meduza sagt dennoch schon seit mittlerweile über zehn Jahren „Nein“. 2014 | |
| gründeten Journalist:innen, die Russland infolge der sich mit dem Beginn | |
| der russischen Aggression gegen die Ukraine immer weiter verschärfenden | |
| Zensur verlassen hatten, in Riga das Exilmedium Meduza. Aufgrund einer | |
| technischen Trickserei ist die Meduza-Nachrichten-App in Russland sogar | |
| ohne VPN zugänglich. Eine internationale Leserschaft versucht man mit | |
| Inhalten zu Russland in englischer Sprache zu erreichen. | |
| Nun kuratierte das Team von Meduza eine Ausstellung im Herzen Berlins, mit | |
| Werken russischer und internationaler Künstler:innen und | |
| Zeitzeug:innen-Videos. So kommt in dem mit „War“ betitelten Raum die | |
| Journalistin Elena Kostyuchenko zu Wort, die nach Beginn der Großinvasion | |
| in die Ukraine reiste, um von dort über das Kriegsgeschehen zu berichten. | |
| Andere tun es weiterhin von Russland aus. „Viele Menschen arbeiten derzeit | |
| aus Sicherheitsgründen anonym für Meduza“, erklärt der Chefredakteur Ivan | |
| Kolpakov der taz. Im Bereich „War“ ist auch die Videoarbeit „Feeling | |
| Defensive“ der in Berlin lebenden finnischen Künstlerin Pilvi Takala zu | |
| sehen, die hierfür an einem Militärtraining für Zivilist:innen in ihrem | |
| Heimatland teilnahm und die so selbst durchlebte Militarisierung | |
| reflektiert. | |
| ## Z-Kriegssymbolik, Putin- und Stalinbildnisse | |
| Besonders eindrücklich sind die Aufnahmen des Fotografen Alexander Gronsky, | |
| der immer noch in Moskau lebt und trotz der möglichen Konsequenzen seinen | |
| echten Namen nicht verbirgt. Er dokumentiert in seiner Fotoserie, wie | |
| Propaganda in die urbane Landschaft eindringt. In seinen Fotografien | |
| mischen sich Z-Kriegssymbolik, Putin- und Stalinbildnisse und absurde | |
| Parolen mit der grauen, wuchtigen Architektur Moskaus – es bedarf keines | |
| weiteren Kommentars, um die Botschaft zu verstehen. Kolpakov sagt, der | |
| Fotograf sehe sich als „letzte Person im Laden“, der dann irgendwann das | |
| Licht ausschaltet. | |
| Bei der Vernissage herrscht reger Andrang, einige prominente | |
| Persönlichkeiten wie etwa der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin sind unter | |
| den Besucher:innen. Mit dem beim Gefangenenaustausch im vergangenen Sommer | |
| aus russischer Haft freigekommenen Jaschin werden Selfies geschossen. | |
| ## Wer sich nicht daran hält, wird gecancelt | |
| Als einzige ukrainische Stimme ist die Schriftstellerin Zhenia Berezhna aus | |
| Kyjiw präsent, die vor dem russischen Angriffskrieg nach Deutschland | |
| flüchtete. Im vergangenen Herbst erschien im von Meduza gegründeten Verlag | |
| ihr Roman, „(Nicht) Über den Krieg“. Dafür, dass sie weiterhin auf Russis… | |
| schreibe, kassiere sie viel Hass. Dass sie bei einer Ausstellung von aus | |
| Russland stammenden Personen teilnimmt, dürfte weiteren schüren. Denn es | |
| ist ein ungeschriebenes Gesetz für ukrainische Personen des öffentlichen | |
| Lebens, dass man nicht gemeinsam mit Russ:innen auftritt – selbst wenn | |
| sich diese gegen den Kreml positionieren. Wer sich nicht daran hält, wird | |
| gecancelt. | |
| Begründet wird diese harte Linie oft damit, dass auch die Opposition sich | |
| nicht kritisch genug mit dem russischen Imperialismus auseinandersetze, | |
| oder die Ukraine nicht entschlossen genug unterstütze. Russische | |
| Oppositionelle würden zu viel Raum beanspruchen und ihn so den | |
| Ukrainer:innen wegnehmen. Zugleich straft man die russische Opposition | |
| mit Verachtung, wenn sie sich zurückhält und schweigt. Eigentlich kann sie | |
| also nichts richtig machen. Dass es keine „guten Russen“ gebe, ist freilich | |
| eine unfaire und plumpe Aussage, aber im Krieg, in dem täglich | |
| Zivilist:innen zur Zielscheibe werden, ist Hass nachvollziehbar. | |
| ## Ein bitterer Beigeschmack bleibt | |
| Teils ist er auch der mangelnden Sensibilität auf russischer Seite | |
| geschuldet. So ging eine PR-Kampagne von Meduza, die das Medium kürzlich in | |
| Kooperation mit der Berliner PR-Agentur Lure startete, reichlich schief. In | |
| eine, Anfang 2025 in Berlin, Paris und London ausgestrahlten Werbeclip war | |
| das entsetzte Gesicht von Yaroslav Bazylevych zu sehen, der bei einem | |
| russischen Luftangriff in Lwiw am 4. September 2024 seine gesamte Familie | |
| verloren hatte. Ukrainer:innen waren schockiert, sprachen von einer | |
| Instrumentalisierung ihres Leids. | |
| Schließlich stoppte Meduza die Kampagne, es folgte eine halbherzige | |
| Entschuldigung – man habe sich an alle Gesetze gehalten. Ein bitterer | |
| Beigeschmack bleibt. Kritisiert wird Meduza auch dafür, Aussagen russischer | |
| Poltiker:innen zu neutral wiederzugeben, nicht deutlich genug als Lügen | |
| zu markieren, und so falsche Narrative zu reproduzieren. | |
| Die Ausstellung „No.“ ist nicht zuletzt auch als Werbeprojekt zu begreifen, | |
| an Automaten können Spenden für Meduza entrichtet werden. Einen Besuch ist | |
| sie vor allem aufgrund der zu Wort kommenden Journalist:innen, aber auch | |
| wegen der teilweise interessanten künstlerischen Arbeiten wert. | |
| 5 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Yelizaveta Landenberger | |
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